Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff
von Firmen- und Markennamen in fremden Märkten Vorteile mit sich bringen.[12] Gleiches gilt für den Erhalt der rechtlichen Selbstständigkeit der Unternehmen.[13] So können vor allem die geschäftlichen Risiken grundsätzlich auf unterschiedliche Legaleinheiten verteilt bleiben, sofern abseits der Sonderfälle für das Vorliegen einer Durchgriffshaftung zwischen den beteiligten Unternehmen keine Solidarhaftung besteht.[14] Die Möglichkeit der klaren Kosten- und Erfolgszuordnung innerhalb des Unternehmensverbundes fördert die Transparenz.[15] Zudem werden auch Vorteile bei der Trennung der strategischen Konzernleitung von der operativen Leitung des Tagesgeschäfts innerhalb der Tochterunternehmen angeführt.[16] Soll die Verbindung etwa wegen Misserfolgs rückgängig gemacht werden, bietet schließlich eine Unternehmensbeteiligung eine im Vergleich zur Verschmelzung deutlich vereinfachte Loslösungsmöglichkeit.[17]
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Für den anhaltenden Erfolg von Unternehmensverbindungen sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht zudem Mengendegressionseffekte zu erwähnen, die mit der Bündelung unternehmerischer Kapazitäten einhergehen.[18] Danach kann eine Unternehmensverbindung die Produktionskosten jedes beteiligten Unternehmens im Hinblick auf die durchschnittlichen Stückkosten senken, indem sich die fixen Produktionskosten auf eine größere Gesamtstückzahl verteilen.[19] Weitere Möglichkeiten der Kosteneinsparung können daneben aus einer gemeinsamen Warenbeschaffung resultieren. Bedeutsam sind schließlich die Möglichkeiten des sogenannten Cash-Poolings, das Konzernunternehmen erlaubt, die Liquidität zu bündeln und damit konzernintern Überschüsse und Unterdeckungen auszugleichen.[20] Nachdem die Rechtsprechung lange Zeit zunehmend strengere Anforderungen an die Zulässigkeit entsprechender Liquiditätsbündelung stellte,[21] entschied sich der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)[22] durch ausdrückliche Billigung in § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG zur Förderung der Cash-Poolings.[23]
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Maßgeblich für die aufgezeigte Entwicklung sind damit im Ergebnis wettbewerbliche Vorteile.[24] Eng verknüpft ist die Erscheinung der Konzernbindung insofern mit der Unternehmenskonzentration. Darunter verstanden werden der „Zusammenschluss bisher selbstständiger Unternehmen zur Entstehung immer größerer Unternehmen“ und die damit gleichzeitig einhergehende „Verringerung der Zahl selbstständiger Unternehmen auf einem bestimmten Markt oder in der gesamten Volkswirtschaft“.[25] Eine zunehmende Unternehmenskonzentration ist in sämtlichen Industrienationen zu beobachten und soll sich zudem ständig beschleunigen.[26] Gleichwohl die Schnittmengen beider Begriffe deutlich sind und die Konzernierung oftmals als Teil der Unternehmenskonzentration bezeichnet wird, besteht keine Deckungsgleichheit. So kann etwa die Eingliederung eines anderen Unternehmens in das eigene Unternehmen zur Bildung eines Konzerns und dabei gleichzeitig zur Unternehmenskonzentration führen. Ein Konzern kann aber auch entstehen, wenn ein Unternehmen einen eigenen Unternehmensteil rechtlich ausgliedert, mit diesem aber verbunden bleibt. Auch dann entsteht durch die Verbindung rechtlich selbstständiger Unternehmen ein Konzern, eine Konzentration im dargelegten Sinn geht damit aber nicht einher.
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Neben steuerrechtlichen und primär wettbewerbsorientierten Gesichtspunkten können schließlich rein organisationsrechtliche Gründe Anlass zur Schaffung von mehr oder weniger weit verzweigten Konzernstrukturen sein. Gleichwohl auf empirische Daten insofern kaum zurückgegriffen werden kann, soll die Verteilung der wirtschaftlichen Betätigung auf verschiedene, selbstständige Legaleinheiten oftmals auch der Vermeidung oder aber wenigstens der Begrenzung der Haftung der Konzernspitze dienen.[27] Auch wenn – wie zu zeigen sein wird – durchaus auch über die Grenzen selbstständiger Konzerngesellschaften hinaus herrschende Gesellschaften in verschiedenen Teilbereichen, wie etwa dem europäischen Wettbewerbsrecht, in den Sanktionsadressatenkreis einbezogen werden können, so kann die Aufteilung in rechtlich unabhängige Gesellschaften jedenfalls Barrieren errichten, die wenigstens dann nicht einfach zu überspringen sind, wenn Sanktionsnormen dem Grunde nach auf die Situation eines Einzelunternehmens ausgerichtet sind.[28]
2. Gefahren der Konzernierung
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Dass Unternehmenskonzentration und Konzernierung überhaupt einer Regulierung bedürfen, ist Ergebnis der Gefahren, die unmittelbare Folge dieser Erscheinungen sind. Wenn dies auch für sämtliche Rechtsformen gilt, so treten diese Gefahren insbesondere bei Aktiengesellschaften zu Tage.[29] Die Aktiengesellschaft wurde durch den Gesetzgeber konzipiert als Publikumsgesellschaft mit einer Vielzahl weitestgehend einflussloser Aktionäre auf der einen Seite, sowie einem Vorstand, der unter eigener Verantwortung und zu erheblichen Teilen ohne Einbindung der Gesellschafter – etwa über den Aufsichtsrat – das Unternehmen leitet, auf der anderen Seite.[30] Ein breit angelegter Schutz der Gesellschafter und Gläubiger des Unternehmens vor Handlungen einzelner Aktionäre war damit in den Augen des Gesetzgebers nicht erforderlich.[31] Zudem geht das Gesellschaftsrecht aus vom Gleichlauf der Interessen aller Gesellschafter, der Gläubiger sowie der Verwaltung, die insgesamt auf das Wohl des Unternehmens abzielen.[32] Gefahren entstehen deshalb, wenn ein einzelner Aktionär eine beherrschende Stellung erreicht und in der Folge etwa für Kapitalabführungen oder der Vermeidung von Wettbewerb innerhalb des Unternehmensverbundes sorgen kann.[33] Um die Gesellschaft und damit vor allem deren Gläubiger und Minderheitsgesellschafter vor derartig schädigenden Handlungen zu schützen, war mit zunehmender Verflechtung von Unternehmen die Schaffung eines ausgewogenen Konzernrechts unausweichlich.[34] Geschützt vor der Einbindung in einen Konzern wird schließlich nicht nur das abhängige Unternehmen, sondern auch das zukünftig herrschende Unternehmen.[35] Risiken ergeben sich für die Gesellschafter der Obergesellschaft hier insbesondere aus der fehlenden Möglichkeit der direkten Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft und dem fehlenden, unmittelbaren Zugriff auf deren Vermögen, was etwa dann relevant werden kann, wenn die Obergesellschaft Vermögen auf die Tochtergesellschaft überträgt und somit der Zugriff durch die Gesellschafter erschwert wird.[36]
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Nicht geschützt wird hingegen der Wettbewerb. Das Konzernrecht regelt nicht die Zulässigkeit von Verbindungen, sondern setzt diese voraus; wettbewerbsbeeinträchtigende Verflechtungen zu vermeiden ist vielmehr Aufgabe des Kartellrechts.[37]
Anmerkungen
Vgl. nur Kuhlmann/Ahnis Konzern- und Umwandlungsrecht, Rn. 8.
Vgl. zur Verbreitung bereits oben 2. Fn. zu Rn. 4.
Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 19.
Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 40 f.
Körperschaftssteuerreformgesetz vom 31.8.1976, BGBl. I S. 2597 ff.
Vgl. zum Ganzen Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 31 f.
Vgl. dazu Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 34 ff.
Vgl. zum Ganzen Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 924.