Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
vom 21.3.2019 war, dass sich trotz des Fahrverbots im „Teufelsrohr“ weitere Todesfälle in diesem Flussabschnitt zugetragen hatten, d.h. die anfängliche Verbotszone sich als zu kurz erwiesen hat. Dementsprechend hat die Behörde ebenfalls in der vorgelagerten „Sicherheitszone“ das Befahren des Gewässers untersagt. Das ursprüngliche Verbot selbst wurde inhaltlich dagegen nicht abgeändert. Dass dieses von der Behörde gleichwohl neu gefasst worden ist („Änderung und Neufassung der Anordnung vom 19.5.2017“) findet augenscheinlich allein darin seinen Grund, dass die Bekanntgabe lediglich der Ausdehnung des Verbots aus sich heraus nicht leicht verständlich wäre. Folglich wird durch die Anordnung vom 21.3.2019 hinsichtlich des „Teufelsrohrs“ keine eigenständige Rechtsfolge gesetzt, d.h. stellt diese insoweit mangels Regelungscharakter keinen neuen Verwaltungsakt, sondern lediglich eine rein wiederholende Verfügung dar. Damit bleibt es bei dem Ergebnis, dass das Fahrverbot im „Teufelsrohr“ von K im Wege der Anfechtungsklage nicht mehr angegriffen werden kann.
III. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Kläger K ist nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten- und gem. § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Beteiligtenfähigkeit des Rechtsträgers der Behörde folgt aus § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO, der nach § 62 Abs. 3 VwGO durch seinen gesetzlichen Vertreter handelt.
IV. Klagebefugnis
Zudem müsste K gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein. Die Klagebefugnis ist dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Kläger durch die streitige hoheitliche Maßnahme in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt wird. In Anbetracht der Qualifikation der „Anordnung“ als benutzungsregelnde Allgemeinverfügung, welche als rein dinglicher Verwaltungsakt „adressatenlos“ ist, scheidet ein Rückgriff auf die „Adressatentheorie“ zur Begründung der Klagebefugnis hier aus. Nach der Schutznormtheorie liegt ein subjektiv-öffentliches Recht immer dann vor, wenn die als verletzt gerügte Norm zumindest auch dem Schutz des Einzelnen zu dienen bestimmt ist.
Ein solches subjektiv-öffentliches Recht des K, das durch die Allgemeinverfügung vom 21.3.2019 verletzt sein könnte, könnte sich aus § 25 WHG i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 1 LWG NRW ergeben.[153] Danach darf jede Person natürliche oberirdische Gewässer zum Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft benutzen. Das Befahren des Flusses mit dem Kanu durch K erfüllt zwar diese Voraussetzungen. Jedoch ist fraglich, ob der wasserrechtliche Gemeingebrauch als subjektiv-öffentliches Recht verstanden werden kann. Gegen die Bejahung eines solchen Rechts spricht, dass es im Wasserrecht keinen Anspruch des Einzelnen auf Begründung oder Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einem bestimmten Gewässer gibt. Ungeachtet dessen kann allerdings derjenige, der – wie hier der K in Bezug auf den hiesigen Wildfluss – einmal in berechtigter Weise den Gemeingebrauch ausübt, verlangen, dass bei einem Eingriff in diese Rechtsposition die formellen und materiellen Voraussetzungen des einschlägigen Rechtsgebiets beachtet werden und insoweit auch verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz beanspruchen. Eine Verletzung des Rechts des K jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG ist daher möglich und dieser demnach i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
V. Richtiger Klagegegner
Der Rechtsträger der Behörde ist gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO richtiger Klagegegner.
VI. Vorverfahren
Dass K die „Anordnung“ vom 21.3.2019 unmittelbar vor dem Verwaltungsgericht anficht, ohne zuvor Widerspruch gegen diese erhoben zu haben, führt ebenfalls nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Denn abweichend von § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO bedurfte es hier nach § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 S. 1 JustG NRW nicht der vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens. Ein Fall des § 110 Abs. 2 oder Abs. 3 S. 1 JustG NRW liegt nicht vor, ebenso wenig wie eine landesgesetzliche Bestimmung i.S.v. § 110 Abs. 4 JustG NRW.
VII. Klagefrist
Laut Sachverhalt hat K die Klage fristgemäß (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) erhoben.
VIII. Ergebnis
Die Sachentscheidungsvorrausetzungen der §§ 40 ff. VwGO sind erfüllt. Die Klage ist daher zulässig.
3. Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt
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Die im Hinblick auf den Regelungsinhalt eines Verwaltungsakts gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsaussprüche der Behörde („Tenor“; Rn. 55) sind mitunter nur wenig flexibel ausgestaltet.[154] Liegen beispielsweise die Voraussetzungen für die Erteilung einer vom Bürger beantragten Genehmigung (z.B. Baugenehmigung) vor, wird sie ihm erteilt. Sind sie nicht erfüllt (z.B. weil das aus Sicherheitsgründen zwingend notwendige Treppengeländer fehlt), wird die Genehmigung versagt. Im Interesse des Einzelnen, aber auch zum Schutz Dritter sowie der Allgemeinheit, bietet § 36 VwVfG der Verwaltung daher die Möglichkeit, die im Verwaltungsakt enthaltene Hauptregelung durch zusätzliche (Neben-)Bestimmungen zu ergänzen bzw. zu beschränken. Anstelle eines strikten „Nein“ bei Nichtvorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen kann die Behörde den begehrten Antrag mit dem milderen Mittel des „Ja, aber“ erteilen (z.B. Erteilung der Baugenehmigung mit der Auflage, das Treppengeländer noch anzubringen). Nebenbestimmungen sind daher ein Mittel der „Feinsteuerung“ in der Verwaltungspraxis.
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Die nachträgliche Beifügung einer Nebenbestimmung zu einem bereits bestehenden Verwaltungsakt stellt ihrerseits den Erlass eines (weiteren) selbstständigen Verwaltungsakts dar. Ist ein solches Vorgehen nicht spezialgesetzlich vorgesehen (z.B. § 17 BImSchG, § 5 GastG), so liegt hierin eine Modifikation des ursprünglichen Verwaltungsakts, welche nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG zulässig ist (Rn. 310 ff.).
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Eine nicht abschließende Aufzählung[155] der wichtigsten Typen von Nebenbestimmungen sowie die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit sind in § 36 VwVfG geregelt (vgl. ferner § 120 AO, § 32 SGB X), der als allgemeine Vorschrift allerdings von fachrechtlichen Spezialvorschriften (z.B. § 12 Abs. 2 AufenthG, § 145 Abs. 4 BauGB, § 9 Abs. 2 WaffG) verdrängt wird, welche die Beifügung von Nebenbestimmungen mitunter ausdrücklich ge- (z.B. § 8 Abs. 2 S. 1 FStrG) bzw. verbieten (z.B. § 15 Abs. 4 PBefG). Sofern diese im Einzelfall jedoch nicht einschlägig sind bzw. keine abschließende Regelung treffen und auch nicht ausnahmsweise aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Nebenbestimmungsfeindlichkeit der jeweiligen Hauptregelung folgt (z.B. statusändernde Verwaltungsakte wie die Beamtenernennung, Einbürgerung sowie privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte; Rn. 45), richtet sich die Prüfung der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt auf Bundesebene nach § 36 VwVfG.
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Hat der Betroffene nach dem jeweiligen Fachrecht einen Anspruch auf den Verwaltungsakt (gebundene Entscheidung), so „darf“ (Ermessen) der Verwaltungsakt nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie entweder durch eine Rechtsvorschrift zugelassen ist (z.B. § 3 Abs. 2 GastG) oder wenn die Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden, siehe § 36 Abs. 1 VwVfG. Zu Letzterem kann die Behörde aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einmal sogar verpflichtet sein – was i.d.R. insbesondere dann der Fall ist, wenn nur noch geringfügige Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands fehlen. Denn der Erlass eines beantragten Verwaltungsakts (z.B. Baugenehmigung) mit einer Nebenbestimmung (z.B. Auflage, das fehlende Treppengeländer noch anzubringen; Rn.