Soldatengesetz. Stefan Sohm
der Bw vom 5.10.2009 „Reisen in Einsatzgebiete auf der Basis von Kommandierungen/Abordnungen und Dienstreisen; 1. Änderung“. Sie sieht eine Kommandierung vor, wenn die in Rede stehende Tätigkeit in den operativen Fähigkeitsforderungen des Kontingents abgebildet und in der aus dem Fähigkeitskatalog folgenden Dienstpostenliste ausgewiesen ist, und zwar unabhängig vom STAN-Auftrag der inländischen Heimatdienststelle des Betroffenen. Ist die auszuübende Tätigkeit nicht in der bestehenden Dienstpostenliste des Kontingents ausgewiesen, ist zu prüfen, ob der Fähigkeitskatalog und folglich die Dienstpostenliste entspr. zu ergänzen sind.[327]
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Keinesfalls darf das Instrument der Dienstreise dazu dienen, über die vom BT für den jew. Auslandseinsatz erteilte Zustimmung zur festgelegten Kontingentstärke hinaus Personal im Einsatz verfügbar zu machen. Es ist unbeschadet dessen aber fraglich, ob es (trotz § 56 Abs. 3 Satz 1 BBesG) sachgerecht ist, längere Aufenthalte in Einsatzgebieten als Dienstreisen anzuordnen, selbst wenn die entsandten Soldaten dort Dienstgeschäfte ihrer Heimatdienststelle wahrnehmen sollen. Bei längerer Aufenthaltsdauer verwischen zunehmend die Grenzen zwischen den Aufgaben der Heimatdienststelle und solchen des Auslandskontingents. Zudem sollten längere Verwendungen in Einsatzgebieten nur für Kontingentangehörige vorgesehen werden, weil (über das Recht zur Selbstverteidigung hinaus) nur sie (nicht Dienstreisende) die der Truppe im Einsatzland zustehenden Einsatzbefugnisse gebrauchen dürfen. Dienstreisen in Einsatzgebiete sollten sich auf adäquate Zeiträume (angemessen erscheinen bis zu zwei Wochen) beschränken.
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Ein Dienstpostenwechsel ist eine Verwendungsentscheidung, mit der die Änderung der Verwendung eines Soldaten innerhalb seiner Dienststelle und innerhalb seines Dienstortes, ggf. unter Wechsel der Planstelle, angeordnet wird.[328] Für diesen Wechsel ist ein dienstl. Bedürfnis erforderlich; hat der Soldat ihn beantragt oder darum gebeten, von dem Dienstpostenwechsel abzusehen, dürfen vorrangige dienstl. Interessen nicht entgegenstehen. Eine Änd. der STAN, die allein dazu dient, die Förderung eines Soldaten gezielt zu verhindern, begründet kein dienstl. Bedürfnis für einen Dienstpostenwechsel.[329]
cc) Bestenauslese
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Die Notwendigkeit zu einer durch Abs. 1 und das dort verankerte Leistungsprinzip bei Ernennungs- und Verwendungsentscheidungen vorgeschriebenen Bestenauslese (Gleiches gilt für die Ermittlung von bestgeeigneten Bewerbern nach Art. 33 Abs. 2 GG, vgl. o. Rn. 9) beruht i.d.R. darauf, dass einer großen Zahl von um Förderung bemühten Personen eine wesentlich kleinere Anzahl von Förderungsmöglichkeiten gegenübersteht. Zwar ist es grds. vorstellbar, dass eine Bestenauslese auch stattfindet, wenn keiner der zur Auswahl stehenden Kandidaten Interesse an einer Ernennung oder Verwendung hat, insbes. bei Querversetzungen.[330] Ganz überwiegend wird es aber aus Sicht der Betroffenen um förderliche Maßnahmen gehen.
Der Grds. der Bestenauslese gilt für die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens auch bei einer Auswahl zwischen einem Soldaten und einem ziv. Seiteneinsteiger.[331]
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Für den Zugang zu den SK vermittelt der hierfür einschlägige Art. 33 Abs. 2 GG keinen Rechtsanspruch auf Einstellung als Soldat.[332] Besteht kein Bedarf[333] an Neueinstellungen oder ist aus haushaltsrechtl. Gründen eine Personalaufstockung („Einstellungsstopp“) nicht möglich, kann auch ein geeigneter Bewerber nicht die Begr. eines Wehrdienstverhältnisses durchsetzen. Entspr. gilt dies für förderliche Maßnahmen von Soldaten („Beförderungsstau“)[334].
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Die Einstellung von Bewerbern in ein Wehrdienstverhältnis und die Förderung von Soldaten stehen – ungeachtet der Best. über das Leistungsprinzip – i.d.R. im Ermessen der zuständigen Stelle.[335] Die Organisations- und Personalhoheit berechtigt, ob Dienstposten im Wege förderlicher Besetzung oder mittels Versetzen ohne derartige Förderung oder durch Dienstpostenwechsel besetzt werden.[336] Dieses Ermessen unterliegt allg. rechtsstaatl. Bindungen (vgl. § 40 VwVfG) wie dem Verbot sachwidriger Erwägungen und dem Gebot zur Gleichbehandlung. Im Einzelfall kann die Ermessensausübung zulässigerweise dazu führen, angesichts des Ergebnisses ein Auswahlverfahren z.B. zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens abzubrechen. In diesem Fall erlischt der Bewerbungsverfahrensanspruch des Soldaten. Der Abbruch erfordert einen sachlichen Grund und kann aus der OrgGewalt des Dienstherrn oder aus Gründen gerechtfertigt sein, die aus dem Grds. der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1) hergeleitet werden. Der für den Abbruch maßgebliche Grund muss, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftl. dokumentiert werden.[337]
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Sonstige, in der Natur der Sache liegende Hinderungsgründe für förderliche Maßnahmen sind zu beachten. Auch hierfür grds. Geeignete können in den SK Ausbildungswege nicht nach persönlichen Wünschen gestalten. Nicht der private Nutzen ist maßgeblich. Die Aus- und Weiterbildung der Soldaten ist kein Selbstzweck. Entscheidend ist, ob für sie ein mil. Bedürfnis besteht.[338] Sieht man diese Frage grds., müssten das generelle Hochschulstudium der Offz und das unverhältnismäßige Angebot an zivilberuflicher Aus- und Weiterbildung (ZAW) mit z.T. fragwürdiger Verwertbarkeit für militärfachl. Tätigkeiten krit. hinterfragt werden. Maßstab müssen die Vorgaben der SLV und die Regelungen der durch das BMVg[339] auf der Basis des § 27 Abs. 7 als RVO zu erlassenden Prüfungsordnung[340] für die SK sein. Zu berücksichtigen ist auch, ob die Kosten-Nutzen-Relation in einem angemessenen Verhältnis steht (Stichwort Restdienstzeit).
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Der Grds. der Bestenauslese besagt[341], dass der Dienstherr im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens unter mehreren Bewerbern[342] den geeigneteren bzw. geeignetsten auswählt. Dabei hat er sich am Leistungsprinzip zu orientieren und im Übrigen nur bei im Wesentlichen gleicher Eignung im Rahmen sachgerechter Erwägungen darüber zu befinden, welchen sonstigen sachlichen Gesichtspunkten er für die beabsichtigte Maßnahme Gewicht beimessen will, sofern dadurch das Leistungsprinzip als solches nicht in Frage gestellt wird.[343] Die Entscheidung der personalführenden Stelle, welchen Kandidaten sie für eine Fördermaßnahme für am besten geeignet hält, stellt ein ihr vorbehaltenes Werturteil dar. Gerichtl. ist nur nachprüfbar, ob die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht, ob allg. gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet sind, ob von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen worden ist.[344] Neben maßgeblichen Wertentscheidungen des GG und gesetzl. Vorgaben sind ermessensbindende Erl. und Dienstvorschriften zu beachten. Einzuhalten sind auch Festlegungen über die Anforderungen an die Wahrnehmung eines Dienstpostens (etwa in Form eines Anforderungsprofils als Maßstab der Anforderungen an die Bewerber oder durch eine Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung für den Dienstposten). Sie unterliegen als organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe mil. Zweckmäßigkeit zwar nicht der gerichtl. Kontrolle, binden aber die zuständige Stelle im Auswahlverfahren. Ob diese ihre Auswahlentscheidung an dem Anforderungsprofil bzw. an der Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung ausgerichtet hat, ist gerichtl. in vollem Umfang überprüfbar.[345]
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Die Übertragung von Aufgaben eines höherwertigen Dienstpostens nur zur vorübergehenden vertretungsweisen Wahrnehmung unterliegt nicht dem Grds. der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1). Übergangene Interessenten können sich vor dem Wehrdienstgericht deshalb nicht auf die Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs berufen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WBO).
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