Engelstunden. Iris Paxino
sind. Wie ist es mit euren ‹Engelkleidern›?»
«So ähnlich ist es mit unseren ‹Gewändern› auch. Es gibt eine innere Seite, die ganz ‹fedrige›, ‹flauschige›, wie ihr sie nennen würdet. Diese entfalten wir in besonderen, bestimmten Augenblicken und Zusammenhängen. Und es gibt die äußere Seite, die ‹glattere›, ‹fließendere› und ‹farbendurchwobenere›, in der wir euch in der Regel sichtbar werden. Unsere ‹Gewänder› sind Teil unsere Wesens, wir ziehen sie nicht ein und aus, wie ihr das mit euren Gewändern macht. Sie spiegeln ausdruckshaft unsere Aufgabenbereiche, unser Wirken, unseren ‹Charakter› – wobei auch der Charakter nicht so ist wie bei euch. Bei euch kann er von Leben zu Leben wechseln, wie auch das Erdenkleid, das ihr von Inkarnation zu Inkarnation wechselt – wenn auch euer Kern der gleiche ist. Bei uns ist der ‹Charakter› das, was unseren Kern darstellt und charakterisiert. Und das ist etwas Durchtragendes, Stetiges – nicht starr, denn auch wir befinden uns in Entwicklung, aber auch nicht wechselhaft, sondern strömend sich formend.»
«Wie sind eure Farben ‹vergeben›, was ist ihre Bedeutung?»
«Lediglich für den Blick aus eurer Welt darauf: Weiß ist die obere himmlische Welt, das reine Licht aus den höheren Sternensphären. Gold ist aus dem Zentrum, es ist die geistige Sonne eures Kosmos. Alle explizit sonnenhaften Wesen haben das himmlische Gold in sich, es erscheint in ihren Gewändern, um ihren sonnengebundenen Ursprung und ihre Aufgabe darzustellen. Oder es erscheint in ihrer Aura, was ihre Verbundenheit mit der Sonne aufzeigt und darauf hinweist, dass sie im Auftrage, im Sinne, im Dienste der Sonne handeln.»
«Wie ist die Farbigkeit der Wesen, die dem Gottvater direkt unterstellt sind?»
«Das könnt ihr kaum erfassen. Aber wenn, dann erscheinen Seine Engel im weiß-grünlichen Spektrum, zumindest meistens. Bei manchen ist da auch etwas ‹Ehernes›, aber nicht im metallischen Sinne, sondern als Abbild der Urgrundsubstanz der Schöpfung, die aus dem Licht entstanden ist.»
«Wie ist es mit den anderen Farben?»
«Sie wirken zusammen als sich gegenseitig ergänzende, sich unterstützende Aspekte des Schöpfungs-Seins. Sie dienen unterschiedlichen Aufgabenbereichen in der Gesamtheit der Schöpfung. Alle zusammen, wenn sie harmonisch miteinander ‹klingen›, erstrahlen wieder im heiligen Weiß, im Schöpfungslicht des Anfangs. Aber es ist ein Weiß, das alle Farben in sich trägt. Es hat sich der Welt in all seinen Facetten verschenkt, damit all diese Facetten auf ihre Weise wirken können und in der Ergänzung zu den anderen heilend, heilsam werden können. – Aus der Einheit die Vielheit, aus der Vielheit eine neue, selbst errungene Einheit. Darin ist die gesamte Entwicklung eurer Welt, eures Kosmos zusammengefasst!»
Durch die ‹Farbigkeit› der Engelerscheinungen können wir also einen Abglanz derjenigen Wirklichkeiten erleben, in deren Wirksamkeiten diese Wesen jeweils stehen. Unsere Wahrnehmungen sind hier jedoch nur ein anfängliches ‹Erspüren›, ein ‹seelisches Ertasten› dieser mannigfaltigen Realitäten der Geistwelten.
So wie die Engel uns in unterschiedlicher Gestalt, Farbigkeit und Größe erscheinen, so treten sie auch in unterschiedlicher Weise an uns heran. Hier stellt sich immer die Frage: ‹Wo› erlebe ich den jeweiligen Engel? Erlebe ich ihn zum Beispiel von vorne auf mich zukommend, erlebe ich ihn hinter mir oder vielleicht seitlich von mir stehend? Natürlich sind die Engel nicht an die irdischen Raumverhältnisse des ‹Hier› und ‹Dort› gebunden, wie wir es innerhalb der physischen Verhältnisse sind. Doch wir Menschen sind daran gebunden, und unsere Wahrnehmungen geschehen stets durch uns selbst. Rudolf Steiner stellt diesen Zusammenhang in wunderbarer Weise dar: «Man müsste also immer sagen – nicht: Ich nehme einen Engel wahr – denn das entspricht nicht ganz genau dem Erleben –, sondern man müsste sagen: Ich spüre, ich empfinde, dass ich von einem Engel wahrgenommen werde.»3 Hier geht es also darum, in welcher Weise ich ein ‹Gegenüber› in einem Engel erlebe. Wie nehme ich wahr, dass mich der Engel wahrnimmt?
Das, was für uns die ‹Verortung› eines Engels ist, also die ‹örtliche› Wahrnehmung der Engelgestalt, deutet bereits auf einen geistigen Sinnzusammenhang hin. Unser Erleben ist hier lediglich die ‹Übersetzung› eines bestimmten Aspektes des Verhältnisses zwischen dem Engel und mir. Wenn ich mich zum Beispiel von einem Engel eingehüllt erlebe, deutet dies auf ein anderes Verhältnis zwischen uns beiden hin, als wenn ein Engel unmittelbar vor mir erscheint und mich dadurch direkt anspricht. Diese Unterschiede sind uns bereits aus unseren physischen Verhältnissen vertraut: Wenn eine Mutter ihr Kind in liebevoller Umarmung hält, drückt sich darin eine andere seelisch-geistige Geste aus, als wenn jemand entschieden auf mich zuschreitet. Wiederum anderes spricht sich aus, wenn jemand geduldig neben mir steht und wartet, bis ich mich ihm zuwende, als wenn jemand mich frontal und eindringlich anblickt. Diese Begegnungsgesten innerhalb der Raumverhältnisse sind auch für unser normales Tageserleben niemals rein physisch, sondern bereits Ausdruck einer seelisch-geistigen Sprache. Und so ist es auch mit der Erscheinung der Engel: Natürlich ‹steht› der Engel nicht ‹hinter› mir, weil er selbst weder ‹steht› noch örtlich an meinen Rückenraum gebunden ist. Aber wenn ich ihn dort erlebe, dann weist dieses erlebte Bild auf einen bestimmten Aspekt unseres gemeinsamen Bezuges hin.
Zeit- und Raumverhältnisse erscheinen uns im Irdischen als durchaus abgegrenzt und somit auch als recht starr. Im Lebendigen des Geistigen sind sie das aber überhaupt nicht. Dadurch, dass wir in diesen Zusammenhängen noch ungeübt sind, denken wir beispielsweise die Engel eher als ‹statische› Gestalten, Gemälden oder Statuen gleich. Doch das sind sie nicht, ganz im Gegenteil. Sie sind sehr beweglich und wandlungsfähig, sie können – physisch gedacht – gleichzeitig an mehreren Orten agieren, können – zeitlich gedacht – gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausführen und können sich uns auch unter unterschiedlichen Aspekten ihres Wirkens zeigen.
Da wir selbst der schwere Klotz am Bein unserer Wahrnehmung sind, können wir schrittweise lernen, uns innerlich etwas beweglicher zu machen. In der Sinneswelt machen wir zum Beispiel die Erfahrung, dass wir jemanden, der uns gegenübersteht, deutlicher, ichhafter erfassen können als jemanden, den wir hinter uns erspüren. Der vordere Raum ist für unser Bewusstein nicht nur der ‹sichtbarste›, sondern auch der ‹wachste› und ‹klarste›. Nun können wir versuchen, diese klarere Wahrnehmungsqualität auch im Geistigen anzustreben. Ein geistiges Wesen, welches uns beispielsweise von der Seite erscheint, können wir bitten, dass es sich vor uns hinstellt. Dabei werden wir bemerken, dass wir es auf diese Weise viel deutlicher erkennen können. Übend können wir hier Verschiedenes experimentieren, um die Qualitäten unserer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit kennenzulernen.
In einem unserer Seminare reagierte ein Teilnehmer recht aufgebracht bei einer solchen Übung. Es ging darum, den eigenen Schutzengel aus dem hinteren Rückenraum nach vorne hin zu bitten, damit wir ihn bewusster wahrnehmen. Dieser Teilnehmer empfand es als Anmaßung, ein geistiges Wesen zu ‹bewegen›. Doch eine solche Betrachtungsweise ist sehr irdisch geprägt. Die Interaktion zwischen einem Menschen und einem Engel findet im Menschen statt, innerhalb seines eigenen Herzensraums, sie ist kein äußeres, physisches Geschehen. Der Mensch ‹scheucht› dabei nicht den Engel hin und her, sondern erübt dadurch nur seine eigene seelische Beweglichkeit. Wenn wir die Engel ernsthaft und liebevoll darum bitten, uns hier zu unterstützen, sind sie gerne bereit, es zu tun. Durch lebendige Seelenbilder veranschaulichen sie uns die hier bestehenden Unterschiede zwischen unseren Welten:
«Unsere Welt, das Reich der Engel, ist in einer gewissen Weise ganz anders gestaltet als eure Welt. Ihr erlebt euch umgeben von einer Außenwelt, die euch als ‹Objekt› erscheint. Für uns ist dies nicht so, für uns ist alles ‹Subjekt›, wenngleich auch nicht ‹unser› Subjekt.»
«Ich kann das ‹denken›, für uns Menschen ist es aber nicht leicht, es wirklich nachzuvollziehen.»
«Gut, schaue: Ein Schäfer blickt auf seine Schafherde und auf seinen Hund, auf die Wiesen, den Wald, die ihn umgebenden Berge. Zugleich ist jedes Schaf schon Teil seines Wesens, er ist ‹ausgedehnt› und umfängt sowohl