Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Amhaouach/Kießling MedR 2019, 853 eher zurückhaltend.
So auch für die notwendige Blutübertragung bei unter 14 Jahre alten Kindern von Zeugen Jehovas OLG Hamm Urt. v. 10.10.1967 – 3 Ss 1150/67, NJW 1968, 212, Weigerung der Eltern ist unterlassene Hilfeleistung; siehe auch Ulsenheimer Rn. 396.
Neudeutsch „Polygamie“.
BSG Urt. v. 19.3.2002 – B 1 KR 37/00 R, BSGE 89, 184 ff.; i.d.S. auch LSG NRW Urt. v. 19.8.2002 – L 16 KR 79/03; BSG Urt. v. 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R.
Zu den rechtlichen Folgefragen Goecke NZS 2002, 620 ff.; Schimmelpfeng-Schütte GesR 2004, 361, 364; dies. MedR 2004, 655 ff.; Wölk ZMGR 2006, 3 ff.; BVerfG Beschl. v. 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236; BVerfG Beschl. v. 19.3.2004 – 1 BvR 131/04, GesR 2004, 246 ff.; Niemann NZS 2004, 254 ff.
BSG Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 27/02 R, GesR 2005, 322; Visudyne (zugelassen in der Schweiz und den USA) zur Therapie des Aderhautkolons im Kindesalter; siehe auch BVerfG Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 347/98, GesR 2006, 72; BSG Urt. v. 8.9.2009 – B 1 KR 1/09 B.
BVerfG Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 347/98, GesR 2006, 72; BVerfG Beschl. v. 29.11.2007 – 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365; BVerfG Beschl. v. 26.2.2013 – 1 BvR 2045/12, NJW 2013, 1664.
Deshalb erschienen erste Bewertungen der Entscheidung in der Publikumspresse zu allgemein. Dies hat das BSG im anschließenden Vergleich, mit dem das Verfahren nach der Aufhebung durch das BVerfG abgeschlossen wurde, deutlich herausgearbeitet; siehe hierzu veröffentlichtes Sitzungsprotokoll vom 27.3.2006 – B 1 KR 28/05 R, Termin-Bericht Nr. 20/06 des BSG.
BSG Urt. v. 4.4.2006 – B 1 KR 12/05 R, GesR 2006, 421; BSG Urt. v. 4.4.2006 – B 1 KR 12/04 R, NZS 2007, 88 (beide ablehnend); BSG Urt. v. 4.4.2006 – B 1 KR 7/05 R, GesR 2007, 24 (zustimmend); siehe auch LSG Hessen Urt. v. 15.1.2009 – L 1 KR 51/05, juris, GKV ja, wenn notstandsähnliche Situation.
BVerfG Beschl. v. 11.4.2017 – 1 BvR 452/17, GesR 2017, 509 = MedR 2017, 954; BVerfG Beschl. v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15, NJW 2017, 545.
Hauck NJW 2007, 1320, 1323.
Roters NZS 2007, 176 ff.
4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland › D. Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG
D. Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG
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Die Menschenwürde betrifft insbesondere die Achtung und den Schutz der körperlichen Integrität, die Sicherung menschengerechter Lebensgrundlagen, die Gewährleistung elementarer Rechtsgleichheit sowie die Wahrung der personalen Identität und Integrität.[1] Die Absolutheit des Wortlauts der Norm darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit nach h.M. keineswegs jedwede Beeinträchtigung unzulässig ist, sondern nur der sog. „Kernbereich“ menschlicher Existenz vor schwereren Beeinträchtigungen geschützt werden soll. Höfling[2] spricht daher zu Recht von einer sog. „Tabugrenze“. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[3] behilft sich mit der sog. „Objekt-Subjekt-Formel“, d.h. der Mensch dürfe nicht zum bloßen Objekt herabgewürdigt werden. Wie schwierig die Menschenwürde im Rahmen konkreter Fragestellungen als Abgrenzungskriterium zu handhaben ist, zeigt die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik[4] (hierzu s. Kap. 29 Rn. 28 ff. und zur gesetzlichen Neuregelung in § 3a ESchG[5] m.w.N.) und das therapeutische Klonen. Selbst wenn man unter Auslegung einfachen Rechts zu einer Zulässigkeit der PID gelangen könne, bleibe letztlich der verfassungsrechtliche Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), der auch dem Embryo von Anfang an, und nicht erst nach Nidation, zustehe.[6] Die gegenteilige Auffassung könne sich nicht auf die Entscheidungen des BVerfG zu § 218 StGB berufen, da dort nur die Phase ab Nidation zur Entscheidung anstand. Kritiker[7] verweisen demgegenüber darauf, dass es keine absolute Unantastbarkeit gebe. Dies zeigten nicht nur die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des § 218 StGB, wo gerade der Anspruch der einen Existenz gegenüber der anderen relativiert werde (im Indikationenmodell), sondern auch die arzneimittel- und medizinproduktrechtliche Zulassung nidationshemmender Mittel. Wenn auf die Vollkommenheit des genetischen codes mit Abschluss der Befruchtung und damit der Beginn des Menschseins abgestellt werde, vergesse man, dass diese Würde erst richtig „mit Leben“ erfüllt werde, wenn die Nidation gelinge.[8] Ohne Nidation bleibt eben alles Stückwerk, dem absoluten Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG zum Trotz. Die Fragestellung spitzt sich im Bereich des therapeutischen Klonens zu. Denn zu Recht drängt sich hier die Frage nach der reinen Instrumentalisierung von Embryonen geradezu auf. Deshalb könnte man es sich einfach machen und alleine mit Verweis auf die Entscheidungen des BVerfG[9] zu § 218 StGB schon eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG sehen. Dass dies nicht zwingend ist, zeigen die mindestens drei weiteren Grundpositionen zu der Frage, inwieweit der Embryo „Menschenwürde“ innehabe.[10] Während die extreme Gegenposition[11] Menschenwürde nur dem geborenen Menschen zusprechen will, trennen andere wiederum zwischen Mensch und Person. Zunehmende Relevanz bekommt die Konzeption eines „abgestuften Menschenwürdeschutzes“, der zwar grundsätzlich die Konzeption als „Initialzündung“ für die Potentialität eines Menschen akzeptiert, was aber nicht zwingend bedeute, dass der Embryo von Anfang an Träger der Menschenwürde sein könne oder gar müsse.[12] Dies könne z.B. dann verneint werden, wenn noch keine Individuation (also z.B. vor der Nidation) eingetreten sei oder feststehe, dass diese nie eintrete,[13] was im Falle des therapeutischen Klonens ja gerade der Regelfall ist.
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So sehr das Konzept des „abgestuften Menschenwürdeschutzes“ für den Beginn des Lebens z.B. im Rahmen der Diskussion um § 218 passen kann, so problematisch können ähnliche Überlegungen am Ende des Lebens sein. Denn zweifellos hat gerade der Moribunde besonderen Anspruch auf Achtung seiner Würde, was nicht zuletzt im Respekt vor der noch bei Entscheidungsfähigkeit geäußerten Verfügung über lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen zum Ausdruck kommt.[14] Dies zeigt die anhaltende Diskussion um die Zulässigkeit der Sterbehilfe oder das Begleiten im Sterben durch Ärzte. Während die Bundesärztekammer[15] einen eher restriktiven Standpunkt einnimmt und § 16 MBO sogar ein Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe enthält[16], stellt die neuere Rechtsprechung eher das Selbstbestimmungsrecht als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in den Vordergrund.[17] Aus der Entscheidung des BGH[18] vom 2.4.2019 lässt sich nichts gegenteiliges herleiten, weil