Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand

Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen - Christoph Hillebrand


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praktisch nur mit Abschlussvertretern, wo hingegen Versicherungsagenturen wohl immer nur Vermittlungsvertreter sind und die Kundenverträge „in der Zentrale“ gezeichnet werden.

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      Wer im eigenen Namen für einen anderen Unternehmer Geschäfte abschließt, ist also nicht Handelsvertreter, sondern u.U. Kommissionär oder Eigenhändler. Dessen unbeschadet kann ein Vertriebsunternehmen im Verhältnis zum einen Unternehmer als Handelsvertreter (also in dessen Namen), zu einem anderen Unternehmer oder aber auch zum gleichen Unternehmer parallel etwa als Kommissionär (im eigenen Namen für fremde Rechnung, vgl. § 343 Abs. 1 HGB) tätig sein; es liegen dann voneinander zu trennende parallele Rechtsverhältnisse vor.

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      Die Erteilung der Vollmacht kann schon im Handelsvertretervertrag liegen und konkludent erfolgen. Geschäftsabschlüsse, die der Handelsvertreter ohne oder unter Überschreitung einer Vollmacht tätigt, gelten nach § 91a HGB als genehmigt, wenn der Unternehmer sie nach Bekanntwerden nicht unverzüglich dem Dritten gegenüber ablehnt (umgekehrte Regelung zu § 177 BGB).

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      Der Gegenstand der vom Handelsvertreter vermittelten Geschäfte ist gesetzlich nicht beschränkt. In Betracht kommen neben dem Warenumsatz (Einkauf und Verkauf) vor allem Überlassungsverträge (z.B. Leasingverträge, Lizenzverträge als Form der Rechtspacht), Dienstverträge (Telefondienste) und Werkverträge (Transportverträge, Reiseleistungen) oder Versicherungsverträge.

      Beispiel:

      Kein Geschäft ist hingegen die Platzierung von Werbung des Unternehmers, weil sie den Vertrieb nur vorbereitet. Hingegen kann der Anzeigenvertrieb für einen Zeitungsverlag Gegenstand eines Handelsvertreterverhältnisses sein. Dienstleister für die Verwertung von Warenbeständen im Zusammenhang mit der Abwicklung von (insolventen) Unternehmen, dienen nicht dem Betrieb des zu liquidierenden Unternehmens und sind nicht Handelsvertreter desselben.

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      Der Handelsvertreter entfaltet seine Tätigkeit „für einen anderen Unternehmer“ (vgl. § 84 Abs. 1 S. 1 HGB); gemeint ist der Rechtsträger eines anderen Unternehmens, dem die vermittelten Geschäfte rechtlich zugeordnet werden und in dessen Namen der Handelsvertreter im Fall des Abschlussvertreters auftritt. Denkbar sind vor allem Gewerbetreibende unabhängig von ihrer Kaufmannseigenschaft (vgl. § 91 Abs. 1 HGB), aber auch freiberuflich tätige Schriftsteller und Künstler, die sich durch einen Agenten (Impresario oder Galeristen) vermarkten lassen.

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      Im Unterschied zum nur punktuell beauftragten Handelsmakler (§ 93 HGB) muss der Handelsvertreter „ständig betraut“ sein, es muss also ein Dauerschuldverhältnis vorliegen, das ihn in das Vertriebssystem des Unternehmers einbindet. Entscheidend ist, dass sich der Handelsvertreter um eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen bemühen muss.

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      Kein Handelsvertreter ist deshalb eine „freie“ Agentur, die lediglich auf Einzelaufträge von Unternehmern hin tätig wird (dann auf Basis von § 675, ggf. auch als Makler). Mehrstufige Handelsvertreterverhältnisse stehen der ständigen Betrauung nicht entgegen, so dass ein Handelsvertreter (Generalvertreter) seinerseits wiederum Handelsvertreter einsetzen kann (vgl. § 84 Abs. 3 HGB).

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      Das Handelsvertreterverhältnis ist vom Gesetz als Zweipersonenverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und seinem Auftraggeber, dem „Unternehmer“, ausgestaltet und aufgrund der Treuhandstruktur nicht synallagmatisch. Das Zustandekommen des Handelsvertretervertrags ist vom Abschluss der durch den Handelsvertreter vermittelten Verträge zu unterscheiden. Er kann formlos geschlossen werden. Lediglich die Übernahme des sog. Delkredere (§ 86b Abs. 1 HGB) oder eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (§ 90a Abs. 1 S. 1 HGB) bedarf der Schriftform. Bei einvernehmlichen Vermittlungstätigkeiten einer Partei kann der Vertrag stillschweigend geschlossen sein.

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      Hersteller und Fachhändler können bei sehr lockerer Verbindung zuerst einen bloßen Rahmenvertrag ohne wechselseitige Rechtspflichten schließen; je enger die Verbindung wird, desto mehr mag die einzelne Verkaufsleistung hinter die dauerhafte Vermittlung der Produkte zurücktreten und das Verhältnis Dienstleistungscharakter annehmen. Handelt der Fachhändler dann nicht (z.B. als Vertragshändler oder im Franchisesystem) im eigenen Namen und für eigene Rechnung, sondern vermittelt er die Kundenverträge etwa nach Katalog direkt mit dem Hersteller (oder handelt sogar als Vertreter in dessen Namen), kommt Handelsvertreterrecht zur Anwendung.

4. Hauptpflichten des Handelsvertreters

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      Der Handelsvertreter hat sich nach § 86 Abs. 1 HGB um die Vermittlung bzw. den Abschluss von Geschäften zu bemühen, also professionelle Anstrengungen in diese Richtung zu entfalten. Im Unterschied zum Handelsmakler (§ 93 Abs. 1 HGB, ebenso zum Zivilmakler, § 652 BGB), den keine Tätigkeitspflicht trifft, übernimmt der Handelsvertreter eine dienstvertragliche Bemühenspflicht als Kehrseite seiner ständigen Betrauung. Der Handelsvertreter hat das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 HGB), insb. das Vertriebsinteresse und ist im Rahmen seines Dauerschuldverhältnisses gerade damit „ständig betraut“ (§ 84 Abs. 1 HGB).

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      Nach § 86 Abs. 2 HGB hat der Handelsvertreter alle erforderlichen Nachrichten und Auskünfte zu geben. Die Benachrichtigungspflicht betrifft insb. seine Vermittlungstätigkeit, also die Abschlussbereitschaft eines Dritten und von ihm getätigte Geschäftsabschlüsse. Er ist verpflichtet, über den Stand seiner Bemühungen und die Aussicht auf Abschlüsse auf Verlangen ebenso Auskunft zu geben, wie über Einzelheiten seiner Tätigkeit, angewandte Werbemethoden, vorbereitende Abreden, aber auch die Annahme von Schmiergeldern ebenso wie über relevante eigene Krankheiten.

      Art, Inhalt und Häufigkeit der Berichte bestimmen sich nach dem objektiven Interesse des Unternehmers von Fall zu Fall, u.U. können, etwa bei Umsatzrückgang, wöchentliche Kundenbesuchsberichte verlangt werden. Es gilt subsidiär § 666, wobei eine Rechenschaftspflicht aufgrund des Handelns in fremdem Namen wohl mehrheitlich unnötig sein wird (vielmehr umgekehrt, vgl. § 87c HGB im Hinblick auf Provisionsansprüche).

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