Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern. Andreas Minkoff

Sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten im internationalen Konzern - Andreas Minkoff


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Dies mag angesichts der bereits aufgezeigten Relevanz überraschen, ist aber wohl zum erheblichen Teil auf das lange Schattendasein der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität auf Leitungsebene der Unternehmen zurückzuführen. Freilich gibt es Ausnahmen, die bereits einige Jahre nach Inkrafttreten des Ordnungswidrigkeitengesetzes die praxiserhebliche Erscheinung des Konzerns bei der Untersuchung des § 130 OWiG berücksichtigten, vgl. insofern pionierhaft aus dem Jahr 1976 Thiemann Aufsichtspflichtverletzung, S. 150 ff.

       [13]

      So auch Gürtler in: Göhler, § 130 OWiG Rn. 5a; Schücking in: Krieger/Schneider, § 36 Rn. 5; Kraatz Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 74.

       [14]

      Eine derart empfindliche Sanktion auf dogmatisch fragilem Gerüst war im Falle Siemens – wie auch in anderen prominenten Korruptionsfällen – wohl nur deshalb möglich und von Bestand, weil der zu Grunde liegende Bußgeldbescheid letztendlich Ergebnis einer Einigung zwischen Unternehmen und Staatsanwaltschaft war, vgl. hierzu nur Beulke/Moosmayer CCZ 2014, 146 (146 f.). In Folge dessen vermochten damit auch diese vielbeachteten Fälle keine Gelegenheit für eine höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen zu bieten.

       [15]

      OLG München Beschluss vom 23.9.2014, Az. 3 Ws 599, 600/14: „Die Anwendbarkeit des § 130 OWiG auf Konzernsachverhalte kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig.“

       [16]

      So widmen etwa unter den bereits genannten Untersuchungen nur einzelne Autoren ihr Augenmerk auch grenzüberschreitenden Komponenten. Umfassendere Ausführungen finden sich soweit ersichtlich insofern einzig bei Caracas Internationale Konzernstrukturen. Wenigstens einige Zeilen widmet den konzernweiten Aufsichtspflichten im internationalen Konzern Grundmeier Rechtspflicht, S. 101 f. Abseits der Konzernproblematik finden sich Ausführungen zur grenzüberschreitenden Reichweite des § 130 OWiG schließlich – wenn auch nur denkbar knapp – bei Buchholz Zuwiderhandlung, S. 103 ff.

       [17]

      Vgl. nur Altmeppen in: MK-AktG, Einleitung zum dritten Buch vor § 291 AktG Rn. 35.

       [18]

      Theisen Der Konzern, S. 8: „Die multinationale Konzernverbindung stellt in der Konzernpraxis die größte Grundgesamtheit dar. Es muss heute als der Regelfall bezeichnet werden, dass eine unternehmerische Aktivität sich auf mehr als zwei Länder erstreckt.“

       [19]

      Vgl. zur Verbreitung transnationaler Konzernunternehmungen Theisen Der Konzern, S. 6 f.; sowie später Rn. 382 f.

      Teil 1 Einführung › B. Eingrenzung des Untersuchungsthemas

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      Die Betonung der Regelung des § 130 OWiG soll dabei für die notwendige thematische Eingrenzung der Untersuchung stehen. Denn die Verknüpfung des gesamten Sanktionenrechts mit dem gesellschaftsrechtlichen Sondergebilde des Unternehmensverbundes führt zu kaum überblickbaren Problemfragen, die rechtswissenschaftlich zu erheblichen Teilen noch nicht durchleuchtet sind. Es wird kurz- und mittelfristige Aufgabe der Rechtsforschung sein, hierbei Antworten zu entwickeln und zu formulieren, um damit die Normanwendung für die Adressaten, Verfolgungsbehörden und auch die Rechtsprechung zu erleichtern. Die vorliegende Untersuchung kann freilich nur versuchen, die Lösungsfindung für einen vergleichsweise engen Teilbereich zu fördern. Selbst die Beschränkung auf sanktionsbewehrte Aufsichtspflichten dient nur einer unzureichenden Eingrenzung, da die insofern denkbaren, straf- und ordnungsrechtlichen Anknüpfungspunkte in dogmatischer Hinsicht intensiver und tiefgreifender Betrachtung bedürfen. Mit ihrem Untertitel soll damit die Kontur der Untersuchung gezeichnet werden, indem dort die Konzentration auf die Bestimmung des unmittelbaren Normadressatenkreises des § 130 OWiG im Rahmen von Konzernsachverhalten deutlich gemacht wird. Kernstrafrechtliche Aspekte – etwa zur konzerndimensionalen Garantenpflicht im Kontext unechter Unterlassungsdelikte – sollen hierdurch freilich nicht gänzlich ausgeklammert werden. Gleiches gilt für mit § 130 OWiG eng verknüpfte Normen des Ordnungswidrigkeitenrechts und damit insbesondere für die §§ 9, 30 OWiG, die ihrerseits Anknüpfungspunkte für die Erfassung von Konzernobergesellschaften bei der Sanktionierung von Aufsichtspflichtverstößen bieten können. Allerdings muss sich die Untersuchung abseits der hier im Fokus stehenden Regelung des § 130 OWiG auf eine überblickartige Skizzierung beschränken und soll dabei auf die Darstellung der Aspekte konzentriert werden, deren Beurteilung für die eingangs formulierten Ausgangsfragen maßgeblich und dienlich sind. Keine Einschränkung soll wie beschrieben indes in räumlicher Hinsicht erfolgen, so dass sich die Arbeit auch der grenzüberschreitenden Anwendbarkeit des § 130 OWiG widmen wird.

      Teil 1 Einführung › C. Gang der Untersuchung

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      Die Untersuchung beginnt dabei mit der erforderlichen Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen (Teil 2 Rn. 18 ff.). Die überblickartige Skizzierung der historischen Entwicklung der Konzernierung und des Konzernrechts soll die Darstellung der wesentlichen Gründe für die Eingehung von Konzernverbindungen stützen. Es folgt die Erläuterung der heutigen Erscheinungsformen von Unternehmensverbindungen, ehe im Anschluss auf Besonderheiten des Pflichten- und Haftungsprogramms von Konzernobergesellschaften eingegangen wird. Dabei kann und soll die Untersuchung keine erschöpfende Darstellung der gesellschaftsrechtlichen Konzernführungs-, Konzernkontroll- und Konzernüberwachungspflichten bieten. Vielmehr wird sich hier auf die fragmentarische Darstellung der für die Beurteilung der ordnungsrechtlichen Aufsichtspflichten relevanten Gesichtspunkte beschränkt.

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      Nach Erörterung der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen erfolgt ein Überblick der kernstrafrechtlichen Verantwortlichkeiten im Rahmen von Konzernsachverhalten (Teil 3 Rn. 122 ff.). Unterschieden wird dabei zwischen Verantwortlichkeit der Konzernspitze durch aktive Begehung auf der einen Seite und durch Unterlassen auf der anderen Seite. In den Fokus rücken dabei jeweils mit Blick auf Konzernverbindungen die Anwendung der Grundsätze der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft sowie der Geschäftsherrenhaftung, die jeweils in ihren Grundzügen dargestellt werden. Erwähnung finden in diesem Kontext überdies Besonderheiten bei den vor allem im Wirtschaftsstrafrecht verbreiteten Sonderdelikten.

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      Im weiteren Verlauf folgt die Diskussion der Frage nach der Anwendbarkeit des § 130 OWiG im Rahmen von Konzernsachverhalten (Teil 4 Rn. 173 ff.). Einleitend wird dabei auf die allgemeinen Grundlagen der Regelung einzugehen sein, wobei neben der Erläuterung der Tatbestandsmerkmale insbesondere für die vorliegende Untersuchung bedeutsame Ausführungen zur Rechtsnatur und zum Regelungszweck in den Fokus rücken. Nach Überlegungen zur heutigen Regelungsrelevanz, unter anderem im Rahmen der vielerorts geführten Diskussion um Corporate Compliance, widmet sich die Untersuchung sodann der eigentlichen Problematik der konzerndimensionalen Anwendbarkeit des § 130 OWiG. Der Darstellung


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