Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern. Katrin Cosack

Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern - Katrin Cosack


Скачать книгу
durch § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, eingehalten werden. Denn mit der an diesen Vorgaben ausgerichteten Vertretung der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat steht und fällt deren Macht im Betrieb. Ein Betriebsrat, der Arbeitnehmer beispielsweise aufgrund von Gewerkschaftszugehörigkeit unterschiedlich behandelt oder anstelle von berechtigten Anliegen der Arbeitnehmerschaft sachfremde eigene Ziele verfolgt, schwächt diese eher, anstatt sie im Verhältnis zum Arbeitgeber zu stärken. Damit stellt also eine verstärkte Kontrolle des Betriebsrats im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner (vornehmlich) arbeitnehmerschützenden Pflichten kein Hindernis für seine Arbeit dar, sondern ist vielmehr eine Voraussetzung für das Funktionieren der Gleichberechtigung der Arbeitnehmer im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber und so letztlich auch die Bedingung für die das Fortbestehen der betrieblichen Mitbestimmung als solcher.[48]

      52

      53

      Der Betriebsrat nimmt gewöhnlich bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nur eine Nebenrolle ein, denn ebenso wie die Begründung des Arbeitsverhältnisses individualvertraglich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stattfindet, findet auch seine Beendigung in diesem Verhältnis statt. Auch wenn der Betriebsrat bestimmte Arbeitnehmer auf die Namensliste setzt, so muss deren Kündigung dennoch vom Arbeitgeber selbst ausgesprochen werden. Ebenso kann sich der Arbeitnehmer auch ohne den Kündigungswiderspruch des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG gerichtlich gegen seine Kündigung wehren. Warum also sollte der kündigungsrechtliche Nebendarsteller Betriebsrat in dieser Funktion besonders kontrolliert werden – und gar mit Mitteln des Strafrechts?

      54

      

      Dies liegt deswegen nahe, weil neben dem durchaus gegebenen rechtlichen Einfluss auch der tatsächliche Einfluss des Betriebsrats im Kündigungsschutz erheblich ist:

      55

      56

      57

      

      Noch stärker stellt sich die psychologische Wirkung bei der sogenannten Namensliste dar: Wenn der Betriebsrat zusammen mit dem Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsänderung im Rahmen des Interessenausgleichs gemäß § 112 BetrVG eine Liste derjenigen Arbeitnehmer zusammengestellt hat, die sozial am wenigsten schutzwürdig und daher unter erleichterten Voraussetzungen kündbar sind (§ 1 Abs. 5 KSchG), so richtet sich das Vertrauen der Arbeitnehmer darauf, dass der Betriebsrat nur absolut unvermeidlichen Kündigungen zustimmen wird und dass er deren soziale Rechtfertigung zuvor sorgfältig geprüft hat.

      58

      59

      Deutlich wird daran jedenfalls, dass der Betriebsrat allein aufgrund des vom Arbeitnehmer in ihn gesetzten Vertrauens praktisch erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten darauf hat, ob dieser gerichtlichen Schutz gegen seine Kündigung in Anspruch nimmt oder von vornherein darauf verzichtet. Den Betriebsrat unter Hinweis auf den formal von seinem Votum (weitgehend) unabhängigen individuellen Rechtsschutz im Arbeitsrecht von jeder Verantwortung zu entbinden, muss sich daher verbieten.

      Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum?B. Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates › IV. Ergebnis zu B.: Kein genereller Ausschluss der staatlichen Strafverantwortung unter Opportunitätsgesichtspunkten

      60

      Es ist also festzuhalten, dass sämtliche Argumente derer, die eine prinzipielle Inkompatibilität des Strafrechts mit der kollektiven Interessenvertretung des Betriebsverfassungsrechts sehen, entkräftet werden konnten. Zwar handelt es sich bei einem Betriebsratsmitglied gewiss nicht um den „typischen Kriminellen“, und ebenso ist die betriebliche Arbeitnehmervertretung


Скачать книгу