Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
gehört auch die Beschäftigungspflicht während der Dauer des Dienstverhältnisses. Eine Freistellung von der Arbeit (unter Beibehaltung der Bezüge) ist deshalb nur zulässig, wenn eine Interessenabwägung die überwiegende Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber gegenüber den persönlichen und beruflichen Interessen des Mitarbeiters an der tatsächlichen Beschäftigung ergibt.
Die Beschäftigungspflicht geht dabei über die Tragung des Entgeltrisikos beim Annahmeverzug hinaus und erhält dem Dienstverpflichteten jenseits der Vergütung auch den beruflichen und sozialen Achtungsanspruch aus der Arbeit.
5. Beendigung des Dienstverhältnisses
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Das Dienstverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis und endet automatisch mit Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist (§ 620 Abs. 1), ansonsten mit Erledigung der Aufgabe, zum Zweck deren Erledigung es eigegangen war (§ 620 Abs. 2 HS. 1), aufgrund des höchstpersönlichen Charakters der Dienstverpflichtung auch mit dem Tod des Arbeitnehmers (vgl. § 613 S. 1), im Übrigen und regelmäßig aber durch ordentliche Kündigung (§ 620 Abs. 2 HS. 2).
Bei der ordentlichen Kündigung sind freie Dienstverträge und Arbeitsverhältnisse grundsätzlich zu unterscheiden. Während bereits die Kündigungsfrist bei freien Dienstverhältnissen nach dem Zeitraum bemessen ist, für den die Vergütung geschuldet wird (vgl. § 621 Nr. 1–4) und, wenn die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, jederzeit, bzw. wenn es die hauptsächliche Erwerbstätigkeit darstellt, mit einer Frist von zwei Wochen möglich ist, richten sich für Arbeitgeberkündigungen die Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen[148] nach § 622 und verlängern sich mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses von einem Kalendermonat auf bis zu sieben Kalendermonate bei Kündigung durch den Arbeitgeber (§ 622 Abs. 2).[149] Der Arbeitnehmer kann stets mit einer Frist von vier Wochen zur Mitte oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen (§ 622 Abs. 1).
Das Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters führt nur dann zu einem automatischen Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag (oder einem einschlägigen Tarifvertrag) vereinbart wurde. Ansonsten liegt die Entscheidung beim Arbeitnehmer, ob und wie lange er zusätzlich zu seinem Rentenanspruch weiterarbeiten und Gehalt beziehen oder lieber kündigen will. Der Arbeitgeber hat darauf bezogen kein Kündigungsrecht (vgl. BAG NJW 2016, 268).
a) Probearbeitsverhältnis
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Während einer vereinbarten Probezeit ist beiderseits eine jederzeitige Kündigung mit eine Frist von zwei Wochen möglich (§ 622 Abs. 3). Letzteres aber nur bei unbefristeter Probezeit, die auf längstens sechs Monate vereinbart werden darf und dann automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergeht. Ist die Probezeit als befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, endet dieses Probearbeitsverhältnis mit Fristablauf, ohne dass eine ordentliche Kündigung auf einen früheren Zeitpunkt möglich wäre (§ 620 Abs. 1, 2 gilt dann auch hierfür).
b) Kündigungsschutzgesetz
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Für Arbeitsverhältnisse gilt ergänzend das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Wesentlicher Inhalt des KSchG ist die Beschränkung der arbeitgeberseitigen Kündigung durch das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung (vgl. §§ 1 Abs. 1 KSchG); sozial gerechtfertigt können nach § 1 Abs. 2 KSchG nur betriebsbedingte Kündigungen, verhaltensbedingte Kündigungen und personenbedingte Kündigungen sein. Diese Einschränkung des freien Kündigungsrechts des Arbeitgebers ist erst nach einer Karenzzeit von sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) auf Beschäftigungsverhältnisse in Betrieben mit mehr als zehn (Vollzeitäquivalent) beschäftigten Mitarbeitern (ohne die zur Berufsausbildung beschäftigten) anzuwenden (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG; zugunsten langjähriger Mitarbeiter von vor 2004 gilt als Bestandsschutz eine auf nur fünf vollzeitäquivalente Beschäftigte begrenzte strengere Kleinbetriebsklausel).
c) Kündigungsgründe nach KSchG
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Dabei ist eine Kündigung dann betriebsbedingt, wenn der konkrete Arbeitsplatz in Folge einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers wegfällt und dem damit einhergehenden geringeren Personalbedarf durch Kündigung einer entsprechenden Anzahl von Arbeitsverhältnissen nach den Kriterien der Sozialauswahl unter mehreren vergleichbar qualifizierten Arbeitnehmern (Bildung einer Vergleichsgruppe aus fachlich und rechtlich austauschbar verwendbaren Arbeitnehmern nötig) entsprochen wird. Die Auswahl der zu Kündigenden muss innerhalb der Vergleichsgruppe nach Kriterien aus den jeweiligen Arbeitsverhältnissen selbst (Beschäftigungsdauer, Erfahrung etc.), aber auch nach sozialen Belangen (Unterhaltspflichten, finanziellen Verbindlichkeiten im privaten Bereich etc.) erfolgen und ist mittels eines angemessenen Punkteschema nachprüfbar darzustellen. Nach § 613a Abs. 4 berechtigt ein Betriebsübergang auf einen Erwerber nicht zur betriebsbedingten Kündigung (wohl aber z.B. ein sog. Erwerberkonzept zur Umstrukturierung, das dann seinerseits die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung erfüllen muss).
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Die personenbedingte Kündigung beruht auf Umständen in der Person des Arbeitnehmers, die seine Möglichkeiten begrenzen, die geschuldete Arbeitsleistung nach Art und Menge in einem Umfang zu erbringen, der nach objektiven Kriterien durchschnittlich zu erwarten wäre (Kurzformel: „Arbeitnehmer kann nicht, wollte aber, wenn er könnte“). Dieser Kündigungsgrund setzt neben einem entsprechenden objektivierbaren Vergleichswert für die durchschnittliche Arbeitseffizienz an einem Arbeitsplatz (z.B. Soll-Vorgabe von Taktzeiten) und der Dokumentation der Ist-Leistung auch voraus, dass dem Arbeitnehmer zuvor erfolglos in angemessenem Umfang Möglichkeiten zur Leistungssteigerung etwa durch Weiterqualifizierung eröffnet wurden.[150] Hierher rechnen auch krankheitsbedingte Kündigungen, die zulässig sind, wenn eine negative Gesundheitsprognose besteht, die mit erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen rechnen lässt und daraus eine dem Arbeitgeber unzumutbare Belastung zu erwarten ist.
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Die verhaltensbedingte Kündigung (Kurzformel: „Arbeitnehmer will nicht, könnte aber, wenn er wollte“) beruht schließlich darauf, dass der Arbeitnehmer infolge seines von ihm willentlich steuerbaren Verhaltens den berechtigt an ihn gestellten Erwartungen nicht entspricht (etwa unentschuldigte Fehlzeiten, fehlende Leistungsbereitschaft bei ausreichender Leistungsfähigkeit,[151] strafbare Verhaltensweisen etc.). Soweit das inkriminierte Verhalten nicht den Vertrauensbereich betrifft und ein weiteres Festhalten für den Arbeitgeber unzumutbar macht (so aber z.B. Diebstahl im Cent-Bereich; bei langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit aber jedenfalls ein Diebstahl über drei €)[152], setzt die verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige Abmahnung voraus, die dem Arbeitnehmer die Notwendigkeit vor Augen führt, das Verhaltensdefizit abzustellen, und ihm Gelegenheit zur künftig ordnungsgemäßen Leistungserbringung gibt. Erst im Wiederholungsfall und bei entsprechender Schwere des Verhaltensverstoßes ist dann die verhaltensbedingte Kündigung zulässig und wirksam. Die Berechtigung der Abmahnung für die erste Tat ist in diesem Zusammenhang inzident zu prüfen und festzustellen, so dass isolierter Rechtsschutz gegen eine Abmahnung zwar möglich, aber regelmäßig nicht notwendig ist.
d) Allgemeine Ausschlussfrist bei Kündigungen
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Zudem enthält das KSchG in §§ 4–7 eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen durch Arbeitnehmer für die Kündigung aller Arbeitsverhältnisse (unabhängig vom persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des KSchG, vgl. § 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG).[153]
Alle Unwirksamkeitsgründe einer Kündigung