Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff
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Die scheinbar vor allem mit Blick auf die Verfolgungspraxis große Bedeutung des § 130 OWiG, die Dominanz von Konzernverbindungen in der heutigen Unternehmenslandschaft sowie die zunehmende Überschreitung von Landes- und Wirtschaftsraumgrenzen im Rahmen der Globalisierung sollen dabei die Relevanz dieser Darstellung indizieren.
Anmerkungen
„Wenn er kommt ist Zahltag“, Welt am Sonntag Online vom 14.8.2011, abrufbar im Internet unter http://www.welt.de/print/wams/muenchen/article13543574/Wenn-er-kommt-ist-Zahltag.html.
Manfred Nötzel, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft München I, Welt am Sonntag Online vom 14.8.2011, siehe vorherige Fn.
Eidam in: Eidam, 14. Kapitel Rn. 63 f.
Der Bußgeldbescheid ist in einer Entwurfsfassung abrufbar auf der Internetseite der Siemens AG unter http://www.siemens.com/press/pool/de/events/2008-12-PK/MucStaats.pdf.
Vgl. zum Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I gegen die Siemens AG ausführlich später Rn. 230 ff.
Nicht unerwähnt bleiben darf jedoch bereits an dieser Stelle die Uneinheitlichkeit der Normanwendung auf Seiten der Verfolgungsbehörden. Während das Bundeskartellamt und vor allem in den letzten Jahren auch manche Schwerpunktstaatsanwaltschaften die Norm in ihr Standardrepertoire aufgenommen haben, bleibt sie anderenorts nach wie vor unbeachtet. Vgl. hierzu und allgemein zur Relevanz der Norm später Rn. 221 ff.
Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26.6.2013, BGBl. I S. 1738. § 30 OWiG erlaubt es, direkt gegen Verbände Bußgelder zu verhängen, wenn die verantwortlichen Leitungspersonen eine betriebsbezogene Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben, wobei die Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG in diesem Kontext eine der bedeutsamsten Anknüpfungstaten darstellt (vgl. hierzu noch später Rn. 122 ff.). Grundsätzlich koppelt der Gesetzgeber die maximale Verbandsgeldbuße im Rahmen des § 30 OWiG im Falle des Verstoßes der Leitungspersonen gegen Ordnungswidrigkeitenrecht an den Bußgeldrahmen der im Rahmen der Anknüpfungstat verletzten Norm, vgl. § 30 Abs. 2 S. 2 OWiG. Im Falle der Aufsichtspflichtverletzung beträgt das Höchstmaß der Geldbuße gem. § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG eine Million Euro. Durch die 8. GWB-Novelle wurde ein neuer Satz in die Regelung des § 30 OWiG eingefügt, wonach die Verbandsgeldbuße nunmehr das Zehnfache der in der durch die Anknüpfungstat verletzten Norm bezeichneten Höchstgeldbuße betragen kann, § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG n.F. Voraussetzung ist ausweislich des Wortlautes jedoch, dass die für die Anknüpfungstat relevante Norm auf diese Bestimmung des § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG verweist. Im Rahmen der 8. GWB-Novelle wurde dies dann sogleich für die Regelung des § 130 OWiG umgesetzt und insofern eine entsprechende Verweisung in § 130 Abs. 3 S. 2 OWiG n.F. eingefügt. Während es für die Leitungsperson selbst gem. § 130 Abs. 3 S. 1 OWiG damit bei einer maximalen Geldbuße in Höhe von einer Million Euro bleibt, kann gegen das Unternehmen gem. §§ 130 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 30 Abs. 2 S. 3 OWiG ein Bußgeld in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro verhängt werden. Vgl. hierzu auch Altenburg/Peukert BB 2014, 649 (651 f.); Achenbach wistra 2013, 369 (371 f.); Mühlhoff NZWiSt 2013, 321 (322 f.); Corell/von Saucken wistra 2013, 297 (300); ferner allgemein zur 8. GWB-Novelle Bosch/Fritsche NJW 2013, 2225 (2225 ff.); Ost NZKart 2013, 25 (25 ff.); Bechtold NZKart 2013, 263 (263 ff.).
Zu erwähnen ist insofern die Feststellung von Achenbach wistra 1998, 296 (296), wonach die Norm „zu den schwierigsten Vorschriften des deutschen Wirtschaftsstrafrechts“ zählt. Auch nach über 15 Jahren dürfte dieser Ausspruch Gültigkeit entfalten, wenngleich dem Wirtschaftsstrafrechtler freilich auch an anderer Stelle kaum übersehbare Problembereiche begegnen. Als Beispiel soll nur der vieldiskutierte Untreuetatbestand dienen, der auch nach mittlerweile zahlreichen höchstrichterlichen Stellungnahmen Anlass für umfassende Diskussionen bietet.
Habersack in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 1 Rn. 8; Altmeppen in: MK-AktG, Einleitung zum dritten Buch vor § 291 AktG Rn. 19; Saenger Gesellschaftsrecht, Rn. 923; Wiesenack/Klein in: Eisele/Koch/Theile, S. 7; Theisen Der Konzern, S. 21 spricht gar von rund 90 % aller Aktiengesellschaften und von wohl weit mehr als der Hälfte der deutschen Personengesellschaften. Vgl. zur Konzernverbreitung auch die Angaben bei Hackel Konzerndimensionales Kartellrecht, S. 82; Görling Konzernhaftung, S. 47 ff.
So etwa Schneider NZG 2009, 1321 (1323).
Dies gilt umso mehr, als in Großkonzernen Pflichtverletzungen wohl vergleichsweise selten in der unmittelbaren Sphäre einer Konzernobergesellschaft vorkommen, sondern regelmäßig gerade in Tochtergesellschaften begangen werden. Vgl. insofern die Ergebnisse der – wenn auch basierend auf einem quantitativ überschaubaren Teilnehmerkreis – empirischen Untersuchung von Wiesenack/Klein in: Eisele/Koch/Theile, S. 18: „Problemherde treten augenscheinlich jedenfalls faktisch regelmäßig auf Ebene der Tochtergesellschaft auf.“
Vgl. nur aus dem Bereich der wirtschaftsstrafrechtlich orientierten Dissertationen – und damit lediglich in Ergänzung zu der einschlägigen Kommentarliteratur und den nicht nur vereinzelten Beiträgen in Fachzeitschriften und Sammelbänden – zuletzt aus dem Jahr 2014 Muders Haftung im Konzern; Caracas Internationale Konzernstrukturen; und aus dem Jahr 2011 Grundmeier Rechtspflicht, die sich bei ihrer Untersuchung zu Compliance-Pflichten im Konzern weit überwiegend auf die konzernweite Anwendbarkeit des § 130 OWiG konzentriert. Daneben gibt es unter den jüngeren Dissertationen eine ganze Reihe von Untersuchungen, die der hier aufgeworfenen Streitfrage jedenfalls einzelne Abschnitte widmen, vgl. etwa aus dem Jahr 2014 Sonnenberg Aufsichtspflicht, S. 55 f.; aus dem Jahr 2013 Huber Compliance-Pflichten, S. 205 ff.; Wilhelm Aufsichtsmaßnahmen, S. 25 ff.; Petermann Compliance-Maßnahmen, S. 106 ff.; Lang Corporate Compliance, S. 159 ff.; aus dem Jahr 2012 Hackel Konzerndimensionales Kartellrecht, S. 354 ff.; aus dem Jahr 2011 Geismar Aufsichtspflichtverletzung, S. 62 ff.; aus dem Jahr 2010 – wenn auch nur in äußerster Knappheit – Fruck Aufsichtspflichtverletzung, S. 22; sowie aus dem Jahr 2009 Vogt Verbandsgeldbuße, S. 281 ff.