Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff
ist.[13]
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Durch die Eingliederung erhält die Hauptgesellschaft die Möglichkeit, weitgehend frei über das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft zu verfügen.[14] Hierzu erhält sie gem. § 323 Abs. 1 S. 1 AktG ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft. Gleichwohl die beteiligten Unternehmen ihre rechtliche Selbstständigkeit erhalten, wird durch dieses Weisungsrecht die grundsätzlich bestehende Unabhängigkeit des Vorstandes der beherrschten Tochtergesellschaft i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG verdrängt.[15] Der Hauptgesellschaft steht es dabei auch frei, gegenüber der eingegliederten Gesellschaft für diese nachteilige Weisungen zu erteilen.[16] Allein rechtswidrige Weisungen müssen und dürfen nicht befolgt bzw. umgesetzt werden.[17] Bedeutsamer Ausgleich dieser umfassenden Rechte ist die Haftung der Hauptgesellschaft nach § 322 AktG. Danach haftet die Obergesellschaft ab dem Zeitpunkt der Eingliederung für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft gegenüber deren Gläubiger als Gesamtschuldnerin, und zwar unabhängig davon, ob diese Verbindlichkeiten vor oder nach Eingliederung entstanden sind.[18] In dieser strengen Haftung mag schließlich auch ein wesentlicher Grund für die relativ geringe Verbreitung von Eingliederungskonzernen in der Praxis liegen.[19]
b) Vertragskonzern
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Deutlich häufiger als Eingliederungskonzerne sind hingegen Vertragskonzerne. Die Rechtssituation verglichen zur Eingliederung ist hier ähnlich, aber eben keinesfalls identisch.[20] Der Vertragskonzern wird durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG herbeigeführt.[21] Im Unterschied zur Eingliederung ist hier zunächst der Verbleib von außenstehenden Aktionären möglich.[22] Im Rahmen eines Beherrschungsvertrages unterstellt ein Unternehmen seine Leitung auf vertraglicher Grundlage einem anderen Unternehmen.[23] Das herrschende Unternehmen erwirbt auch hier ein Weisungsrecht gegenüber dem beherrschten Unternehmen gem. § 308 Abs. 1 S. 1 AktG, das die eigenverantwortliche und weisungsunabhängige Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG verdrängt.[24] Das Weisungsrecht aufgrund eines Beherrschungsvertrages ist verglichen mit der Situation nach der Eingliederung jedoch eingeschränkt, sofern im Rahmen des § 308 Abs. 1 AktG verlangt wird, dass die Weisung wenn nicht dem reinen Interesse der beherrschten Gesellschaft, dann aber wenigstens einem Gesamtkonzerninteresse dient. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, ist die Befolgung der Weisung gem. § 308 Abs. 1, 2 AktG zu verweigern.[25] Um Gläubiger und weitere Aktionäre der beherrschten Gesellschaft zu schützen, sehen §§ 300 bis 305 AktG verschiedene Schutzmechanismen wie die Verpflichtung zur Schaffung von Rücklagen (§ 300 AktG) oder die Begrenzung der Gewinnabführung zwischen beherrschter und herrschender Gesellschaft (§ 301 AktG) vor.[26] Größerer Bedeutung kommt dabei der Regelung des § 302 Abs. 1 AktG zu, wonach die herrschende Gesellschaft grundsätzlich die Verluste der beherrschten Gesellschaft auszugleichen hat.[27] Im Vergleich zur Eingliederung haftet die Obergesellschaft eines Vertragskonzerns jedoch nicht primär als Gesamtschuldnerin für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaften, eine dem § 322 AktG vergleichbare Regelung gibt es für den Vertragskonzern nicht.
c) Faktischer Konzern
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Jeder Konzern, der nicht aufgrund eines Beherrschungsvertrages oder durch Eingliederung entsteht, ist indes faktischer Konzern.[28] Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen durch andere Unternehmensverträge i.S. der §§ 291 f. AktG verbunden sind.[29] Der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG führt damit nicht zum Entstehen eines Vertragskonzerns. Regelmäßig werden dann aber eine Abhängigkeit und damit – aufgrund der Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG – ein faktischer Konzern entstehen.[30]
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Anders als beim Vertragskonzern besteht im Rahmen des faktischen Konzerns mangels ausdrücklichem Weisungsrecht keine Konzernleitungsmacht des herrschenden Unternehmens.[31] Für die Tochtergesellschaft bleibt es im Falle einer Aktiengesellschaft damit bei der eigenverantwortlichen Leitung durch den Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG.[32] Dem Vorstand der Tochtergesellschaft ist es damit zwar unbenommen, den Vorstellungen des herrschenden Unternehmens zu folgen, eine Rechtspflicht hierzu besteht jedoch nicht.[33] Veranlasst die Obergesellschaft kraft ihrer Möglichkeiten zur mittelbaren Einflussnahme – bei der AG etwa über ihren Einfluss in Hauptversammlung und Aufsichtsrat – dennoch Nachteile für die Tochtergesellschaft, so hat sie diese gem. § 311 AktG auszugleichen.[34] Wird der Nachteil nicht ausgeglichen, tritt an die Stelle des Ausgleichanspruchs gem. § 317 Abs. 1 AktG ein Anspruch auf Schadensersatz der Tochtergesellschaft und unter Umständen ihrer Aktionäre gegen die Obergesellschaft und deren gesetzliche Vertreter.[35] Ist die Einflussnahme der herrschenden Gesellschaft indes derart groß, dass sich die auszugleichenden Nachteile nicht mehr isoliert bezeichnen lassen, so wird ein qualifiziert faktischer Konzern angenommen, bei dem die Verlustausgleichspflicht der §§ 302, 303 AktG auch außerhalb von Vertragskonzernen Anwendung finden soll.[36]
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Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfolgen durch die Begründung von Vertragskonzernen, wie vor allem den Regelungen zum Verlustausgleich, kommen faktische Konzerne in der Praxis weit häufiger vor.[37] Dies gilt insbesondere hinsichtlich Tochtergesellschaften, die als GmbH ausgestaltet sind.[38] Anders als bei der Aktiengesellschaft, wo allein das Weisungsrecht gem. §§ 308 Abs. 1, 323 Abs. 1 AktG die Unabhängigkeit des Vorstandes der Tochtergesellschaft gem. § 76 Abs. 1 AktG verdrängen kann, bestehen bei einer GmbH auch ohne Beherrschungsverträge gem. § 37 Abs. 1 GmbHG weitgehende Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung.[39] Sofern dennoch auch im Bereich der GmbH Beherrschungsverträge abgeschlossen werden, dient dies vor allem der Umgehung der aufwendigen Einflussnahme durch die förmliche Gesellschafterversammlung sowie der Erreichung der körperschaftssteuerrechtlichen Privilegien aus der Organschaft gem. §§ 14, 17 KStG.[40] Die weitgehenden Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter im Rahmen einer GmbH auch ohne Beherrschungsvertrag führen jedoch zum Vorliegen anderer Grundvoraussetzungen im Vergleich zum faktischen Konzern betreffend eine beherrschte Aktiengesellschaft. Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslagen scheidet damit auch die analoge Anwendung des § 311 AktG aus, der von einer grundsätzlichen Weisungsunabhängigkeit des Vorstandes ausgeht.[41] An die Stelle der Kodifizierungen betreffend den faktischen Aktienkonzern tritt insbesondere die allgemeine Treuepflicht der Gesellschafter einer GmbH gegenüber der Gesellschaft, bei deren Verletzung im Ergebnis ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.[42]
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Liegt ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vor, ist die Konzernvermutung aus § 18 Abs. 1 S. 2 AktG unwiderlegbar. Die Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG für das Vorliegen eines faktischen Konzerns kann hingegen widerlegt werden. Erforderlich ist dann der Nachweis des Fehlens einer einheitlichen Leitung. Zu beachten ist aber, dass wesentliche Rechtsfolgen – wie etwa die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG – sich bereits aus dem Vorliegen der Abhängigkeit gem. § 17 Abs. 1 AktG ergeben, das Vorliegen eines faktischen Konzerns i.S.d. § 18 Abs. 1 S. 1 AktG damit diesbezüglich ohnehin nicht erforderlich ist.[43]
2. Gleichordnungs- und Unterordnungskonzern
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Neben Vertragskonzernen, der Eingliederung und faktischen Konzernen kann zudem zwischen Gleichordnungs- und Unterordnungskonzernen unterschieden werden. Während es sich bei Unterordnungskonzernen um den Regelfall einer Unternehmensverbindung zwischen beherrschendem und beherrschtem Unternehmen handelt, existiert in einem Gleichordnungskonzern gem. § 18 Abs. 2 AktG zwar eine einheitliche Leitung, aber keine Abhängigkeit zwischen den Beteiligten.[44] So ist etwa denkbar, dass den beteiligten Unternehmen ein sofortiges Kündigungsrecht zusteht, um die Unterwerfung unter eine einheitliche Leitung jederzeit und kurzfristig lösen zu können.[45]
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Um eine Abgrenzung dieser eher seltenen Erscheinung zu gewöhnlichen Kooperationsverhältnissen