AGB-Recht. Martin Schwab
Rechten und Pflichten, wenn ihm die VOB/B vorliegt. Wenn schon die Verweisung auf gesetzliche Vorschriften nicht ausreicht, um dem Kunden die Möglichkeit zu verschaffen, in zumutbarer Weise von Inhalt von AGB Kenntnis zu nehmen, so darf der Verweis auf externe Klauselwerke, die nicht einmal Geltung als Rechtsnormen beanspruchen können, erst recht nicht ausreichen. Deshalb ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die in Bezug genommenen externen Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden – es sei denn, sie werden ihrerseits dem Kunden zwecks zumutbarer Möglichkeit der Kenntnisnahme zur Verfügung gestellt[50]. Das bedeutet namentlich, dass die externen Klauselwerke, im Beispielsfall die VOB/B, einem schriftlichen Vertragsangebot des Verwenders unaufgefordert beigefügt werden müssen[51].
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So lässt der BGH es für die Einbeziehung der VOB/B nicht ausreichen, dass der Verwender dem in der Baubranche unerfahrenen Kunden mit Hilfe einer Klausel anbietet, auf Verlangen die VOB/B kostenlos zuzusenden[52]: Hier wird dem Kunden die Obliegenheit auferlegt, sich selbst um die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu kümmern. Diese Rechtsprechung verdient Zustimmung: Solange der Kunde dem Vertrag nichts anderes entnehmen kann als die allgemeine Feststellung, dass die VOB/B gelten, ist er darauf angewiesen, deren Inhalt aus eigener Kraft zu ermitteln. Eben dies will ihm § 305 II Nr. 2 BGB ersparen. Gerade weil die VOB/B in der Vertragspraxis der Bauunternehmen geläufig ist, ist es auch dort leicht zugänglich und kann daher dem Kunden ohne Schwierigkeiten übersandt werden. Erst recht wird die VOB/B nicht Vertragsbestandteil, wenn es im Bauvertrag heißt, die Gewährleistungsfristen richteten sich nach VOB/B und zugleich nach BGB[53]: Eine solche Erklärung ist in sich widersprüchlich, weil nicht einmal festgelegt ist, in welchem Rangverhältnis beide Gewährleistungsregimes zur Geltung gelangen sollen.
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Kaum erklärlich ist freilich vor dem Hintergrund der soeben wiedergegebenen Rechtsprechung, warum der BGH die Einbeziehung der VOB/B kraft Pauschalverweises in einem Fall bejaht hat, in dem in erster Linie eigene Vertragsbedingungen und nur subsidiär die VOB/B vereinbart wurden (Beispiel 26 b)): Ein solches Verfahren, so argumentiert der BGH, sei weit verbreitet, im allgemeinen sachgerecht und auch nicht intransparent, da der Kunde durch Lektüre der vorrangigen Vertragsbedingungen erschließen könne, welche Klausel der VOB/B ergänzend gelten solle oder nicht[54]. Eine solche „Einbeziehung“ der VOB/B ist dem unerfahrenen Kunden noch viel weniger zumutbar als das Angebot kostenloser Übersendung[55]: Es kann dem rechtsunkundigen Durchschnittskunden nicht zugemutet werden, das Verhältnis verschiedener Vertragsbedingungen im Einzelnen zu -eruieren.
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Der Pauschalverweis auf die VOB/B ohne deren gleichzeitige Übersendung verfehlt im Übrigen nicht nur die Anforderungen der Einbeziehungskontrolle nach nationalem deutschem Recht, sondern verstößt namentlich auch gegen Art. 5 der Missbrauchsklausel-Richtlinie: Dem Bauherrn ist der Hinweis auf „die VOB/B“ nicht verständlich, weil ihm über den materiellen Inhalt seiner Rechte und Pflichten nichts mitgeteilt wird. Die hier vertretene Ansicht, wonach der Verweis auf die VOB/B nur genügt, wenn diese dem Kunden zugleich zur Verfügung gestellt werden, ist damit ein Gebot richtlinienkonformer Auslegung.
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Dagegen ist der Pauschalverweis auf die VOB/B auch ohne deren besondere Aushändigung an den Vertragspartner zulässig, wenn die VOB/B vom Bauherrn in den Vertrag eingeführt werden, wenn m.a.W. der Bauherr Verwender und der Bauunternehmer folglich der Klauselgegner ist. Bei einem in der Baubranche tätigen Vertragspartner darf in der Tat erwartet werden, dass er die VOB/B kennt; sie ihm nochmals zu übersenden, wäre eine sinnlose Förmelei[56]. Umgekehrt ist selbst im Verhältnis zum Bauherrn – und zwar sogar dann, wenn dieser Verbraucher ist – von einer wirksamen Einbeziehung der VOB/B kraft eines Pauschalverweises auszugehen, wenn der Bauherr einen fachkundigen Architekten zu den Verhandlungen mit dem Bauunternehmer beigezogen hatte: Dann darf der Bauunternehmer davon ausgehen, dass der Architekt dem Bauherrn die VOB/B vor Vertragsschluss erläutert hat[57].
hh) Dynamische Verweisung
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AGB werden permanent überarbeitet; die Notwendigkeit hierzu besteht gerade seit der Schuldrechtsreform. Der Verwender wird versuchen, die Änderungen auch auf bereits abgeschlossene Verträge zu erstrecken.
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Beispiel 27
a) | „Es gelten unsere AGB in der jeweils gültigen Fassung.“ |
b) | „Es gelten unsere AGB, die wir jederzeit nach unserem Belieben mit Wirkung auch für den abgeschlossenen Vertrag ändern können.“ |
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Im Schrifttum wird (durchaus zu Recht) eine solche Klausel wie im Beispiel 27 für unwirksam gehalten[58]; nach hier vertretener Ansicht folgt dies aus § 307 I 2 BGB, da AGB, die in stetig geänderter Fassung gelten sollen, für den Kunden nicht transparent sind. Das in AGB ausbedungene Recht des Verwenders, seine Vertragsbestandteil gewordenen AGB nachträglich einseitig zu ändern, hält der Inhaltskontrolle ausnahmsweise dann stand, wenn es auf Fälle nachträglich aufgetretener Äquivalenzstörungen und Regelungslücken begrenzt und inhaltlich so bestimmt ist, dass der Umfang, in dem der Verwender zur einseitigen Änderung der AGB befugt sein soll, in einer für den Klauselgegner transparenten Weise formuliert ist[59]. Eine andere Frage ist, ob die späteren Änderungen der AGB kraft einer solchen dynamischen Verweisung Vertragsbestandteil werden. Der BGH hat dies ohne nähere Begründung bejaht[60]. Im Schrifttum wird außerhalb von Dauerschuldverhältnissen eine Einbeziehung späterer AGB für möglich gehalten[61]. Zutreffend dürfte demgegenüber die Annahme sein, dass spätere Änderungen unabhängig von der Natur des Schuldverhältnisses nicht Vertragsbestandteil werden (§ 305 II Nr. 2 BGB); denn der Kunde hat keine zumutbare Möglichkeit, sie zur Kenntnis zu nehmen: Jene Änderungen existieren bei Vertragsschluss nicht und sind daher auch keiner Kenntnisnahme zugänglich.
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Die einzige Chance, geänderte AGB in den Vertrag einzubeziehen, besteht darin, bereits in die ursprünglichen AGB eine Erklärungsfiktion aufzunehmen: Das Schweigen des Kunden auf eine ihm zur Kenntnis gegebene Neufassung der AGB mag als Zustimmung gedeutet werden. Eine solche Fiktion stellt einen grundsätzlich zulässigen Weg dar, um spätere Anpassungen von AGB in den Vertrag einzubeziehen. Sie muss freilich vor dem Klauselverbot des § 308 Nr. 5 BGB Bestand haben[62]. Namentlich muss dem Klauselgegner genügend Zeit belassen werden, um sich mit den geänderten Bedingungen auseinanderzusetzen. Nach dieser Vorschrift unwirksam ist etwa eine Klausel in AGB von Pay-Back-Systemen, wonach der Kunde zusammen mit der Pay-Back-Karte die Allgemeinen Teilnahmebedingungen erhält und diese mit der ersten Benutzung der Karte (z.B. Punktesammeln) anerkennt[63]. Werden die Teilnahmebedingungen dem Kunden dann tatsächlich später zusammen mit der Karte übersandt, werden sie nicht Vertragsbestandteil[64].
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Beispiel 28
„Nachträgliche Anpassungen unserer AGB werden Vertragsbestandteil, wenn der Kunde nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang der geänderten Vertragsbestimmungen widerspricht.“
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Wenn freilich der Kunde