Der Jäger und sein Ziel .... Gerd H. Meyden

Der Jäger und sein Ziel ... - Gerd H. Meyden


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mir mein Vater, er hätte den Amerikanern klargemacht, sein Sohn sei doch kein Hund, den man weiterverkaufe. Anschließend verbot er mir weitere Begegnungen mit dem jagenden Ami. Die Fahrten ins Amper-Moos waren sowieso vorerst vorbei, denn ich hatte ja nun kein Radl mehr.

      Ein Jahr ging ins Land, da bekam ich nicht nur ein gebrauchtes Fahrrad, sondern es war mir gelungen, auf finsteren Tauschhandelswegen ein Luftgewehr zu ergattern.

      Das war ein sogenannter Bügelspanner. Der Luftkolben auf dem Schaft wurde mit einem seitlich ausschwenkbaren Hebel – dem Bügel – gespannt und mit Pressluft gefüllt. Man musste höllisch achtgeben, dass der Bügel auch wieder am Lauf eingerastet war, denn wenn er noch ein wenig herausstand, dann schnappte er bei Abgabe des Schusses gefährlich zurück und konnte einem ernstlich die Hand verletzen. Geschossen hat das Ding sehr genau und mit enormer Durchschlagskraft. Das eröffnete mir ungeahnte Jagdmöglichkeiten. Jetzt konnte ich jagen, ganz nach dem schönen Lied, in dem es heißt: „Ich bin ein freier Wildbratschütz und hab ein weit’ Revier. So weit die braune Heide reicht, gehört das Jagen mir.“

      Zu meinen Streifzügen band ich die Büchse an die obere Rahmenstange des Radls und konnte sie, wenn ich ein „Wild“ entdeckt hatte, schnell losbinden und schussfertig machen.

      Nun waren Tauben und Häher nicht mehr sicher. Doch mir stand der Sinn nach Höherem.

      Wir hatten Freunde in Leoni am Starnberger See. Dorthin fuhr die Familie oftmals zu Besuch. Diese Freunde hatten ein eigenes Bootshaus direkt an ihrem Grundstück am See. Und dort gab’s – Enten!

      In den Ferien war ich schon öfter dort gewesen und bat nun die Freunde, ob ich nicht übers Wochenende kommen dürfe.

      Die Büchse wurde, wie immer, an der oberen Stange des Radls vertäut, meine sonstigen Sachen kamen in den Rucksack – und ab ging die Fahrt, diesmal ohne Strolchi, zum Starnberger See.

      Die Reise führte durch das malerische Mühltal, durch das sich die Würm, der Abfluss des Starnberger Sees, daher auch Würmsee genannt, schlängelt. Da erblickte ich ein ganz seltenes Jagdwild. Eine Wasseramsel. Die zu erlegen entsprach keinesfalls der Weidgerechtigkeit, von welcher der alte Lehrmeister Hartig geschrieben hatte, und der ich mich verpflichtet fühlte. Doch Weidgerechtigkeit hin oder her, dieser seltene Vogel ließ alles vergessen.

      Ich stellte mein Radl ab, löste aus der Verschnürung das Luftgewehr und pirschte mich an. Doch wo war nun der Vogel? Bald tauchte die Wasseramsel mal hier, mal dort auf, saß kurzzeitig mit wippendem Schwänzchen auf einem Stein, und bis ich schießen konnte, war sie erneut abgetaucht. Das konnte nicht gut gehen. Endlich kam ich zu Schuss, doch da war sie schon wieder weggetaucht, und bei ihrem erneuten Erscheinen schwirrte sie unerreichbar weit davon. Ein wenig enttäuscht band ich meine Büchse wieder an die Radlstange und strampelte, diesmal ohne Unterbrechung, weiter nach Leoni.

      Dort war man ein wenig erstaunt über meine Bewaffnung, doch in jener Zeit wurde nicht viel nachgefragt oder sich gar gewundert.

      Mein Plan war, vom Bootshaus aus die Enten anzufüttern und dann eine nach der anderen „abzuknipsen“. Man verzeihe mir diesen respektlosen Ausdruck, doch gierig, wie ich war, passt kein anderer Ausdruck besser.

      Es klappte. Aber leider nur ein erstes und einziges Mal. Die mit Kopfschuss – es musste auch einer sein, denn das Kügerl wäre nie durchs Gefieder gedrungen – getroffene Ente machte mit klatschendem Flügelschlagen und im Kreis herumrudernd einen gewaltigen Aufstand. Die anderen Enten flohen und kamen vorerst nicht wieder.

      Als ich anderntags, wieder daheim, stolz meine Beute ablieferte, machte nun mein Vater den Aufstand. Das Luftgewehr wurde vorerst eingezogen. Er hatte bislang nichts von den heimlichen Aktivitäten seines Sprösslings geahnt. Kein Wunder auch, denn die Eltern hatten nach Verlust von Hab und Gut, Haus und Heimat mit dem Wiederaufbau andere Probleme, als nachzufragen „was machst du denn so in der Freizeit?“

      Es dauerte nicht lange, da kam ich in eine kleine Jungjäger- und Jagdhornbläsergruppe – einer der ersten in Bayern – und in den Kreis des Grafen von Bülow-Dennewitz. Mein Vater kannte ihn bereits von früher. Da hatte ich den allerbesten Lehrmeister gefunden. Er lenkte die überschäumende Jagdpassion des Heranwachsenden in die richtigen Bahnen. Er lehrte mich, anständig mit Ethik und Respekt vor den Mitgeschöpfen zu jagen. Die Ansichten des ehrenwerten Forstmeisters Hartig waren die von vor über 200 Jahren. Seitdem hat sich in dieser Richtung viel, und, wie mir Graf Bülow zeigte, positiv verändert.

      Mein Vater unterstützte die Führung durch diesen untadeligen Weidmann nach Kräften. Er sah, dass eine Wildererkarriere böse enden würde. Als ich dann, noch bevor mein 16. Lebensjahr vollendet war, ihm stolz das Zeugnis der bestandenen Jägerprüfung auf den Tisch legte, versprach er mir einen großzügigen Zuschuss zum Kauf einer ersten Jagdwaffe. Den Rest sollte ich mir selber zuverdienen. Im Jahr darauf brachte er von einer Geschäftsreise eine Deutsch-Kurzhaar-Hündin – Alexa v. d. Römerstraße – mit. Er hatte sie zufällig bei der Wasserarbeit beobachten können, worauf er sie spontan dem Besitzer, einem ehemaligen Berufsjäger des Grafen Silva-Tarouca, abkaufte. Sie wurde dann die Begründerin einer überaus erfolgreichen „Hundedynastie“, könnte man sagen. Eine ihrer Nachkommen, meine „Cita“, war der seinerzeit höchstprämierte Deutsch-Kurzhaar.

      Mein kleiner Strolchi hingegen endete tragisch. Eine Tante, die auf Besuch bei uns weilte, begleitete mich zum Vorortszug, der mich wie jeden Tag ins Gymnasium nach München bringen würde. Dabei entkam ihr der kleine Hund und rannte dem Zug hinterdrein, der sein Herrchen entführte. Seine Anhänglichkeit endete dramatisch, und ich versank in tiefer Trauer.

      Jagdwaffe und Jagdhund haben sich geändert, aber das Steinschleuderschießen habe ich bis heute nicht verlernt. Es kam mir stets bei der Erziehung meiner vielen Jagdhunde zur Hilfe. Es war und ist mein verlängerter Arm. Natürlich mit anderer „Munition“ als Steine oder Pistolengeschoße. Ich nehme Splitt oder Reiskörner. Das gibt keine Verletzungen, aber der Effekt ist „schlagartig“.

      Und zu wildern brauchte ich seitdem auch nie mehr.

       Welcher Gegenstand macht Sie glücklich?

      Kürzlich erzählten im Freitags-Magazin der Süddeutschen Zeitung die Prominenten unserer Tage, welche Gegenstände sie glücklich machen. Da konnte der staunende Leser erfahren, dass ein berühmter Koch sein Nakiri-Messer oder dass Reinhold Messner den Kletterhammer eines lang verblichenen, berühmten Bergsteigers nannte. Das erscheint einigermaßen logisch und nachvollziehbar. Einen anderen Prominenten machte seine Rolex glücklich. Das kann ich in meinem Fall nicht behaupten, denn ich habe die meinige verkauft, weil sie weder Hämmern noch Holzhacken vertrug. Doch wenn jemand eine japanische Kloschüssel, eine Wärmflasche, einen Wecker oder gar einen Rechenschieber dazu erwählt hat, dann muss auch eine besondere Geschichte dahinterstecken.

      Meine Wahl braucht kein langes Überlegen: Da hängt sie am schmiedeeisernen Haken und scheint mich aufzufordern: „Auf, auf, schlupf rein! Geh’ mer zum Jagern!“ Sie haben es sicher erraten: Es ist nichts anderes als eine alte Lodenjoppe.

      Auf den meisten Jagden war sie meine Wohnung, mein Begleiter. Selbst bei meinen Jagdreisen in die Mongolei war sie ein Stück Heimat. Der Schnitt, ohne Revers und Umschlag-Kragen, mit der geraden, hochgeschlossenen Knopfleiste, entspricht zufällig dem der Ostasiaten. Nehru, Mao, um nur ein paar Prominente zu nennen, trugen Jacken in diesem schlichten Schnitt. Nur hatten deren Jacken keine bequeme Rücken-Quetschfalte mit den aufapplizierten Seerosenblättern der Tegernseer Meister, und vor allem fehlten ihnen die Hirschhornknöpfe.

      Als das heißgeliebte Kleidungsstück nach Jahren auseinanderzufallen drohte, hat ihr ein Schneidermeister in unserem Dorf, der alte Dinge noch zu schätzen wusste, ein neues Leben geschenkt. Zuvor wollte ich das heute 53 Jahre alte Stück reinigen lassen. Doch die Firma schickte mein Lieblingsstück unbehandelt retour, mit dem Vermerk, es würde hernach nicht mehr zu gebrauchen sein. Die Ärmelabschlüsse, Kragen, Knopflöcher, die Einfassung der Schubtaschen, alles war total abgewetzt und wurde nun vom dörflichen Meister mit weichem Rehleder eingefasst. Die rechte Schulter war vom Büchsriemen fast gänzlich durchgescheuert.


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