Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Abschlüsse), vielmehr muss nach objektiver Interessenlage eine Offenbarungspflicht bestehen, also insb. der Zusammenhang mit der konkret geschuldeten Tätigkeit gegeben sein;[134] hierzu rechnen auch sog. unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch, auf welche zum Schutz vor Diskriminierung nicht wahrheitsgemäß geantwortet zu werden braucht (z.B. nach der Familienplanung, Schwangerschaften, bereits im Bundeszentralregister gelöschte Vorstrafen).[135]
Nach tatsächlichem Beginn des Dienstverhältnisses wird das Anfechtungsrecht zumindest in seiner Wirkung durch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung verdrängt (Wirkung nur für die Zukunft); zwar ist nicht jeder Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft ein für die fristlose Kündigung hinreichender wichtiger Grund (vgl. § 626), die Praxisrelevanz dieses Unterschieds ist jedoch gering.
b) Besonderheiten im Arbeitsvertrag
218
Für den Inhalt des Arbeitsverhältnisses sind weit mehr zwingende gesetzliche Bestimmungen maßgeblich. So hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wegen §§ 2 Abs. 1 und 6–18 AGG seinen ganz überwiegenden sachlichen Anwendungsbereich im Arbeitsrecht (Verbot von Diskriminierungen aufgrund bestimmter personenbezogener Merkmale); außerdem exemplarisch NachweisG für den Formzwang bei Arbeitsverträgen, ArbZeitG für den zeitlichen Rahmen der Tätigkeit, TZBefrG für die zulässige Abweichungen von der unbefristeten Vollzeitanstellung, BUrlG für das Recht auf bezahlte Freistellungen, § 81 Abs. 2 SGB IX zum Verbot der Benachteiligung Schwerbehinderter, die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei Einstellungen und nach § 102 BetrVG als formale Kündigungsvoraussetzung, KSchG, MuSchG etc. Zudem gehen tarifvertragliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen dem Arbeitsvertrag vor (Ausnahme: Günstigkeitsprinzip, vgl. § 4 Abs. 3 TVG).
Das Tarifvertragsrecht unterscheidet hinsichtlich von „Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtlicheBetriebsverfassungsrechtFragen ordnen“ (vgl. § 1 Abs. 1 TVG) als normativen Teil dementsprechend Inhaltnormen, Abschluss- und Beendigungsnormen, Betriebsnormen und betriebsverfassungsrechtliche Normen.
a) Leistung der versprochenen Dienste
219
Die Leistungspflicht des Dienstnehmers richtet sich in erster Linie nach dem Vertrag (§ 611 Abs. 1, 2). Einzelheiten der zu leistenden Dienste bestimmen sich nach dem Leistungszweck.
Die Erfüllung der Dienstpflicht wird „im Zweifel“ höchst persönlich geschuldet (§ 613 S. 1). Dies gilt umgekehrt auch in Bezug auf den Dienstberechtigten (§ 613 S. 2), was durch die Regelungen zum Betriebsübergang (§ 613a) jedenfalls für betriebsgebundene Arbeitnehmer weitgehend bedeutungslos wird (der Arbeitnehmer hat zwar ein Widerspruchsrecht gegen den Betriebsübergang, § 613a Abs. 6, muss dann jedoch mit der betriebsbedingten Kündigung in Folge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes beim bisherigen Arbeitgeber rechnen; dem steht § 613a Abs. 4 nicht entgegen).
220
Innerhalb des Rahmens der vertraglich festgelegten Dienstleistung steht dem Dienstherrn das Weisungs- und Direktionsrecht zu (vgl. § 315). Das kann Ziel, Mittel und Reihenfolge der Arbeit betreffen. Bei abhängiger Arbeit kann auch ein vorübergehender oder ständiger Arbeitsplatzwechsel angeordnet werden, soweit sich dies im Rahmen vom Dienstnehmer aufzubringender Fähigkeiten und Anstrengungen hält.
221
Möglich ist eine Versetzung, also die Zuweisung einer andersartigen, fachgleichen Tätigkeit, etwa in einer anderen Betriebsabteilung, ebenso wie die örtliche Umsetzung an eine andere Betriebsstätte, soweit dem nicht die ausdrückliche Vereinbarung eines Dienstortes entgegensteht. Soweit dem Arbeitnehmer andere als die vereinbarten Dienste zugewiesen werden sollen (etwa im Rahmen einer Beförderung) setzt dies einen Änderungsvertrag voraus, der auch konkludent geschlossen werden kann. Der Entzug etwa einer derart auf Dauer zugewiesenen Leitungsfunktion muss deshalb umgekehrt die Voraussetzungen einer Änderungskündigung erfüllen,[136] soweit sie nicht einvernehmlich erfolgt. Gleiches gilt für die Zuweisung jeder Tätigkeit, für die der Beschäftigte nicht angestellt wurde.
222
Der Dienstverpflichtete ist zu einer zweckentsprechenden Arbeitsleistung im Hinblick auf einen Arbeitserfolg verpflichtet, der jedoch (anders als beim Werkvertrag) nicht in sein Risiko fällt. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Verschaffung des Arbeitsprodukts an den Dienstherrn (Arbeitgeber). Jedenfalls bei abhängiger Arbeit ist allerdings davon auszugehen, dass Herstellung und Verarbeitung durch den Dienstverpflichteten unmittelbar für den Unternehmer erfolgt (sog. Herstellerklausel, vgl. § 950). Dieser wird mithin unmittelbar Eigentümer etwaiger Arbeitsprodukte.
Überdies ist regelmäßig nur der Arbeitgeber der Besitzer von Arbeitsprodukten und der Arbeitnehmer lediglich sein Besitzdiener (§ 855), einer Übertragungshandlung bedarf es daher nicht.
Das gilt etwa auch für landwirtschaftliche Erntehelfer. Eigentum aller Erzeugnisse einer Sache, auch bei der Urproduktion, fallen unmittelbar mit der Trennung in das Eigentum des Eigentümers der Sache (§ 953), ggf. des Pächters (§ 956).
223
Die Schlechtleistung der geschuldeten Dienste bzw. Arbeit führt zu keiner Gewährleistungspflicht (anders als bei Kauf oder Werkverhältnis), als Rechtsfolge kommt nur Schadensersatz bei schuldhafter Pflichtverletzung (vgl. §§ 280, 281) in Betracht; für Minderung (etwa nach §§ 326 Abs. 1 S. 1 HS. 2, 441 Abs. 3 ist bei Qualitätsdefiziten anders als bei quantitativen Teilleistungen (nach h.M.) kein Raum. Zumeist ist die (jedenfalls die abhängige, betrieblich eingegliederte) Dienstleistung zudem zeitabhängig geschuldet (absolutes Fixgeschäft) und damit nicht nachholbar, sondern wird mit Zeitablauf unmöglich (§ 275); die Rechtsfolgen richten sich daher (§ 275 Abs. 4) auf Schadensersatz nach § 283, der Entgeltanspruch nach § 326 Abs. 1, 2; bei Fernbleiben/Verspätung des Arbeitnehmers ist eine Lohnkürzung also grundsätzlich möglich.
b) Vergütung
224
Das Dienstleistungsentgelt ist wesentlicher Bestandteil des Vertragsverhältnisses. Fehlende Einigung über das Entgelt würde den Vertrag wegen Dissenses nichtig machen (§§ 154, 155). Dem beugt § 612 mit der Fiktion vor, dass bei Diensten, die „den Umständen nach“ nur als entgeltliche erwartet werden konnten, die übliche Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt. § 612 betrifft lediglich die Entgeltlichkeit an sich und deren Höhe. Voraussetzung hierfür ist, dass überhaupt ein wirksamer Vertrag zustande gekommen war, der ohne diese Entgelt-Fiktion ggf. unentgeltlicher Auftrag (§§ 662 ff.) wäre. § 612 grenzt damit nicht zum Gefälligkeitsverhältnis ab, sondern setzt den rechtsgeschäftlichen Tatbestand voraus und lässt auch Anfechtungsrechte unberührt. Geheilt wird nur der Dissens über Entgeltlichkeit und Entgelthöhe. Insb. familienrechtliche Pflichten zur unentgeltlichen Dienstleistung (§ 1619) gehen jedoch vor.
225
Die Vergütung ist, wenn sie als Zeitlohn vereinbart ist, nachschüssig fällig, der Dienstnehmer also vorleistungspflichtig. Möglich ist auch die Vereinbarung von Akkordlohn, der sich nach der erbrachten Arbeitsleistung bemisst, ohne dadurch einen Werkvertrag zu schaffen. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer logischerweise vorleistungspflichtig. Während bei freien Dienstverträgen jede Form der Vergütung, also auch Naturallohn möglich ist, besteht der Arbeitslohn stets in Geld (§ 107 GewO; beachte auch das Mindestlohngesetz vom 11.8.2014 (BGBl. I S. 1348).
226
Teilweise werden unterschiedliche