Vegetarische Aroma-Bibel - eBook. Karen Page

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      Spirituelle Aspekte

      Die Zubereitung von Nahrung kann, ebenso wie das Essen selbst, in gewisser Weise als Ritual, als »heilige« Handlung betrachtet werden. Diese Art, mit Essen umzugehen, bietet wie kaum etwas anderes im Leben enorme Möglichkeiten, die Lebensqualität im Alltag aufzuwerten. Diverse Spitzenköche weltweit setzen alles daran, das Erlebnis Essen unter jedem denkbaren Aspekt zu perfektionieren – von den Speisen und Getränken selbst bis hin zum Ambiente und dem Service –, immer mit dem Ziel vor Augen, das Gesamterlebnis des Essens nicht nur vergnüglich, entspannt und interessant zu gestalten, sondern ihm auch einen tieferen Sinn zu verleihen.

       »Hier liegt eine Chance für eine Revolution auf persönlicher Ebene: Die geringstmögliche Menge an Schaden verursachen und damit seinen eigenen Abdruck auf diesem Planeten hinterlassen. (…) Es war niemals einfacher als hier und heute, vegan zu leben. Dasselbe Aroma, derselbe Geschmack und dieselbe Textur wie Fleisch, Käse und Milch, aber ohne diese tierischen Grundstoffe. Niemand muss mehr leiden und für das Essen sterben, Sie eingeschlossen.«

      Gary Yourofsky, Vegan-Aktivist

      Am Scheidepunkt zwischen unserer Geschichte und unserer Zukunft haben wir tagtäglich Entscheidungen zu treffen, und zwar bei jeder Mahlzeit, die wir zubereiten und verzehren. Ich hoffe, dass diese Entscheidungen zunehmend bewusster, fundierter und rücksichtsvoller werden – für uns selbst, für andere und für unseren ganzen Planeten.

      In einer jüngeren Umfrage des Marktforschungsunternehmens Technomic bejahten zwei von drei der Befragten die Aussage, dass eine vegetarische Mahlzeit genauso zufriedenstellend sein kann wie eine nicht-vegetarische. Mit diesem Buch möchte ich diesen Anteil noch erhöhen. Und dank dem Einfluss und Talent zahlreicher professioneller Köche habe ich keinerlei Zweifel daran, dass der Anteil der pflanzenbasierten Küche weiter wachsen wird. Viele namhafte Köche vertreten die Ansicht, Gemüse würde der nächste große Trend, und sie setzen alles daran, dies zu unterstützen. »Sie werden deshalb nicht unbedingt Veganer und tragen auch keine T-Shirts mit der Aufschrift ›Fleisch ist Mord‹ – sie sagen einfach nur, wie es ist: Fleisch ist eigentlich langweilig, wohingegen Gemüse in der Küche ein enormes Potenzial interessantester Erfahrungen bieten kann.«

      Es ist einfacher als jemals zuvor, sich vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren – und immer mehr Menschen tun dies auch. Am einfachsten war und ist es natürlich in den Großstädten, am schwierigsten draußen auf dem Land. Doch mit der zunehmenden kulturellen Durchmischung, mit Migranten, die ihre eigene oft an pflanzlichen Gerichten viel reichere Küche mitbringen und vermehrt auch das hiesige gastronomische Angebot mitprägen, hat die Auswahl und Vielfalt an vegetarischen Gerichten zugenommen. Tal Ronnen vom Restaurant Crossroads in Los Angeles sagt dazu: »Dabei handelt es sich nicht um eine kurzlebige Modeerscheinung oder einen Trend: Es geht um etwas, das sich durchsetzen wird, um die Zukunft unserer Erde zu sichern. Und ich freue mich auf jeden Tag, an dem es sich mehr herumspricht und mehr Raum erhält.«

      Wie erreicht man Geschmackstiefe?

      »Die Herausforderung einer auf Gemüse basierenden Küche ist es, dem Gesamteindruck des Geschmacks Tiefe zu verleihen. Mein Ziel ist es, dass niemals jemand beim Verzehr eines unserer Gerichte Langeweile verspürt. Der Faktor, der am ehesten zu Langeweile führen kann, ist die Textur – dann nämlich, wenn alles dieselbe Textur hat, egal, wie geschmackvoll es sonst sein mag. Daher gilt der Textur unser besonderes Augenmerk. Außerdem setzen wir alles daran, jedem Gemüse ein eigenes Profil zu verleihen.

      Mit Gemüse wird heute eine ganze Menge mehr angestellt als noch vor zehn Jahren: Es wird gedörrt, geröstet, sautiert oder gegrillt. Durch das Grillen von Gemüse, zum Beispiel Bärlauch oder Fenchel, im Ofen bei hoher Hitze wandelt sich sein Geschmacksprofil.

      Anschließend kann man es pürieren und als Mittel zum Würzen und Abrunden verwenden.

      Seit mein Schwerpunkt auf der Zubereitung von Gemüse und Ähnlichem liegt, mache ich mir weit mehr Gedanken über Geschmack, Aroma und Textur als in meiner früheren Laufbahn als Koch und ich habe das Gefühl, heute ein weitaus besserer Koch zu sein als jemals zuvor in meinem Leben.«

      Aaron Woo, Restaurant Natural Selection, Portland

      Die Lust auf Käse und der »Faktor X«

      »Die Lust, wenn nicht gar Gier mancher Menschen nach Käse ist teilweise rein körperlich bedingt. In einer 2003 durchgeführten Studie des amerikanischen National Institute of Health über den Einfluss veganer Ernährung auf Diabetes zeigte sich, dass die Teilnehmer zwar Gewicht verloren, ihr Blutzuckerspiegel sank und der allgemeine Gesundheitszustand sich besserte. Viele von ihnen klagten aber darüber, dass ihnen der Käse fehle (Zeichen einer Abhängigkeit, die man eine Nahrungsmittelsucht nennen könnte).

      Es war nicht unbedingt Milch, nicht einmal Eiscreme, sondern Käse im Besonderen. Wie konnte das sein?

      Mehrere Dinge kommen hier zusammen. Erstens hat sich herausgestellt, dass genetisch bedingt manche Menschen zu wenige Dopaminrezeptoren im Gehirn aufweisen, was zur Folge hat, dass sie die Wirkung von Dopamin nicht so stark spüren und deshalb zusätzliche Dopamin-Reize brauchen. So kann es zu verschiedenen Form von Suchtverhalten kommen (Rauchen, Trinken, Spielen oder eben auch Essen). Etwa die Hälfte der Menschen mit Diabetes Typ II hat diese zu übermäßigem Essen verleitende Genvariante – und es führt dazu, dass sie das Bedürfnis nach Nahrungsmitteln haben, die ihnen zusätzliches Dopamin liefern.

      Doch Käse ist ein Sonderfall. Er hat einen hohen Gehalt an gesättigten Fetten, Cholesterin und Natrium, alles ernährungsphysiologisch nicht zu empfehlen. Aber Käse enthält extrem viel Casein, jenes Milchprotein, das anders ist als andere Proteine. Beim Aufspalten setzt es Opiate in die Blutbahn frei, und diese milden Casomorphine docken im Gehirn an denselben Opioid-Rezeptoren an wie Heroin. Es geht also nicht nur um den Geschmack, nicht nur um das Mundgefühl – Milchprodukte sind insofern einzigartig, als sie eben diese Casomorphine freisetzen, und deren Konzentration ist in Käse sehr viel höher als in Milch oder Eiscreme. Würde man Ihnen eine halbe Stunde nach dem Verzehr von Käse Blut abnehmen, würde man Opiate in der Blutbahn finden, die im Gehirn wirksam werden. Es ist zwar nicht so viel, dass Sie nicht mehr Auto fahren könnten oder einen Laden ausrauben würden, aber doch genug, dass Sie schon am nächsten Tag wieder Lust auf ein Stück Käse verspüren. Sogar streng und eigentlich abstoßend riechender Käse hat eine besondere Anziehung auf Menschen, die Vorgänge im Gehirn mit seinem Geruch und Geschmack assoziieren.

      Wenn es Ihnen also schwerfällt, auf Käse – oder sonst irgendetwas – zu verzichten, auf das Sie aus gesundheitlichen oder anderen Gründen verzichten sollten oder wollen, ist es daher besser, einen klaren Schnitt zu machen. Das ist einfacher, als mit einem Happen ab und zu das Belohnungssystem im Gehirn immer wieder von Neuem anzustacheln.«

      Dr. Neal Barnard, Vorsitzender eines Ärzteausschusses für verantwortungsbewusste Medizin

      Food Pairing: Die Kunst des Kombinierens

      Ein wesentlicher Aspekt guter Küche ist der geschickte Einsatz zueinander passender Geschmacksprofile – das setzt Wissen darüber voraus, welche Kräuter, Gewürze und andere Aromen besonders geeignet sind, um spezielle Zutaten bestmöglich hervorzuheben und zur Geltung zu bringen.

      Durch jahrhundertelanges Ausprobieren haben sich traditionelle, klassische Küchen und Gerichte herausgebildet, die nicht selten zeitlose Kombinationen beliebter Zusammenstellungen enthalten – Beispiele hierfür sind Äpfel mit Zimt, Tomaten mit Basilikum, Bananen mit Rum, Reis mit Sojasauce, Yambohnenwurzel mit Limette.

      Es ist faszinierend, festzustellen, dass bestimmte Kombinationen von Zutaten uns weismachen können, etwas ganz anderes zu essen, als dies tatsächlich der Fall ist, allein durch ihren Kontext. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, aß ich einmal einen Kuchen mit einer weichen, mit Zucker und Zimt gewürzten Füllung und war überzeugt, es sei Apfelkuchen – ich war schockiert, als ich hörte, dass es sich um etwas namens »Mock apple pie« handelte, einen falschen Apfelkuchen, in dem statt Apfelscheiben Cracker verarbeitet waren! Ein solcher falscher Apple Pie ist gar nicht so weit von den Avantgarde-Kreationen


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