Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
rel="nofollow" href="#ulink_a9aba349-c6a1-5350-b428-de9b39b3801d">Überwachung und Meldewesen22
IV.Verhütung übertragbarer Krankheiten23 – 26
V.Bekämpfung übertragbarer Krankheiten27
VI.Entschädigung28 – 31
Literatur:
Bals/Kuhn Das „Coronavirus“ unter rechtlichen Gesichtspunkten, GesR 2020, 213 ff.; Eibenstein Zur Entschädigung von durch Schließungsandrohungen betroffene Gewerbebetriebe, NVwZ 2020, 930 ff.; Gerhard Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 3. Auflage 2020; Kämmerer/Jischkowski Grundrechtsschutz in der Pandemie – Der „Corona-Lockdown“ im Visier der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, GesR 2020, 341 ff.; Kluckert (Hrsg.) Das neue Infektionsschutzrecht, 2020; Liebold Impfschäden – aktuelle Entwicklungen, ZMGR 2018, 284 ff.; Makoski/Netzer-Nowrocki Die Impfpflicht nach dem Masernschutzgetz, GesR 2020, 427 ff.; Mers Infektionsschutz im liberalen Rechtsstaat, 2019; Ratzel Der Entwurf für ein Masernschutzgesetz, GesR 2019, 560 ff.; Reschke Entschädigungsansprüche für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie, DÖV 2020, 423 ff.; Rixen Die Impfpflicht nach dem Masernschutzgesetz, NJW 2020, 647 ff.; ders. Gesundheitsschutz in der Coronavirus-Krise – Die (Neu-)Regelungen des Infektionsschutzgesetzes, NJW 2020, 1097 ff.; Schaks Die Pflicht zur Verwendung von Kombinationsimpfstoffen gegen Masern – Zur Verfassungsmäßigkeit von § 20 Abs. 8 S. 3 IfSG, MedR 2020, 201 ff.; Schaks/Krahnert Die Einführung einer Impfpflicht zur Bekämpfung der Masern – Eine zulässige staatliche Handlungsoption, MedR 2015, 860 ff.; Stöß/Putzer Entschädigung für Verdienstausfall während der Corona-Pandemie, NJW 2020, 1465 ff.; Welti Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention – was bringt das Präventionsgesetz?, GuP 2015, 211 ff.; ders. Gibt es ein Recht auf bestmögliche Gesundheit?, GesR 2015, 1 ff.
5. Kapitel Infektionsschutzrecht › I. Gesetzliche Grundlagen
I. Gesetzliche Grundlagen
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Das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG) gilt im Wesentlichen seit dem 1.1.2001.[1] Es enthält die Nachfolgenormen des früheren Bundesseuchengesetzes. Historisch entstand der öffentliche Gesundheitsdienst in den Städten des Mittelalters und hatte zunächst nur gesundheitspolizeiliche Aufgaben. Im 17. und 18. Jahrhundert wandelte sich der öffentliche Gesundheitsdienst zu einer Struktur, die in Preußen sowohl Aufgaben der staatlichen Gesundheitsaufsicht als auch Funktionen der kommunalen Gesundheitsfürsorge wahrnahm. Durch das Kreisarztgesetz von 1899 und die zu diesem Gesetz erlassenen Dienstanweisungen wurden die Aufgaben des Kreisarztes in verschiedene Arbeitsschwerpunkte gegliedert. Diese Gliederung ist in den traditionellen Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes auch heute noch und gerade in der aktuellen Krise noch erkennbar. Der Anspruch des IfSG geht aber darüber hinaus. Gemäß § 1 Abs. 1 IfSG ist Zweck des Gesetzes übertragbare Krankheiten bei Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. § 1 Abs. 2 IfSG bestimmt den Grundsatz weitgehender Kooperation sämtlicher Verwaltungsebenen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, Angehörigen der Heilberufe, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen und Unternehmen. Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt, wie einschneidend die meist sehr weit und allgemein gefassten Befugnisse gehen und in der täglichen Praxis auch Anwendung finden. Die Eingriffsdichte und -tiefe staatlicher (Zwangs-)Maßnahmen stellt alles in den Schatten, was man landläufig im öffentlichen Gesundheitsverwaltungsrecht kennt („Allgemeinverfügung mit Sofortvollzug“[2]). Jüngste Kompetenz-Erweiterungen des Bundesgesundheitsministers zur Verordnungsermächtigung[3] zur Sicherstellung der Versorgung mit Arznei-, Heilmitteln, mit Medizinprodukten, Produkten der Desinfektion und Labordiagnostik ohne Mitwirkung des Bundestages stoßen unter verfassungsrechtlicher Sicht auf erste kritische Stimmen.[4] Diese Maßnahmen sind allerdings zunächst bis zum 31.3.2021 befristet. Die Ausführungsverantwortung lag bislang weitgehend bei den Ländern, die insbesondere in Zuständigkeitsfragen entsprechende Rechtsverordnungen erlassen haben. Die Kompetenzen des Bundes sind aktuell aber nochmals erweitert worden. Im Falle einer bundesweiten Epidemie kann der Bund nunmehr Anordnungen treffen, die den grenzüberschreitenden Personenverkehr einschränken oder Maßnahmen festlegen, um die Identität und den Gesundheitszustand der Einreisenden festzustellen.[5] Ob die Globalermächtigungen des Bundesgesundheitsministers im neu gefassten § 5 Abs. 2 der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern genügt (bislang waren die Länder für die Ausführung des IfSG zuständig) ist hoch umstritten.[6] Dies wird insbesondere hinsichtlich der Frage der seit dem 8.8.2020 eingeführten Verpflichtung zur Duldung von Zwangstests bei Rückkehrern aus Risikogebieten deutlich.[7] Offenbar hat man im BMG diese Problematik erkannt und eine andere Ermächtigungsnorm gewählt. Gem. § 1 der zur Verordnung Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom 6.8.2020[8] gilt die Testpflicht für:
„(1) Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 14 Tagen vor der Einreise in einem Gebiet aufgehalten haben, in dem ein erhöhtes Infektionsrisiko mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht, haben nach ihrer Einreise auf Anforderung des zuständigen Gesundheitsamtes oder der sonstigen vom Land bestimmten Stelle ein ärztliches Zeugnis nach Maßgabe des Absatzes 2 darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorhanden sind. Die Anforderung nach Satz 1 kann bis zu 14 Tage nach Einreise erfolgen. Gebiete im Sinne des Satzes 1 sind die Gebiete, die das Robert Koch-Institut zum Zeitpunkt der Einreise auf seiner Internetseite unter https://www.rki.de/covid-19-risikogebiete veröffentlicht hat.
(2) Das ärztliche Zeugnis muss in deutscher oder in englischer Sprache verfasst sein und sich auf eine molekular- biologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem sonstigen Staat durchgeführt worden ist, der durch das Robert Koch-Institut auf seiner Internetseite unter https://www.rki.de/covid-19-tests veröffentlicht worden ist. Die molekularbiologische Testung darf, soweit sie vor Einreise in die Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat, höchstens 48 Stunden vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen worden sein.
(3) Die ärztliche Untersuchung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die Personen nach § 36 Absatz 7 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes verpflichtet sind zu dulden, weil sie nicht ihrer Pflicht nach Absatz 1 Satz 1 nachkommen, umfasst eine molekularbiologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 einschließlich einer Abstrichnahme zur Gewinnung des Probenmaterials.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 gilt nicht für Personen, die lediglich durch ein Risikogebiet durchgereist sind und dort keinen Zwischenaufenthalt hatten oder die aufgrund einer landesrechtlich vorgesehenen Ausnahme an ihrem Wohnsitz oder ihrem ersten sonstigen Aufenthaltsort keiner Verpflichtung zur häuslichen Absonderung nach der Einreise aus einem Risikogebiet unterliegen.
(5) Eine nach Landesrecht angeordnete Verpflichtung zur Absonderung nach der Einreise aus einem Risikogebiet bleibt unberührt. Weitergehende Regelungen und Einzelmaßnahmen der Länder nach dem Infektionsschutzgesetz