Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Widerruf sowie Weisungsrechte (vgl. §§ 664, 665, 671–674). Die Geschäftsbesorgung steht im Unterschied zum reinen Dienst- und Werkvertrag aufgrund des Fehlens fest bestimmter Größen der auszutauschenden Leistungen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis, so dass auf sie die §§ 320 ff. keine Anwendung finden. Trotz Entgeltlichkeit steht dem Geschäftsführer also bei Zahlungsverzug nicht ohne Weiteres das Zurückbehaltungsrecht an seiner Tätigkeit zu.
Der besonderen Interessenlage aus der Tätigkeit im fremden Rechts- und Wirtschaftskreis folgen überdies sachliche Fürsorgepflichten, die auf Seiten des Beauftragten in Auskunfts-, Rechenschafts- und Herausgabepflichten (vgl. §§ 666, 667) bestehen, auf Seiten des Geschäftsherrn im Aufwendungsersatz und in der Vorschusspflicht (§§ 669, 670).
5. Systematik
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Das BGB ist gerade hinsichtlich der Einordnung der Treuhand wenig lebensnah und verwischt die Unterschiede verschiedener Lebenstypen, die sich kaum klar abgrenzbar unter die gesetzlichen Vertragsformen bringen lassen. Außerdem ist die Regelungsdichte umgekehrt proportional zur Häufigkeit der Erscheinungsformen.
Praktische Bedeutung hat vorwiegend die entgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 675 Abs. 1. Hierunter fallen all diejenigen Dienst- oder Werkverträge, deren Durchführung nicht sachlich abgegrenzt ist, bei denen also keine zeitliche oder wertmäßig abgegrenzte Festleistung geschuldet wird. Es handelt sich um einen entgeltlichen Dienst- oder Werkvertrag, dessen charakteristische Hauptpflicht (auf Leistung oder Arbeitswert) noch der Konkretisierung durch den Beauftragten im Rahmen der Treubindung bedarf.
a) Grundtatbestand
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In § 675 Abs. 1 wird deshalb das Recht des Dienst- oder Werkverhältnisses durch die Geltung der Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674, ggf. auch § 671 Abs. 2 ergänzt. Es wird also auf das Recht des Auftrags verwiesen. Der Auftrag nach §§ 662 ff. übernimmt insofern die Stellung als Grundtypus eines Treuhandverhältnisses. Allerdings durchmischt das BGB diese Stellung, in dem sie durch das weitere Ordnungselement der Unentgeltlichkeit überlagert wird. Beide Prinzipien bedingen sich nicht, sondern stehen unabhängig nebeneinander. Ursprung dieser Vermischung ist das historische Missverständnis, dass Treuhandverträge stets unentgeltlich zu sein hätten („mandatum est nihil nisi gratuitum“), während gar nicht das Entgeltversprechen jemals gegen die Treuhandbindung stand. Lediglich schließt das in der Treuhandbindung liegende besondere Personenelement auf Seiten des Beauftragten das Gegenseitigkeitsverhältnis (also die synallagmatische Verknüpfung i.S.d. §§ 320 ff.) aus; verkürzt ausgedrückt: Vertrauen, Treue und Treubindung sind nicht käuflich, dürfen aber ohne Weiteres belohnt und entgolten werden.
Durch die geforderte Unentgeltlichkeit haben die §§ 662 als Schuldtypus in der Rechtswirklichkeit keine eigenständige Bedeutung, sondern nur eine im Rahmen der Verweisung durch § 675 Abs. 1. Lediglich die Vorschriften der §§ 667 und 670 machen eine Ausnahme als Auffangtatbestände für Herausgabe- und Verwendungsersatzpflichten.
b) Gefälligkeitsverhältnisse
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Die geringere Bedeutung des reinen Auftrags (§ 662) folgt schließlich auch daraus, dass unentgeltliche Besorgungen oft fest umgrenzte Leistungen betreffen, die also gar keine Treubindung als Hauptpflicht enthalten (sondern sachliche und persönliche Fürsorgepflichten allenfalls als Nebenpflichten). Vor allem aber fehlt im Zusammenhang mit der Unentgeltlichkeit meist ganz ein rechtsgeschäftlicher Charakter. Die Abgrenzung soll (ganz technisch auf dem Boden der Rechtsgeschäftslehre) danach erfolgen, ob sich die Partner rechtsgeschäftlich binden wollten (Rechtsbindungswille als Voraussetzung einer Willenserklärung; auch der Auftrag kann nur als Vertrag zustande kommen, vgl. § 662). Bloße Gefälligkeitsverhältnisse sind danach kein Rechtsgeschäft also auch kein Auftrag; Unentgeltlichkeit kann einen Hinweis auf Unverbindlichkeit geben.
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Die Abgrenzung zwischen Gefälligkeit oder Geschäftsbesorgung betrifft gesellschaftliches Entgegenkommen, wie die nicht-professionelle Obhut etwa über Kinder, Mitfahrgelegenheit für Anhalter, die Zusage über das Ausfüllen des Lottoscheins bei Tippgemeinschaften, kann aber auch die berufliche Ebene betreffen, z.B. die Gestellung eines Aushilfsfahrers durch einen befreundeten Busunternehmer bei Personalengpässen, die freundschaftlich-kollegiale und deshalb unentgeltliche Erstattung eines Gutachtens zwischen Rechtsanwälten.
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Die Frage der Zuerkennung von Rechtsfolgen bei Gefälligkeiten kann dabei nicht nur aus der Nähe zum Auftrag, sondern auch zu anderen Typenverträgen erfolgen; etwa zur Leihe bei der Überlassung eines Fahrzeugs oder zur Verwahrung bei Garderoben in Gaststätten. Indizielle Bedeutung für den rechtsgeschäftlichen Charakter hat die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber und das mit der Durchführung verbundene Risiko und seine Beherrschbarkeit für den Beauftragten; maßgeblich sind auch die Umstände des Zustandekommens (etwa die Bitte des Mitbewohners einer studentischen Wohngemeinschaft, ihm benötigte Lebensmittel aus der Stadt mitzubringen, ist ausnahmsweise verbindlicher Auftrag, wenn der Mitbewohner sich krankheitsbedingt erkennbar darauf verlassen muss und der Angesprochene die Erfüllung der „Bitte“ zugesagt hat).
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Während das Gefälligkeitsverhältnis charakteristischer Weise gerade keinen Erfüllungsanspruch gibt, können dennoch Haftungsfolgen aus ihm erwachsen; so Schadensersatzansprüche bei „Kündigung“ zur Unzeit analog § 671 Abs. 2 S. 2 (willkürliches Aussetzen eines Beifahrers auf freier Strecke) oder (diametral entgegen § 675 Abs. 2) aus einem außerhalb schuldrechtlicher Kundenbeziehungen gegebenen beruflich-fachlichen Rat in wirtschaftlichen Angelegenheiten, wenn der Beratene erkennbar danach vermögensmäßig disponiert.
Ausgeschlossen sind bei der Gefälligkeit jedoch konkret-rechtsgeschäftliche Pflichten. Beispiel ist das Verbot der Unter„vermietung“ bei der vertraglichen unentgeltlichen Leihe durch § 603 S. 2, dessen Verletzung dann nach § 280 Abs. 1 für jeden folgenden Zufallsschaden haftbar machte (ähnlich das Verbot der Substitution, § 664 Abs. 1 S. 1).
Ausgeschlossen sind bei der Gefälligkeit aber ebenso auch konkret-rechtsgeschäftliche Haftungsprivilegierungen (z.B. aus §§ 521, 599, 690 auf grobe Fahrlässigkeit bei unentgeltlichen Verträgen): Bei der Gefälligkeit bleibt es nach Grund und Umfang bei der deliktischen Haftung nach §§ 823 ff., 276. D.h., der Verleiher eines Pferdes haftet für dessen Ungestüm nur bei grober Pflichtverletzung hinsichtlich notwendiger Vorsichtsmaßnahmen, dagegen der es aus Gefälligkeit Überlassende bereits bei jeder Erkennbarkeit eines drohenden Schadens für den Reiter.
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Eine Zwitterstellung hat die Lottotippgemeinschaft, die zwar Pflichten auf Beitragszahlung und Verteilung vereinnahmter Gewinne begründet, nicht aber eine Haftung des geschäftsführenden Mitspielers bei versäumter Abgabe des Spielscheins auf den darauf entfallenden Gewinn. Eine Verabredung über Empfängnisverhütung in einer Ehe oder Partnerschaft hat dagegen keinerlei (haftungs-)rechtliche Bedeutung (auch nicht im Hinblick auf § 826). Schließlich ist die Probefahrt vor einem Autokauf allein nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (vgl. §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1) zu beurteilen, wobei eine Haftungsbeschränkung des Probefahrers für Unfallschäden am Probefahrzeug auf grobe Fahrlässigkeit greift.
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › E. Treuhandverhältnisse