Vegetarische Aroma-Bibel - eBook. Karen Page
»Rund 70 Prozent unserer Gerichte sind vegetarisch.
Wir rücken immer mehr von all dem Fleisch ab.«
Daniel Humm, »Eleven Madison Park«, in einem Interview auf grubstreet.co
Während der prozentuale Anteil überzeugter Vegetarier seit 1999 relativ stabil geblieben ist, ließ sich in den vergangenen fünfzehn Jahren sowohl bei der Zahl der Veganer als auch der weniger strengen Flexitarier ein Anstieg verzeichnen. All dies hat dazu beigetragen, dass der Anteil vegetarischer Gerichte auf den Speisekarten der Restaurants deutlich gestiegen ist. Auch in vielen Restaurants der Spitzenklasse scheint es immer selbstverständlicher zu werden, eine Küche mit weniger Fleisch anzubieten. In vielen Ländern gibt es mittlerweile Initiativen für einen fleischfreien Tag in der Woche, an dem Restaurants vegetarische Gerichte anbieten und in öffentlichen Kantinen auf Fleisch verzichtet wird.
Jahrhunderte nachdem in Asien buddhistische Mönche erstmals einen Ersatz für Fleisch entwickelten – Zutaten auf der Basis von Soja oder Weizengluten, die in Aussehen, Textur und Geschmack verschiedenen Fleischarten nahekommen –, sind diese nicht-tierischen Eiweißquellen dank des Aufkommens vegetarischer Asia-Restaurants und Asia-Shops mit den entsprechenden Zutaten zum Mainstream geworden. Auch andere Alternativen für Fleisch, Milchprodukte und Eier, die sich inzwischen großer Beliebtheit erfreuen, werden sicherlich nicht so schnell wieder aus den Supermarktregalen oder von den Speisekarten vegetarischer und veganer Restaurants verschwinden. Die Zahl spezifisch vegetarischer und veganer Restaurants hat zudem auch über das gesamte Spektrum hin gesehen zugenommen, also von der Imbissbude zu Fast-Food-Ketten, die vor allem in Großstädten immer häufiger zu sehen sind.
Immer mehr Menschen werden sich über die enorme Bedeutung der Ernährung bewusst und beginnen, gesundheitliche Aspekte in ihren Essensgewohnheiten zu berücksichtigen. Viele rücken ab von Fleisch, Eiern und Milchprodukten (ganz zu schweigen von raffinierten und industriell hergestellten Nahrungsmitteln sowie sehr salz-, zucker- und fettreichen Speisen) zugunsten einer nährstoffreichen, vollwertigen, vorwiegend pflanzlichen Ernährung. Mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung werden wir insgesamt nicht einfach nur älter, sondern auch weiser – und greifen vermehrt zu Nahrungsmitteln, die genauso lecker wie gesund sind.
WACHSENDE VIELFALT DANK GLOBALISIERUNG
Nahrung ist seit jeher eine Verkörperung von Kultur und ein Schlüsselfaktor der Globalisierung (man denke nur an die Gewürzrouten), durch die sich die Bandbreite der Zutaten, Kochtechniken und Geschmacksprofile immer weiter ausbreitet und vermischt. Weltweit verschmelzen die Kulturen und tauschen sich aus, Zutaten und Gewürze wandern heute in Windeseile um den Globus. Vor zehn Jahren standen auf einem durchschnittlichen Gewürzregal vielleicht gerade zehn Gewürze, heute sind es oft gegen vierzig. Vor zehn Jahren hätte sich niemand für Gewürze wie Asafoetida, Curryblätter, Tamarinde, Mangopulver oder Granatapfelsirup interessiert, die heute dagegen häufig über die Ladentheke gehen. »Alle diese Zutaten passen besser zu vegetarischen Gerichten als zu Fleisch«, erläutert eine Gewürzhändlerin. »Auch Currymischungen verkaufen sich besser als je zuvor, genauso wie Garam-Masalas – und beides passt ausgezeichnet zu Gemüsegerichten.«
Die zunehmende Verwendung einer großen Gewürzpalette spiegelt sich in der sich stetig weiterentwickelnden Art zu kochen – in authentischen und traditionellen Gerichten ebenso wie in Gerichten der Fusion-Küche, in denen sich die Einflüsse verschiedener Landesküchen verbinden. Mit der zunehmenden weltweiten Verfügbarkeit von Zutaten geht es beim Kochen heute weniger um die Herkunft einer Zutat als um das Aroma- und Geschmackserlebnis als solches. Diese radikale Wandlung erfordert auch bei der Zubereitung einen neuen Ansatz – und letztlich ebenso ein neues Genre vegetarischer »Kochbücher«, die nicht nur anhand von fixfertigen Rezepten klassische Gerichte bieten, sondern die dazu inspirieren, auf der Grundlage fantasievoller und harmonischer Geschmackskombinationen neue Gerichte zu kreieren. Und so entstand das Buch, das Sie in Händen halten.
DIE VEGETARISCHE KÜCHE: EINE KÜCHE OHNE GRENZEN
»Bei richtiger Zubereitung und sorgfältigem Abschmecken bieten Gemüsegerichte ein Potenzial an Geschmack, bei dem Fleisch nicht mithalten kann. In der indischen Küche sind Hülsenfrüchte, Reis und Getreide die Grundzutaten, und Gemüse ist unser ›Fleisch‹. Was unsere Küche von anderen unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir schon am Anfang des Kochvorgangs Aromen und Gewürze zugeben, noch bevor das Gemüse hinzukommt, in der Regel werden dazu Kreuzkümmel, Koriander, Senfsamen, Zimt usw. in etwas Öl angeröstet. (…) Mit einem ganzen Arsenal an Würzmitteln, die sich problemlos das ganze Jahr über lagern lassen, sind wir in der Lage, aus Blattgemüse und grobem Wurzelgemüse – für sich genommen oft eher langweilige Zutaten – Gerichte zu zaubern, die auf dem Tisch glänzen und auf der Zunge tanzen.«
Suvir Saran, Küchenchef und Kochbuchautor
Es gibt eine ganze Welt vegetarischer Küchen, die weit über die farblose Kartoffel-Grünkohl-Kost hinausgehen, die immer noch in den Köpfen vieler Fleischesser herumspukt. Die Länder dieser Erde sind unauflöslich mit ihren Bräuchen und ihrer ureigenen Küchen verknüpft, und dabei liefert jedes Land, jede Region auch ihre ganz eigene Version köstlicher Gerichte auf der Basis von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Getreide und Körnern, Nüssen und Kernen – zusammengenommen eröffnet sich somit eine Welt schier endloser Möglichkeiten.
Viele Köche und Kochbuchautoren lassen sich durch die unterschiedlichsten Speisen aus verschiedenen Teilen der Welt inspirieren, und in den größeren Städten findet man all diese Dinge sozusagen vor der Haustür.
Als Erstes ist hier die indische Küche zu nennen, die von ihrem Ursprung her vegetarisch ist. Sowohl die Anhänger des Hinduismus als auch die des Jainismus und Taoismus befolgen aus religiösen Gründen eine vegetarische Lebensweise, mal mehr mal weniger streng. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Indien von allen Ländern der Erde den höchsten prozentualen Anteil an Vegetariern aufweist. Vegetarier sind daher in indischen Restaurants immer auf der sicheren Seite.
Die Küchen der südostasiatischen Länder mit einem hohen Anteil an Buddhisten sind meist sehr vegetarierfreundlich, bestes Beispiel hierfür sind thailändische und vietnamesische Restaurants. Hier ist es relativ einfach, Fleischgerichte oder Gerichte mit Milchprodukten zu umgehen, indem man sich an Gemüsecurrys, Pad Thai mit Tofu oder eine vegetarische Pho-Nudelsuppe hält. Allerdings erweist es sich manchmal als Herausforderung, das allgegenwärtige Würzmittel Fischsauce (in vietnamesischen Restaurants heißt sie Nuoc Cham) zu vermeiden – obwohl es auch hierfür Alternativen gibt, beispielsweise die helle Sojasauce oder eine Sauce aus fermentierten schwarzen Bohnen. Der indonesischen Küche haben wir nicht nur den Tempeh zu verdanken, indonesische Restaurants bieten stets auch eine vielfältige Auswahl vegetarischer Gerichte. Ebenso die Küche Malaysias mit ihren köstlichen mit Kokosmilch, Galgant und Zitronengras abgeschmeckten Currys und gebratenen Nudelgerichten.
Auch die taiwanesische Küche bietet aufgrund buddhistischer Glaubensüberzeugungen eine große Auswahl vegetarischer Gerichte, neben Tofu, Reis, Nudeln und Gemüse auch eine Vielzahl von Fleischimitaten. Die Gerichte enthalten häufig keinen Knoblauch, keinen Lauch und keine Zwiebeln (nach buddhistischer Lehre sind diese Nahrungsmittel zu vermeiden, da sie die Sinne übermäßig anregen).
Ebenso hat Japan dank seiner buddhistisch geprägten Vergangenheit eine lange Tradition als Land mit vegetarischer Lebensweise, weshalb Vegetarier es in japanischen Restaurants nicht allzu schwer haben werden, etwas zu finden.
Auf den Speisekarten chinesischer Restaurants findet man immer auch eine große Auswahl vegetarischer Gerichte. China ist die Heimat der wohl raffiniertesten vegetarischen Küche der Welt, und die erlebt gerade ein Comeback: Vor einem Jahrzehnt gab es gerade mal ein halbes Dutzend vegetarische Lokale in Peking, heute sind es wieder mehr als siebzig, und auch in den chinesischen Lokalen rund um den Globis zeigt sich dieser Trend.
Die nahöstlichen Küchen (z. B. die israelische, libanesische, syrische und türkische) bieten eine Vielzahl vegetarischer Gerichte, von gefüllten Weinblättern zu zahllosen Gerichten mit Sprossen und Getreide. Köstlich ist