AGB-Recht. Martin Schwab
an § 305 II Nr. 2 BGB. Das gilt entgegen einer in der Rechtsprechung anzutreffenden Auffassung[36] auch beim Verweis auf Normen des dispositiven Gesetzesrechts[37]. Zulässig ist aber im Rahmen der Verzugsschadenspauschalisierung ein Verweis auf den Basiszinssatz nach § 247 BGB[38]: Da dieser sich halbjährlich ändert, ist es dem Verwender unmöglich, diese Rechengröße in seinen AGB verlässlich zu beziffern.
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Beispiel 25
In einem Mietvertrag findet sich die folgende Klausel: „Wird nach Ablauf der Mietzeit der Gebrauch der Sache vom Mieter fortgesetzt, so findet § 545 BGB keine Anwendung.“[39]
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Der Mieter, der wissen will, was mit dieser Klausel gemeint ist, kommt nicht umhin, neben der Klausel das Gesetz zu konsultieren. Erst dort wird er erfahren, dass sich gemäß § 545 BGB mangels rechtzeitigen Widerspruchs das Mietverhältnis automatisch auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn nach seiner Beendigung der Mieter den Gebrauch der Mietsache fortsetzt. Sodann wird er folgern, dass diese automatische Fortsetzung durch die Klausel abbedungen werden soll. Das OLG Schleswig hat daher mit Recht angenommen, dass die Klausel im Beispiel 25 nach § 305 II Nr. 2 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist[40]: Der rechtsunkundige Durchschnittskunde kann mit einer solchen Vertragsbestimmung schlicht nichts anfangen. Um die Anforderungen des § 305 II Nr. 2 BGB zu erfüllen, wäre vielmehr erforderlich, den Text der in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschrift (hier: § 545 BGB) mit abzudrucken.
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Wenn in einem ärztlichen Behandlungsvertrag durch AGB Gebührensätze oberhalb der GOÄ festgesetzt werden sollen, reicht es für eine zumutbare Möglichkeit des Patienten weder aus, dass pauschal auf die GOÄ Bezug genommen, noch dass diese als Gesamtwerk zur Einsicht in der Praxis bereitgehalten wird[41]. Denn der Patient muss sich aus dem umfassenden Gebührenverzeichnis die für seine Behandlung einschlägigen Positionen durch mühsames Nachlesen erschließen. Erforderlich ist vielmehr, dass auf der Vertragsurkunde gerade diejenigen Positionen der GOÄ abgedruckt sind, die für den konkreten Patienten in Betracht kommen.
ff) Insbesondere die Klausel „soweit gesetzlich zulässig“
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Ebenso wenig kann sich der Verwender von seiner Obliegenheit, seine AGB klar und verständlich zu formulieren, dadurch befreien, dass er „im Rahmen des gesetzlich Zulässigen“ Rechte des Kunden beschneidet oder Pflichten begründet. Solche AGB sind nicht nur i.S.d. § 305c II BGB unklar[42], sondern werden bereits nach § 305 II Nr. 2 BGB nicht Vertragsbestandteil: Der Kunde wird nämlich gänzlich im Unklaren darüber gelassen, welche Rechte ihm verbleiben und welche Pflichten ihm auferlegt werden. Dem Verwender aber muss zugemutet werden, selbständig auszuformulieren, welche Rechtsposition seiner Meinung nach der Kunde innehaben soll; denn er ist es, der einseitig rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht in Anspruch nimmt[43]. Selbst seine Furcht vor einer möglichen Unwirksamkeit seiner Klauseln nach §§ 307 ff. BGB gibt keinen Anlass, ihm diese Last zu ersparen[44]: Entweder es steht zweifelsfrei fest, inwiefern der Verwender in gesetzlich zulässiger Weise seine Rechtsposition verbessern darf; dann ist es ihm möglich und zumutbar, das Gefüge wechselseitiger Rechte und Pflichten im Vertragstext selbst auszuformulieren[45]. Oder es ist ungewiss, welchen Spielraum das Gesetz für abweichende AGB belässt: Dann überwälzt der Verwender diese Unklarheiten unzulässig auf den Klauselgegner, wenn er dessen Rechtsposition „soweit gesetzlich zulässig“ beschneidet[46]. Der Klauselgegner wird im Falle einer individuellen rechtlichen Auseinandersetzung gezwungen, entweder die Rechtsauffassung des Verwenders zu akzeptieren oder hierüber einen möglicherweise verlustreichen Rechtsstreit zu führen. Der Verwender mutet dem Klauselgegner zu, ein vertragliches Regime zu akzeptieren, das zum Nachteil des Klauselgegners vom dispositiven Gesetzesrecht abweicht. Dann müssen Ungewissheiten, in welchem Umfang solche Abweichungen von Rechts wegen akzeptiert werden können, dem Risikobereich des Verwenders zugewiesen werden und dürfen nicht den Klauselgegner treffen. Die Klausel „soweit gesetzlich zulässig“ verstößt außerdem gegen das Transparenzgebot und ist folglich nach § 307 I 2 BGB unwirksam[47].
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Tipp
In der kautelarjuristischen Beratung des Mandanten sollte darauf geachtet werden, dass ein in sich geschlossener, aus sich heraus verständlicher, keiner Ergänzung durch Gesetzesnormen oder andere Klauselwerke bedürftiger Vertragstext entworfen wird.
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Die Klausel „soweit gesetzlich zulässig“ ist daher entgegen einer im Schrifttum geäußerten Ansicht[48] bei der Gestaltung von AGB nicht zu empfehlen.
gg) Verweisung auf andere Klauselwerke
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Die Vertragspraxis begnügt sich bei weitem nicht damit, in AGB auf juristische Fachbegriffe und gesetzliche Vorschriften zu verweisen. Vielmehr werden gelegentlich auch externe AGB-Klauselwerke in Bezug genommen, um die Wiederholung der dortigen Konditionen im eigentlichen Vertragswerk zu ersparen. Bedeutung erlangt dies namentlich im Bauvertragsrecht, wenn die Geltung der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B (kurz: VOB/B[49]) vereinbart wird.
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Beispiel 26
a) | In einem vorformulierten Bauvertrag findet sich die Klausel: „Der Vertrag wird auf der Grundlage der VOB/B geschlossen.“ |
b) | In einem vorformulierten Bauvertrag findet sich die Klausel: „Für den Bau schlüsselfertiger Häuser gelten die nachstehenden Bedingungen in der aufgeführten Reihenfolge: – Der Vertrag einschließlich getroffener Zusatzvereinbarungen. – Diese Vertragsbedingungen. – Die Vertrags-Bauzeichnungen. – Die Bau- und Leistungsbeschreibung. – Die Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B.“ |
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Tipp
Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der pauschale Hinweis auf die VOB/B zu deren Einbeziehung in den Vertrag nur, wenn der Vertragspartner im Baurecht bewandert ist. Gegenüber einem Vertragspartner, bei dem das nicht der Fall ist, muss der Verwender die VOB/B entweder am Ort des Vertragsschlusses zur Einsicht bereit halten oder unaufgefordert zusenden.
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Wenn die Parteien auf ein von Dritten formuliertes Vertragswerk zurückgreifen, muss zunächst eruiert werden, ob dessen Verwendung einer Partei ausschließlich zugerechnet werden kann. Ist dies nicht der Fall, so hat niemand die Bedingungen „gestellt“, sondern es haben beide Parteien jene Bedingungen in ihren eigenen Gestaltungswillen aufgenommen (oben Teil 1 Rn. 105 ff.). Häufig wird freilich die VOB/B einseitig vom Bauunternehmer in den Vertrag eingeführt und somit „gestellt“; es handelt sich dann um AGB. So liegt es auch in den beiden Beispielsfällen.
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Die Klauseln in beiden Beispielsfällen sind für einen Durchschnittskunden, der nicht ständig