AGB-Recht. Martin Schwab
nebst Anlagen 50 Seiten umfasste, die Klauseln und Anlagen nicht vollständig durchnummeriert waren und die Anlagen den Vertragsklauseln nicht zweifelsfrei zugeordnet werden konnten[33].
dd) Verwendung juristischer Fachbegriffe
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Die Einbeziehung von AGB kann nach verbreiteter Ansicht auch daran scheitern, dass in ihnen (dem Durchschnittskunden unbekannte) juristische Fachbegriffe verwendet werden, ohne dass dies nach Art des zu regelnden Konfliktfeldes unbedingt erforderlich ist[34]. Richtigerweise sollte man indes an solchen Fachtermini nicht die Einbeziehung der AGB als solche wegen Verstoßes gegen § 305 II Nr. 2 BGB scheitern lassen. Vielmehr ist es Aufgabe des Transparenzgebots (§ 307 I 2 BGB), solche Klauseln zu beseitigen. Die übertriebene Verwendung juristischer Fachbegriffe ist also eine Frage der Inhaltskontrolle.
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Beispiel 24
In Verkaufs-AGB findet sich die Klausel: „Die Ansprüche des Käufers bei Mängeln der Kaufsache sind zunächst auf Nacherfüllung beschränkt. Schlägt diese fehl, so kann der Käufer Wandlung oder Minderung verlangen.“
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Die Klausel im Beispiel 24 enthält eine Fülle juristischer Fachbegriffe: Der rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittskunde weiß weder, was „Nacherfüllung“, noch, was „Wandlung“ und „Minderung“ bedeutet. Schon gar nicht ist ihm bekannt, dass die „Wandlung“ als Rechtsbegriff seit der Schuldrechtsreform nicht mehr existiert: Das Gesetz kennt als Folge eines Mangels keinen „Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrags“ mehr (§ 462 BGB a.F.), den der Verkäufer dadurch erfüllen muss, dass er sich mit der Aufhebung des Kaufvertrags einverstanden erklärt (§ 465 BGB a.F.). An die Stelle dieses Anspruchs ist vielmehr das Rücktrittsrecht aus § 437 Nr. 2 BGB getreten, das nach § 349 BGB durch einseitige rechtsgestaltende Erklärung ausgeübt werden kann. Die mit dem Übergang von „Wandlung“ auf „Rücktritt“ einhergehende Veränderung des rechtstechnischen Bedeutungsgehalts wird dem Kunden ebenfalls nicht geläufig sein. Ebenso wenig kann erwartet werden, dass der Kunde mit der Regelung des § 440 S. 2 BGB vertraut ist, worin näher beschrieben ist, unter welchen Voraussetzungen die Nacherfüllung „fehlgeschlagen“ ist.
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Unter der Geltung des früheren Schuldrechts hat der BGH die Klausel in der Tat verworfen. Er hat freilich nicht schon die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag verneint, weil es an einer zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme fehle. Vielmehr suchte er die Lösung auf der Ebene der Inhaltskontrolle: seiner Ansicht nach war die Klausel nach § 11 Nr. 10 b AGBG unwirksam. Diese Vorschrift erklärte eine Beschränkung der Gewährleistung für Sachmängel auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung nur dann für wirksam, wenn dem Vertragspartner für den Fall des Fehlschlagens ausdrücklich das Recht vorbehalten wurde, „Herabsetzung der Vergütung“ oder „Rückgängigmachung des Vertrags“ zu verlangen. Der BGH erblickte hierin die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, dass die Belehrung des Kunden nicht die gesetzlichen Begriffe „Wandlung“ und „Minderung“ enthalten dürfe, weil der rechtlich nicht vorgebildete Kunde mit diesen Begriffen nichts anzufangen wisse und daher die Belehrung ins Leere zu greifen drohe[35]. Es genügte mithin die bloße Gefahr eines Missverständnisses durch den Kunden, um das Verdikt der Unwirksamkeit zu rechtfertigen – aber eben nicht schon das Verdikt der Nichteinbeziehung der Klausel in den Vertrag.
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Die Entscheidung war (und ist vom methodischen Ansatz her nach wie vor) nur folgerichtig: Wenn das Gesetz bestimmte Belehrungen des Kunden über seine verbleibenden Rechte verlangt und an die Nichtbelehrung die Unwirksamkeit der Klausel knüpft, bringt es zum Ausdruck, dass es in diesen Fällen noch nicht an der zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme nach § 305 II Nr. 2 BGB fehlt, sondern der Rechtsanwender in eine inhaltliche Prüfung der Klausel eintreten soll. Die Vorschriften des BGB über die Inhaltskontrolle enthalten im Übrigen an mehreren Stellen das Gebot an den Verwender, dem Kunden ausdrücklich bestimmte Rechte vorzubehalten: so in § 309 Nr. 5 b den Nachweis, der zu ersetzende Schaden sei nicht entstanden oder wesentlich geringer als die Pauschale sowie in § 309 Nr. 8 b bb) BGB das Recht, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder zurückzutreten. Diese Vorschriften enthalten besondere Ausprägungen des Transparenzgebots.
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Tipp
In der kautelarjuristischen Beratung des Mandanten bei der Formulierung seiner AGB ist ganz wesentlich darauf zu achten, dass die Klauseln selbst für einen rechtlich weder vorgebildeten noch beratenen Kunden verständlich sind. Juristische Fachbegriffe sollten nach Möglichkeit vermieden werden.
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Infolge der Schuldrechtsreform, die 2002 in Kraft getreten ist, wäre freilich die Klausel im Beispiel 24 heute anders zu würdigen als früher: Die Nachfolgeregelung zu § 11 Nr. 10 b AGBG findet sich nunmehr in § 309 Nr. 8 b bb) BGB. Danach muss dem Kunden für den Fall, dass die Nacherfüllung fehlschlägt, ausdrücklich das Recht vorbehalten werden, „zu mindern“ oder „vom Vertrag zurückzutreten“. Es ist also nicht mehr von „Herabsetzung der Vergütung“ oder von „Rückgängigmachung des Vertrags“ die Rede. Damit entfällt die Grundlage für das Argument des BGH, der Gesetzgeber habe bei der Belehrung des Käufers über seine Rechte bei Fehlschlagen der Nacherfüllung die gesetzlichen Fachbegriffe vermieden wissen wollen. Im Gegenteil spricht das Gesetz nunmehr selbst von „Minderung“ und Rücktritt“. Ebenso wenig ist die Verwendung der Begriffe „Nacherfüllung“ und „Fehlschlagen“ zu beanstanden, hat sie doch der Gesetzgeber ebenfalls in § 309 Nr. 8 b bb) ebenfalls selbst gewählt. Es ist also nunmehr erlaubt, die Gewährleistung wegen Mängeln mit der Maßgabe auf „Nacherfüllung“ zu beschränken, dass dem Käufer nach deren „Fehlschlagen“ das Recht zusteht, nach seiner Wahl zu „mindern“ oder „vom Vertrag zurückzutreten“. Dagegen ist es gerade seit der Schuldrechtsreform nicht statthaft, dem Kunden für den Fall des Fehlschlagens das Recht auf „Wandlung“ vorzubehalten; denn dieser Begriff existiert im Gesetz nicht mehr, sondern ist durch das Rücktrittsrecht abgelöst worden, das auch rechtstechnisch anders ausgeformt ist, als es früher die Wandlung war (soeben Rn. 65). Die Verwendung des Begriffs „Wandlung“ führt daher den Kunden in die Irre. Folglich ist eine Beschränkung auf Nacherfüllung, die dem Kunden das Recht zur „Wandlung“ vorbehält, nach § 309 Nr. 8 b bb) unwirksam.
ee) Verweisung auf gesetzliche Vorschriften
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Nach alledem erlangt die Verwendung juristischer Fachbegriffe nicht für die Einbeziehungskontrolle nach § 305 II Nr. 2 BGB, sondern erst für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB Bedeutung. Abweichendes gilt demgegenüber für den Fall, dass die AGB den Inhalt der Rechte und Pflichten des Klauselgegners nicht selbst abschließend bestimmen, sondern zur Erläuterung auf gesetzliche Vorschriften verweisen. In diesem Fall ergibt die Klausel aus sich heraus keinen Sinn; der Kunde muss zu ihrem Verständnis vielmehr das Gesetz heranziehen und sich ggf. rechtlich beraten lassen. Bei der Verwendung juristischer Fachbegriffe besteht wenigstens theoretisch noch die Chance, dass selbst der rechtsunkundige Vertragspartner eine ungefähr zutreffende Vorstellung vom Inhalt der Klausel entwickelt; beim Verweis auf gesetzliche Regelungen