BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann

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href="#u0c72f7fe-ea32-563f-9248-4d5f2f1d2359">Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 5 Schuldarten › IV. Leistungsbestimmung durch eine Partei oder einen Dritten (§§ 315 ff)

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      Fall 20:

      Die A-AG ist ein großer Stromkonzern und schließt mit der B-AG, die größere Mengen Strom für die Herstellung von Waren benötigt, einen individuell auf die B-AG angepassten Stromlieferungsvertrag. In dem Vertrag ist vorgesehen, dass der zu zahlende Preis für den Strom pro kw/h jährlich durch die A-AG neu bestimmt werden kann, da die A-AG bereits an anderen Stellen Zugeständnisse gemacht hat. Nachdem der Vertrag bereits fünf Jahre gelaufen ist, erhöht die A-AG zu Beginn des nächsten Kalenderjahres den Strompreis um wenige Cent pro kw/h und teilt dies der B-AG auch schriftlich mit. Die B-AG ist damit nicht einverstanden und möchte weiterhin den bisherigen Preis zahlen. Ein Sachverständiger stellt fest, dass die Erhöhung vor dem Hintergrund weltweiter Spannungen und damit verbundener erhöhter Bezugskosten im Grunde genommen angemessen ist. Ist die B-AG verpflichtet, den erhöhten Strompreis zu zahlen? Lösung Rn 239, 242, 246 und 255

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      Ohne Einigung über die wesentlichen Elemente des konkreten Rechtsgeschäfts (essentialia negotii) kommt, so lehrt die Allgemeine Rechtsgeschäftslehre, kein wirksamer Vertrag zustande. Zu den essentialia negotii gehört bei entgeltlichen Verträgen regelmäßig der Preis – etwa der Kaufpreis oder die Vergütung für ein Werk (§ 631) oder für Dienste (§ 611). Nicht immer möchten sich die Parteien aber auf die Höhe des Entgelts von vornherein festlegen: Wenn ich Ihnen mein Fahrrad verkaufe, können wir vereinbaren, dass ich (oder auch Sie) den Kaufpreis erst später bestimmen. Die §§ 315-319 verhindern in so gelagerten Fällen die Unwirksamkeit von Verträgen, bei denen eine Einigung über die essentialia negotii noch nicht vorliegt oder auch Dissens über sie besteht.

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      Nicht nur bei den essentialia negotii, sondern auch bei Leistungsmodalitäten kann der genaue Leistungsinhalt des Vertrages bei Vertragsschluss noch offen sein. Wenn ein Eventmanager eine Sängerin für ein Konzert engagiert, können die beiden vereinbaren, dass später das Programm des Abends festgelegt wird. Auch weitere Einzelheiten können späterer Vereinbarung vorbehalten bleiben: Etwa der Ort, an dem das Konzert stattfinden soll, die Zeit oder Dauer des Konzerts oder auch die genaue Art und Weise der Leistungserbringung. So könnte eine in Jazz und klassischem Konzertgesang gleichermaßen versierte Sängerin ein Jazzkonzert oder auch einen klassischen Liederabend geben. Durch die Parteivereinbarungen und die §§ 315-319 lässt sich der genaue Vertragsinhalt (spätestens) im Erfüllungszeitpunkt ermitteln. Praktisch ist das auch bei Dauerschuldverhältnissen bedeutsam, bei denen sich die Kalkulationsgrundlagen ändern können.

      So ist es in Konstellationen wie der von Fall 20, in denen es um Produkte mit regelmäßigen Preisschwankungen geht, üblich, bindende Preise nur für kurze Zeiträume anzugeben oder – wie hier – eine Anpassungsmöglichkeit vorzusehen.

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2. Leistungsbestimmung durch eine Partei (§§ 315 und 316)

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      Dass in Fall 20 die A-AG die Strompreise nach einem gewissen Zeitraum neu bestimmen soll, entspricht den Interessen der Parteien: Dem Kunden fehlen regelmäßig die nötigen Informationen, um eine realistische Einschätzung zur angemessenen Höhe des Strompreises abgeben zu können. Das gilt für die Bezugskosten ebenso wie für etwaige interne Kostensteigerungen, weshalb eine Bestimmung durch die B-AG hier in keiner Weise sinnvoll erscheint.

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