Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer

Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts - Marco Mansdörfer


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und Gefährdung aufgegeben wird. Kindhäuser geht daher einen richtigen und entscheidenden Schritt weiter und untersucht die Bedeutung von Sicherheit im Rahmen sozialer Interaktion: Die von den Gefährdungsdelikten geschützte Sicherheit ist danach dann gefährdet, wenn ein Verhalten die durch die Gesellschaft festgelegte Verteilungsordnung von Risiken verletzt[349]. Gefährdungsdelikte dienen also dazu, die demokratisch festgelegte Allokation von Risiken strafrechtlich durchsetzen zu können.

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      Zu diesem Zweck stellen Gefährdungsdelikte im Gegensatz zu den allgemeinen Verletzungsdelikten auf einen konkreten Erfahrungsraum ab[350]. Sie sind auf spezifische Ereignisse fokussiert und berücksichtigen deren zeitlichen, örtlichen und sozialen Kontext.

      Beispiele für Erfahrungsräume:

      Die Gefahr des Todes oder einer lebensgefährlichen Gesundheitsschädigung, wenn jemand in hilfloser Lage ausgesetzt oder im Stich gelassen wird; die Gefahr einer erheblichen Störung des individuellen Rechtsfriedens, wenn eine Person mit der Begehung eines Verbrechens bedroht wird; Gefahren durch große Brände oder Umweltverschmutzungen, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu schädigen; der Umgang mit gefährlichen Stoffen und das Verhalten in für eine moderne Industriegesellschaft notwendigen Institutionen, wie etwa in einem funktionierenden Waren-, Kapital- oder Arbeitsmarkt.

      Der Gesetzgeber kann und muss dem Einzelnen hier genau sagen, welche Pflichten er zu erfüllen und welche Handlungen er zu unterlassen hat[351]. Jakobs gelangt daher zu dem Schluss, die Normen der abstrakten Gefährdungsdelikte hätten oft die Funktion, die Normgeltung von Verletzungsverboten flankierend zu sichern und die Abweichung von Standards zu sanktionieren[352]. Das Gefährdungsdelikt ist damit die typische Deliktsform des Nebenstrafrechts.

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      Der Strafgrund des Gefährdungsdelikts liegt in der Vornahme einer (straf)rechtlich missbilligten Handlung, der ein typisches Gefährdungspotential immanent ist[353]. Das Verbot betrifft einzelne Handlungen oder auch nur einzelne Handlungsweisen, denen rechtlich nicht tolerierte Verletzungsrisiken innewohnen[354]. Der Einzelne muss demnach Sorge tragen, dass er diese Verhaltensweisen nicht an den Tag legt, da ihm insoweit kein äußerer Freiraum zusteht[355].

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      Kritisch wird gegenüber den Gefährdungsdelikten vorgebracht, sie würden mit ihrer Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorfeld von materiellen Rechtsgutsverletzungen die Handlungsfreiheiten anderer übermäßig einschränken und zu einer ungerechtfertigten Expansion des Strafrechts führen[356]. Die Prämisse dieser Kritik, Gefährdungsdelikte würden die Handlungsfreiheiten der Normadressaten übermäßig einschränken, trifft so freilich nicht zu. Indem sich die Gefährdungsdelikte auf einen konkreten Erfahrungsraum beziehen, betreffen sie gerade nicht die allgemeine Handlungsfreiheit der Normadressaten in der abstrakten Form, grundsätzlich alles zu tun oder unterlassen zu können. Sie wenden sich vielmehr an Personen in einer konkreten Handlungssituation und an Personen, die sich entschieden haben, ihre Handlungsfreiheit in einer ganz bestimmten Richtung auszuüben. Besonders gefährliche Tätigkeiten wird der Gesetzgeber dabei a priori Personen mit einer adäquaten Ausbildung zuweisen. Beispielhaft ist das Verlangen von Qualifikationsnachweisen, wie dem der Eignung zum Führen großer Fahrzeuge, zur Beförderung von Personen im Verkehr, zum Transport gefährlicher Güter, zum Handel mit gefährlichen Stoffen, oder das gesamte Feld von Berufsprüfungen und -zulassungen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass derjenige, der eine solche Gefahr herbeiführt, gerade bezogen auf die spezielle Funktion, die er ausübt, in Anspruch genommen wird.

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      Aus dem Bezugspunkt des Gefährdungsdelikts auf einen konkreten Erfahrungsraum folgt eine wesentliche Begrenzung des Verantwortungsbereichs der Normadressaten. Gerade weil die Normadressaten in ganz speziellen Situationen angesprochen werden, können sie nicht wegen der Schaffung von Gefahren haftbar gemacht werden, die zwar auch verboten sind, deren Vermeidung aber nicht in ihren speziellen Aufgabenbereich fällt.

      Beispiel:

      Wer etwa zur Verhinderung einer Überschwemmung gem. § 313 StGB dafür zu sorgen hat, dass ein Wasserrückhaltebecken nicht überläuft, haftet nicht für Umweltgefährdungen gem. §§ 324a, 326 StGB oder ähnlichen Delikten, wenn er fahrlässigerweise ein Ablaufventil öffnet, anstatt es zu verschließen, und das Wasser zuvor von Dritten illegal mit giftigen Chemikalien versetzt wurde[357].

      Aus demselben Grund muss im Fall eines tatsächlich nicht gefährlichen Verhaltens der Einwand der Ungefährlichkeit für die durch den Tatbestand geschützten Güter zulässig sein[358].

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      Ob in den Fällen von Gefährdungsdelikten ein vom bloß gefährlichen Verhalten zu trennender spezifischer Gefährdungserfolg anerkannt werden soll, ist vom Standpunkt eines primär auf Verhaltenssteuerung ausgerichteten Strafrechts von untergeordneter Bedeutung. Konstruktiv lässt sich ein solcher Erfolg – als Verletzung von Vertrauen oder weniger psychologisierend als ein Verlust von Sicherheit oder auch auf andere Weise – begründen. Kritisches Potential kann dieses Konstrukt in Verbindung mit der Lehre von der Rechtsgutsverletzung entfalten, um dem Gesetzgeber auf diese Weise Begründungslasten aufzuerlegen und gewisse Handlungen, die nur zu einer zu vernachlässigenden Gefahr geführt haben, aus dem Tatbestand auszuschließen. Eine sinnvolle Begrenzung der Reichweite des Tatbestandes wird aber dogmatisch in der Regel bereits mit dem Gedanken der rechtlich missbilligten Gefahrenschaffung in Bezug auf ein zu schützendes Gut oder Interesse verbunden.

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      Die Handlungserwartung an den Normadressaten in einer spezifischen Handlungssituation erklärt weiter die Besonderheiten der subjektiven Tatseite der Gefährdungsdelikte. Wenn und weil der Normadressat (nur) in einer konkreten Gefahrensituation angesprochen wird, kann und muss sein äußeres und inneres Verhalten soweit als möglich auf den Schutz des gefährdeten Guts oder Interesses hin determiniert werden. Die Handlungsfreiheit der Normadressaten ist in diesen Fällen nicht die allgemeine Freiheit, irgendetwas zu tun oder zu unterlassen, sondern die Freiheit, eine bestimmte Handlung vornehmen zu dürfen, dies aber mit Bedacht tun und einzelne, naheliegende Gefahren vermeiden zu müssen. Auch der Bezugsgegenstand des Vorsatzes ist bei den Gefährdungsdelikten gerade auf diese Gefährlichkeit beschränkt[359]. Andererseits wird aber vom Einzelnen in solchen Sondersituationen besondere Achtsamkeit gefordert. Daher ist in diesen Fällen auch das fahrlässige Herbeiführen der Gefahr typischerweise strafbar. Die Bestrafung bedarf hier also – anders als bei den Verletzungsdelikten – keiner zusätzlichen Rechtfertigung mehr[360]. Rechtstatsächlich ist daher bei den meisten Gefährdungsdelikten auch die fahrlässige Begehung strafbar und bei vielen sogar die typische Begehungsform. Rechtsdogmatisch entsprach dem lange Zeit die Auffassung, dass die Frage, ob die fahrlässige Übertretung einer Norm strafbar sein sollte, als ein Problem der richtigen Auslegung des Straftatbestandes angesehen wurde[361].

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      Besonderheiten ergeben sich aus steuerungstechnischer Sicht bei der Frage, ob und inwieweit der Versuch der Gefährdung sanktioniert werden soll[362]. Diese Besonderheiten folgen wiederum aus dem Umstand, dass die Gefährdungstatbestände bereits auf einen konkreten – häufig im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung liegenden – Erfahrungsraum Bezug nehmen und dort spezifische Gefährdungshandlungen unter Strafe stellen.

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      Der Versuch eines Gefährdungsdelikts würde


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