BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
In der Praxis spielen Ansprüche auf Zinszahlung eine große Rolle: Auf Zinsen beruht das Geschäftsmodell fast aller Banken. Ansprüche auf Zinszahlung können rechtsgeschäftlich begründet sein, so insbesondere beim Darlehensvertrag (vgl § 488 Abs. 1 S. 2). Sie können aber auch gesetzlich begründet sein, wie beispielsweise durch § 288 beim Schuldnerverzug. Im Zinsrecht des Allgemeinen Schuldrechts (§§ 246-248) sind nur wenige Einzelheiten geregelt: der gesetzliche Zinssatz, der Basiszins und das Zinseszinsverbot.
b) Zinsbegriff
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Was Zinsen im Rechtssinn sind, definiert das Gesetz in den §§ 246-248 nicht. Im Wesentlichen gilt ein funktionales Verständnis: Zinsen sind die gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für eine Kapitalgebrauchsmöglichkeit.[57] Oft werden Zinsen monatlich oder wöchentlich gezahlt, aber das ist keineswegs zwingend. Ebenso wenig müssen Zinsen ausdrücklich als Prozentsatz des Kapitals bemessen werden – auch wenn sich das mathematisch wohl immer so darstellen lässt. Nicht wichtig ist auch, ob der Schuldner das Kapital auch tatsächlich benutzt hat. Das ist vielmehr seine Sache. Zinsen liegen jedenfalls schon dann vor, wenn er überhaupt nur die Möglichkeit erhalten hat, das Kapital zu nutzen.[58] Wenn aber nicht die Kapitalnutzungsmöglichkeit vergütet wird, sondern etwas anderes – etwa Aufwand für die Beschaffung des Kredits –, liegen keine Zinsen vor.[59]
c) Akzessorietät
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Zinsen sind mit Blick auf ihre Entstehung akzessorisch. Das bedeutet, dass sie nur entstehen können, wenn es auch tatsächlich eine Kapitalschuld gibt – auf die sich die Zinsen beziehen.[60] Wenn dieser Anspruch gar nicht entstanden ist – etwa, weil ein Darlehensvertrag von Anfang an nichtig ist – kann auch kein Anspruch auf Zinszahlung entstehen. Auch endet die Verzinsungspflicht grundsätzlich, wenn der Hauptanspruch erlischt (Ausnahme: § 803). Ist der Zinsanspruch aber erst einmal entstanden, kann er selbständig abgetreten und eingeklagt werden.
d) Zinssatz – Grundregel, Sonderregeln und Basiszinssatz
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Welcher Zinssatz verlangt werden kann, hängt vom jeweiligen Anspruch ab. § 246 beinhaltet eine Grundregel zur Höhe des Zinssatzes: Er beträgt danach grundsätzlich vier Prozent. In der Praxis wird § 246 allerdings durch zahlreiche speziellere Normen für spezifische Ansprüche auf Zinszahlung verdrängt. Dazu gehören insbesondere §§ 286, 288, 291 BGB und § 352 HGB. Vor allem die praktisch wichtigen Verzugszinsen und Prozesszinsen orientieren sich also am Basiszinssatz: Der Schuldner im Verzug hat gem. § 288 Abs. 1 S. 2 grundsätzlich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (§ 247) zu zahlen. Wenn kein Verbraucher beteiligt ist, gelten gem. § 288 Abs. 2 sogar 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Das Gesetz spricht treffend nicht von „Prozent“, sondern „Prozentpunkten“: Es geht also nicht um eine relative Bemessung, vielmehr wird zum Basiszinssatz schlicht die angegebene absolute Zahl addiert. Durch die Verweisung in § 291 S. 2 gelten diese Zinssätze auch für die Prozesszinsen.
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Der in der Praxis wichtige Basiszinssatz ist in § 247 geregelt, der eine flexible Orientierung der Zinshöhe am Kreditmarkt ermöglicht. Der Basiszinssatz verändert sich halbjährlich nach § 247 Abs. 1 S. 2 und 3. Die jeweils geltenden Basiszinssätze können auf der Homepage der Deutschen Bundesbank eingesehen werden (www.bundesbank.de).
8. Verbot des Zinseszinses (§§ 248, 289 S. 1)
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§ 248 untersagt in Anlehnung an ältere Vorbilder des BGB die vorherige Vereinbarung einer Zahlung von Zinsen auf Zinsen (Zinseszinsen).[61] § 248 wird durch §§ 289 S. 1 und 291 S. 2 ergänzt. Die Norm hat eine doppelte Schutzrichtung: Sie schützt den Schuldner, der die effektiv entstehende Zinsbelastung bei Zinseszinsen vielleicht nur schwer vorhersehen und der durch den Zinseszinsmechanismus besonders belastet sein kann.[62] Die Norm dient also der Rechtsklarheit.[63] Mittelbar bewahrt § 248 Abs. 1 den Schuldner aber auch vor unzumutbar hohen Belastungen. Rechtsfolge des § 248 ist die Nichtigkeit der Abrede, ohne dass § 134 bemüht werden müsste.
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Tatbestandlich sind nur Vereinbarungen „im Voraus“ – also vor Fälligkeit der Zinsforderung – erfasst. Auf Zinsen, die schon fällig sind (sog. „rückständige“ Zinsen) können dagegen Zinsen vereinbart werden. § 248 verlangt außerdem, dass der Zinsbegriff doppelt erfüllt ist, denn es müssen „Zinsen“ auf „Zinsen“ vereinbart sein. Außergewöhnlich hohe Bearbeitungsgebühren können im Voraus vereinbarte Zinseszinsen sein, wenn sie sich auf eine Gesamtkreditsumme beziehen, zu der Zinsen gehören.[64]
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§ 248 gilt in mehreren Fällen nicht. Beispielsweise können gem. § 248 Abs. 2 S. 1 Kreditinstitute Zinseszinsen im Voraus versprechen. Dahinter steht der Gedanke, dass der Schutzzweck der Norm bei Zinseszinsvereinbarungen zu Lasten von Kreditinstituten im Einlagengeschäft nicht eingreift. Auch können Zinseszinsen grundsätzlich gem. § 289 S. 2 als Verzugsschadensersatz (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286) verlangt werden.
9. Lösung Fall 18
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Gem. § 556b Abs. 1 ist die Miete spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Das ist der dritte Werktag eines jeden Monats. Fraglich ist, ob für die Rechtzeitigkeit der Zahlung die Erteilung des Überweisungsauftrags an das Kreditinstitut ausreicht oder vielmehr die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto den maßgeblichen Zeitpunkt darstellt. Das hängt von der Rechtsnatur der Mietschuld ab. Sie ist Geldschuld und damit gem. §§ 270 Abs. 1, Abs. 4, 269 eine qualifizierte Schickschuld: Die Handlungspflicht des Schuldners beschränkt sich auf das Abschicken des Geldes, allerdings – und im Unterschied zur einfachen Schickschuld – trägt der Schuldner das Verlustrisiko (§ 270 Abs. 1). Daher ist die Erteilung des Überweisungsauftrags an das Kreditinstitut bis zum dritten Werktag eines jeden Monats ausreichend und maßgeblich für die Fristwahrung. Daran ändert sich auch durch die Auslegung der Zahlungsverzug-RL durch den EuGH nichts: Für die Zwecke der Zahlungsverzug-RL ist die Gutschrift auf dem Empfängerkonto der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Zahlung.[65] Die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrags ist dagegen ungenügend. Deshalb wird die Geldschuld teilweise nicht mehr als qualifizierte Schickschuld, sondern als (modifizierte) Bringschuld eingeordnet. Das überzeugt aber nicht. Die Zahlungsverzug-RL ist nur im unternehmerischen Rechtsverkehr anwendbar. Man mag einwenden, dass die Rechtzeitigkeit einheitlich beurteilt werden sollte, weil Unterschiede, die vom Verbraucher- bzw Unternehmerstatus des Schuldners abhängen, Rechtsunsicherheit bewirken können.[66] Das überzeugt aber schon deshalb nicht, weil sich ein richtlinienkonformes Ergebnis auch durch die Anwendung der Verzugsregeln erreichen lässt. Die Geldschuld ist deshalb weiterhin qualifizierte Schickschuld. Der Leistungsort ist somit der Wohnsitz des Schuldners. Daher genügt die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrags für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung. Für die verzögerte Übermittlung des Geldes muss der Schuldner nicht einstehen.[67] M hat die Miete stets rechtzeitig iSv § 556b Abs. 1 gezahlt. Sie befand