BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil. Harm Peter Westermann
Dritte jedoch die Bestimmung nach freiem Belieben treffen soll (also nicht nach billigem Ermessen), ist der Vertrag gem. § 319 Abs. 2 unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will, oder wenn er sie verzögert. Das lässt sich damit erklären, dass es bei einer Bestimmung nach freiem Belieben den Parteien regelmäßig gerade darauf ankommt, dass die Bestimmung von dem benannten Dritten erfolgt. Dieser darf lediglich nicht willkürlich handeln oder die Grenzen der §§ 134, 138 überschreiten.[90] Das ist bei einer Bestimmung nach billigem Ermessen anders, bei der es eher um eine inhaltlich billige Bestimmung als um die Person des Bestimmenden geht.
c) Mehrere Dritte
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§ 317 Abs. 2 regelt den Fall, dass mehrere Dritte die Leistungsbestimmung übernehmen. Für die Leistungsbestimmung müssen dann gem. § 317 Abs. 2 1. HS im Zweifel alle Dritte bei der Leistungsbestimmung übereinstimmen. Die Parteien können aber auch anderes vereinbaren, etwa, dass bei fehlender Übereinstimmung die Entscheidung eines der Dritten maßgeblich sein soll oder auch, dass die Bestimmung der Mehrheit der Dritten gelten soll. Wenn es um Summen geht – etwa die Höhe eines Entgelts – ist dagegen gem. § 317 Abs. 2 2. HS im Zweifel die Durchschnittssumme maßgeblich. Das erleichtert in der Praxis die Bestimmung.
4. Lösung Fall 20
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Die B-AG könnte aus dem Stromlieferungsvertrag gemäß § 311 Abs. 1 zur Zahlung des erhöhten Strompreises verpflichtet sein.
I. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die A-AG zur Bestimmung des Strompreises bei etwaigem Änderungsbedarf nach gewissen Zeiträumen berechtigt ist. Die Klausel ist auch wirksam. Insbesondere handelt es sich bei ihr nicht um AGB gemäß §§ 305 ff. Die A-AG hat ihr Bestimmungsrecht gemäß § 315 Abs. 1 ausgeübt.
II. Fraglich ist, ob die Preiserhöhung in dieser Form und Höhe erfolgen konnte. Das setzt voraus, dass die vertraglichen und gesetzlichen Anforderungen an die Bestimmung von der A-AG eingehalten wurden.
1. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass eine Bestimmung der Leistung jährlich neu erfolgen kann. Innerhalb dieses Zeitraums hat A sich bewegt.
2. Des Weiteren ist in der schriftlichen Mitteilung die gemäß § 315 Abs. 2 erforderliche Erklärung zu sehen.
3. Wie die Leistungsbestimmung inhaltlich vorzunehmen ist, haben die Parteien nicht geregelt. Daher muss die Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 1 nach billigem Ermessen erfolgen. Was billigem Ermessen entspricht, ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen im Zeitpunkt der Ausübung des Bestimmungsrechts festzustellen. A hat bei der Preisanpassung die weltweite Belieferungssituation und ihre erhöhten Bezugskosten berücksichtigt; ihre Kosten sind auch nicht etwa anderweitig gesunken. Die Ausübung ist damit im billigen Ermessen erfolgt.
Ergebnis: Die B-AG ist somit aus dem Stromlieferungsvertrag iVm § 315 Abs. 1 zur Zahlung des erhöhten Strompreises verpflichtet.
Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 5 Schuldarten › V. Aufwendungsersatz, Wegnahmerecht, Auskunft und Rechenschaft
V. Aufwendungsersatz, Wegnahmerecht, Auskunft und Rechenschaft
Fall 21:
B betreut gegen Entgelt das Vermögen der A. Im letzten Jahr hat er dabei über 1.000 Transaktionen mit verschiedenen Aktien durchgeführt. Außerdem wurde er vor kurzem von A beauftragt, mehrere hochklassige Sportwagen als Geldanlage zu kaufen. Denn viele Händler wollen diese Wagen aus Imagegründen nicht an den schlecht beleumundeten A verkaufen. B soll daher die Wagen im eigenen Namen kaufen und dann A zukommen lassen. Am 1.10. kauft B in eigenem Namen zehn Sportwagen von Händler C für insgesamt 10.000.000 Euro. Der Kaufpreis soll am 1.11. gezahlt werden. Am 10.10. verlangt B von A Zahlung der 10.000.000 Euro. A verweigert die Zahlung, er will lediglich Sicherheit durch Hinterlegung seiner Wertpapiere in dieser Höhe leisten. Außerdem fordert er B auf, ihm ein Verzeichnis über die erworbenen Sportwagen zu erstellen. Ferner begehrt A eine Aufstellung über die im letzten Jahr durchgeführten Wertpapiertransaktionen.
Frage 1: Was kann B von A hinsichtlich der Sportwagen verlangen?
Frage 2: Kann A die Anfertigung eines Verzeichnisses über die einzelnen erworbenen Sportwagen verlangen?
Frage 3: Kann A die Anfertigung eines Verzeichnisses über die Wertpapiertransaktionen des vergangenen Jahres verlangen? Lösung Rn 276
1. Überblick
256
Die §§ 256-261 regeln Einzelheiten zu Aufwendungsersatzansprüchen, zum Wegnahmerecht und zu Auskunfts- und Rechenschaftsansprüchen. Sie ergänzen im Wesentlichen andernorts befindliche Anspruchsgrundlagen. In Klausuren spielen die Vorschriften eine eher untergeordnete Rolle. Praktisch höchst bedeutsam sind Auskunftsansprüche, die im BGB allerdings keine einheitliche, umfassende Regelung gefunden haben.
a) Normzweck
257
Die §§ 256 und 257 regeln nicht etwa Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs. Vielmehr setzen sie voraus, dass ein Aufwendungsersatzanspruch auf anderer Grundlage bereits begründet ist. Ihre Funktion liegt darin, den Inhalt solcher Ansprüche bezüglich der Zinsen zu konkretisieren.
b) Voraussetzungen des § 256
258
§ 256 setzt voraus, dass ein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht; § 256 ist selbst aber keine Anspruchsgrundlage. Denkbare Anspruchsgrundlagen sind etwa § 284, § 304, § 536a Abs. 2 oder § 670 (Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten).
259
Aufwendungen im Sinne der Norm liegen nur bei freiwilligen Vermögensopfern vor, die dem Interesse eines anderen dienen.[91] Oft geht es um Geldaufwendungen, aber auch die Eingehung von Verbindlichkeiten kann eine Aufwendung iSd § 670 sein. Gleiches gilt für Verwendungen, die einer Sache zugutekommen (vgl §§ 994 ff).[92] Für § 670 und §§ 677, 683, 670 liegen nach der Rechtsprechung des BGH auch bei unfreiwilligen Vermögensopfern in Form von Körper- oder Sachschäden Aufwendungen vor, wenn diese Schäden auf typischen Geschäftsrisiken beruhen – entscheidend ist insoweit die „freiwillige“ Geschäftsübernahme.[93]
c) Rechtsfolge des § 256
260
Gemäß § 256 S. 1 ist der Schuldner des Aufwendungsersatzes auch zur Zinszahlung verpflichtet, sobald der Aufwendungsersatzanspruch entsteht. Verzug des Schuldners ist dafür nicht erforderlich. Für die Zinshöhe gilt grundsätzlich § 246, also der gesetzliche Zinssatz. § 256 S. 2 betrifft Aufwendungen auf herauszugebende Gegenstände (etwa Fütterungskosten bei Tieren). In dieser Konstellation sind keine Zinsen für die Zeit zu zahlen, für die dem Ersatzberechtigten die Nutzungen oder die Früchte des Gegenstands kostenlos verbleiben (also etwa die Früchte des Tieres wie die Milch einer Kuh).
d) Der Befreiungsanspruch aus § 257
261
§