Soldatengesetz. Stefan Sohm
7 abzuleiten, ist deshalb untauglich, weil der Wortlaut der Rechtswegzuweisung des § 17 Abs. 1 WBO eine Verletzung von Rechten des Soldaten oder Pflichten des Vorgesetzten, nicht jedoch eine Verletzung von Pflichten des Soldaten zum Gegenstand hat. In diesem Kontext ist es realitätsfern zu behaupten, dass der Soldat im Fall von Verwendungen in dem „eigentlichen militärischen Dienstbereich“ betroffen wäre.[267]Das, was den militärischen Dienstbereich eigentlich sein lässt, d.h. das vom sonstigen Staatsdiener unterscheidende Wesensmerkmal ist nicht der formelle Rahmen. Der „wahren Natur des geltend gemachten Anspruchs und begehrter Rechtsfolge nach“ handelt es sich bei der Versetzung eines Soldaten um keine – von sonstigen Verwaltungsangelegenheiten spezifisch abgrenzbare – Maßnahme, denn sie unterscheidet sich als Anordnung, nicht nur vorübergehend an anderer Stelle Dienst zu leisten, nicht von einer beamtenrechtlichen Versetzung, weil denkbare Voraussetzungen und Konsequenzen (wann, wo, wie lange, auf welcher Hierarchieebene Dienst geleistet wird) deckungsgleich sind.[268] Das Wesenseigentliche der soldatischen Tätigkeit liegt vielmehr in einer singulären staatsdienenden Aufgabe, nämlich der unmittelbar physisch wirkenden Gewaltanwendung zum Verteidigungszweck, notfalls unter Preisgabe des individuellen Lebens zugunsten der allgemeinen Staatserhaltung, ergänzt um die durch den Gesetzgeber für diese Tätigkeit notwendig erachteten besonderen soldatischen Rechte und Pflichten. Die Zuständigkeit einer BwVerw-Dienststelle für die Verwendungsmaßnahmen führt darüber hinaus dazu, dass nicht einmal der hierarchischen Struktur von in den SK eingesetzten Soldaten Rechnung getragen ist. Was dann noch Ausdruck des militärischen (= truppendienstlichen) Über-/Unterordnungsverhältnis sein soll, bleibt die Rspr. schuldig.
Charakteristisch für die Versetzung ist der auf Dauer angelegte Wechsel der Dienstleistung. Jeder durch Versetzungsverfügung angeordnete Wechsel der Dienststelle hat eine Herausnahme aus der bisherigen Dienststelle (Wegversetzung) und eine Einfügung in eine andere Dienststelle (Zuversetzung) zum Inhalt.[269] Aus dem Hinw. „oder an einem anderen Standort“ ist zu folgern, dass eine Versetzung
– | ohne Wechsel des bisherigen Standorts (Fw A wird von der 1. zur 2. Kp im selben Standort versetzt), aber auch |
– | ohne Wechsel der Dienststelle (Fw A wird auf einen Dienstposten in einem räumlich abgesetzten Zug seiner Kompanie, der in einem anderen Standort stationiert ist,[270] versetzt) |
möglich ist.
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Die Dienststelle, zu welcher der Soldat versetzt wird, muss nicht den SK, nicht einmal der Bw zugehören. Allerdings kann sich für den Soldaten die (insbes. zulagenrelevante) Folge ergeben, dass er bspw. mit einer Versetzung an eine Dienststelle der BwVerw nicht mehr der TSK angehört, nur noch ihre Uniform trägt – eine Zugehörigkeit ist daran geknüpft, dass es sich bei der wahrgenommen Tätigkeit um eine handelt, die auf einem Dienstposten innerhalb und mit einer Aufgabe dieser TSK wahrgenommen wird.[271] Generell muss es sich bei einer Versetzung jedoch um eine Dienststelle des Bundes handeln. Anders als für Beamte (für sie gelten § 2 BBG bzw. § 2 BeamtStG) ist die Dienstherrnfähigkeit bzgl. Soldaten nicht ausdrücklich gesetzl. geregelt. Aus der alleinigen Bundeskompetenz für die Aufstellung der SK in Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG folgt aber, dass ein (nur aus dieser Verfassungsbest. ableitbares) Wehrdienstverhältnis i.S.d. § 1 Abs. 1 als ein öff.-rechtl. Treueverhältnis des Soldaten nur zu dem Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland rechtl. zulässig ist. Die Versetzung eines Soldaten in die Dienststelle eines Landes wäre deshalb verfassungsrechtl. nicht möglich. Hingegen ist die Versetzung eines Soldaten in ein anderes Bundesressort (z.B. das Auswärtige Amt) zulässig.
Eine rückwirkende Versetzung gibt es nicht; ein entspr. Antrag wäre auf eine rechtl. unmögliche Leistung gerichtet.[272]
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Der Soldat darf nur versetzt werden, wenn hierfür ein dienstl. Bedürfnis besteht[273] oder wenn er seine Versetzung beantragt hat[274] und diese mit dienstl. Interessen in Einklang zu bringen ist. Andererseits gehört die jederzeitige Versetzbarkeit des Soldaten und damit die Möglichkeit, ihn dort einzusetzen, wo er gebraucht wird, jedoch zu den von ihm freiwillig übernommenen Pflichten und zum prägenden Inhalt seines Wehrdienstverhältnisses.[275] Die jederzeitige Versetzbarkeit hat für die Erhaltung von Einsatzbereitschaft und Kampfkraft der SK besondere Bedeutung. Da die dienstl. Interessen Vorrang genießen, können i.d.R. nur schwerwiegende persönliche Gründe oder außergewöhnliche Härten eine im dienstl. Interesse notwendige Versetzung hindern.[276] Es gilt der Grds., dass der Soldat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche[277] oder fachliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten hat.[278] Ein solcher Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten.[279]
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Über die Versetzung entscheiden die zuständigen Stellen[280] nach Maßgabe dienstl. Bedürfnisse (diese sind als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtl. voll nachprüfbar[281]) im Wege einer Ermessensentscheidung.[282] Dabei hängt das Ermessen lenkende Interesse von der Einschätzung des Dienstherrn und nicht des betroffenen Soldaten ab.[283] Ermessensentscheidungen sind von den Wehrdienstgerichten nur darauf zu überprüfen, ob der zuständige Vorg. oder die zuständige personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstl. Befugnisse in seinen Rechten (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) verletzt hat bzw. die gesetzl. Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entspr. Weise Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob die vom BMVg in Erl. und RL im Wege der Selbstbindung festgelegten ermessenslenkenden Vorgaben eingehalten sind.[284]
Wie für alle Verwendungsentscheidungen ist für die gerichtl. Nachprüfung der Versetzung eines Soldaten der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten gegeben (zur Kritik dessen s.o.).[285]
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Zur Zulässigkeit von Versetzungen eines Soldaten sind Entsch. insbes. zu folgenden Problempunkten ergangen:[286]
– | Rückversetzung aus dem Ausland,[287] |
– | Haus oder Wohnungseigentum am bisherigen Dienstort oder in dessen Nähe,[288] |
– | Weiterführen eines eigenen Gewerbebetriebs am Standort,[289] |
– | Versetzung aus familiären Gründen wegen schwerbehinderter, erwerbsgeminderter Ehefrau,[290] |
– | Gesundheitszustand der Ehefrau,[291] |
– | berufliche Situation der Ehefrau,[292] |
– | Berücksichtigung von Pflege-/Betreuungsaktivitäten am Standort für Eltern, Großeltern, Schwiegereltern,[293] |
– |
Einschulung eines Kindes, Kindergartenplatz |