Frau Kaiser und der Dämon. Ulla Garden
sie anzufassen“, wieder grinste er verlegen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ja, und dann kam Jessica. Wie ihr wisst, habe ich sie und ihren Vater auf einem Kongress in Hannover kennengelernt und der Alte hat mich immer wieder während der drei Tage in Gespräche verwickelt und mich dann wohl für geeignet als Schwiegersohn befunden. Jedenfalls hatte er Jessica befohlen, mich zu verführen, was ihr auch bestens gelungen ist. Sie sah ja super aus und wenn eine Frau mich so richtig umgarnt, da werde ich schwach.“ Er hob entschuldigend die Schultern. „Ihr habt sie ja kennengelernt und gemeint, dass sie gefühlskalt ist. Das Problem ist, dass sie lesbisch ist. Da ihr Vater aber unbedingt einen Nachfolger für die Kanzlei haben wollte, hatte sie sich auf das Spiel eingelassen. Aber sie hat sich jedes Mal vor dem Sex betrunken. Das hat echt keinen Spaß gemacht und außerdem konnte ich Lene nicht wirklich vergessen.“ Er machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser, das Susanne mittlerweile eingeschenkt hatte.
„Den Rest wisst ihr ja. Max hat Lene gedrängt, zu mir nach Hamburg zu fahren, mir ist er mächtig auf die Füße getreten und hat mich eindringlich gebeten, es nicht wieder zu versauen und sie auch wirklich zu treffen.“ Er lächelte bei dem Gedanken an ihr Treffen in Hamburg und die schöne erste Nacht, die sie zusammen verbracht hatten. Wieder entstand eine lange Pause.
„Wie war das eigentlich, warum hat Tante Elisabeth sich damals das Leben genommen?“, wechselte Johannes dann plötzlich das Thema.
Die Eltern zögerten, bevor Paul antwortete: „Meine Schwester war psychisch krank und sollte in eine Anstalt eingewiesen werden und da hat sie sich vor einen Zug geworfen. Warum willst du das wissen?“
„Mein Therapeut hat mich gefragt, ob es in unserer Familie psychische Erkrankungen gibt oder gegeben hat. Ich war ja noch klein, als das mit Tante Elisabeth passiert ist und deshalb war ich mir nicht sicher, was die Ursache war. Ich hab nur so Gerüchte gehört, von wegen gemütskrank, konnte mir aber nichts darunter vorstellen. Meint ihr, das ist erblich?“, wollte er dann wissen.
„Keine Ahnung“, antwortete Susanne, „das muss dir dein Arzt doch sagen können.
„Hm, ja klar, ich werde ihn auf jeden Fall das nächste Mal fragen. Ich dachte nur an die Kinder, ich hoffe inständig, dass die gesund sind.“
Susanne nickte. „Ja, das hoffen wir auch. Aber wenn es wirklich vererbbar ist, dann gilt das ja auch für die Kinder von Gabi und falls Max doch mal Nachwuchs produzieren sollte, betrifft es ihn ebenfalls. Ihr habt ja alle denselben Vater.“ Sie seufzte tief und meinte dann: „Hoffen wir das Beste. Das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass du deine Probleme endlich in den Griff bekommst und dass Leni wieder gesund wird.“
Währenddessen dachte Leni weiter darüber nach, was wohl mit ihr sein könnte und hatte Angst, dass sie behindert bleiben würde. Sie versuchte, Max zu erklären, dass sie jetzt fleißig ihre Übungen machte und auch das Sprechen ging schon ein wenig besser. Außerdem versuchte sie ihre Schließmuskeln zu kontrollieren, damit sie bald keine Windeln mehr brauchte.
Max sah sie erstaunt an, als sie nach einer Pflegerin klingelte und sie erklärte ihm, dass sie aufs Klo müsse. Als die Pflegerin ins Zimmer kam und Leni es ihr gesagt hatte, wollte die ihr eine Bettpfanne bringen. Dies lehnte Leni aber vehement ab, denn das wäre ihr doch wirklich zu peinlich gewesen. Also bat die Pflegerin Max um Hilfe und gemeinsam brachten sie Leni in das angrenzende kleine Badezimmer. Max hatte diskret das Badezimmer wieder verlassen und Leni schickte die Pflegerin ebenfalls vor die Tür. Sie saß dann stolz wie eine Königin auf dem Thron und freute sich, dass sie dieses Mal ihren Stuhlgang beherrscht hatte.
Die Pflegerin lobte sie anschließend, indem sie meinte: „Na Dornröschen, Sie machen jetzt aber mächtige Fortschritte“, was Leni dankbar lächelnd zur Kenntnis nahm.
Nachdem sie wieder in ihrem Bett war, bemühte sich Max, sie abzulenken, indem er versuchte, rauszufinden, an was sie sich erinnern konnte. Der Dialog war wegen ihrer Sprachstörung schwierig, aber er gab nicht so schnell auf. Er fragte sie nach ihrem Namen.
„Leni, also Helene Kaiser.“
„Und weiter, das ist doch nicht dein ganzer Name.“
Sie sah ihn verwundert an und versuchte es nochmal: „Helene Marie Kaiser.“
Max zeigte auf ihren Ehering: „Nun?“ Aber Leni verstand nicht, was er ihr sagen wollte.
„Du heißt doch Helene Kaiser-von Moeltenhoff. Hast du das etwa vergessen?“
Leni schaute betrübt und kramte in ihrem Gedächtnis, dann lächelte sie.
„Hm ja“ sie versuchte Max zu erklären, dass sie seinen an ihren angehängt hatte, weil Johannes so unglücklich war, als sie ihm gesagt hatte, dass sie ihren Namen behalten wollte.“
Max hatte große Mühe sie zu verstehen, aber da er die Geschichte weitgehend kannte, nickte er.
„Gut und was bist du von und Beruf?“ Sie strahle ihn an und versuchte, das Wort Architektin auszusprechen. Als er sie aber fragte, wo sie wohne, antwortete sie prompt: „In Freiburg.“
„Überleg mal, Leni, wo sind wir hier?“
Sie sah ihn mit großen Augen an und zuckte die Schultern. „Ich dachte, in der Uniklinik,“ stammelte sie. Max schüttelte den Kopf. „Ist dir nicht der Dialekt des Personals aufgefallen?“
„Hm, ja schon, aber polnisch und sächsisch hört man bei uns ja auch viel“, versuchte sie zu sagen.
Max lachte. „Erinnerst du dich nicht, dass du zu Joey nach Leipzig gezogen bist?“
„Leipzig?“ Sie schüttelte den Kopf und Tränen traten ihr in die Augen.
„Erinnerst du dich an eure Hochzeit?“, wollte er dann wissen. Wieder sah Leni ihn groß an und er deutete auf den Ring an ihrem rechten Ringfinger. Sie lächelte und sagte: „Jo.“
„Ja, Leni, er ist dein Mann.“ Sie nickte glücklich lächelnd und er zeigte ihr auf seinem Handy ein Bild von ihrer kirchlichen Trauung vor wenigen Monaten. Sie schaute es lange an und zog die Stirn kraus. Er merkte, wie es in ihr arbeitete und ließ es für diesen Tag gut sein.
„Ich denke, wir sollten jetzt schlafen oder was denkst du?“
Sie sah ihn zunächst erstaunt an und wollte dann wissen, ob er in dem Bett von Jo schlafen werde.
„Wenn es für dich okay ist, dann bleibe ich heute Nacht hier. Ich weiß ja nicht, wie lange der Familienrat tagt.“ Als sie nickte, schrieb er seinem Bruder eine kurze Nachricht, nicht dass der doch noch auf die Idee kam, mitten in der Nacht in der Klinik aufzutauchen.
Leni schlief schlecht in dieser Nacht. Sie machte sich Gedanken, warum Max bei ihr war und nicht ihr Mann. Zudem war es ihr irgendwie unangenehm, dass Max mit ihr in einem Zimmer schlief. Aber ganz alleine sein wollte sie wiederum auch nicht. Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchte sie, sich an die Hochzeit und ihren Umzug nach Leipzig zu erinnern. An die standesamtliche Trauung in Freiburg konnte sie sich jetzt erinnern, vor allem daran, wie sehr Johannes sich gefreut hatte, als sie ihm nach der Trauung ins Ohr geflüstert hatte, dass sie schwanger sei. Aber alles andere lag noch ziemlich im Nebel.
Am nächsten Morgen war das Pflegepersonal zunächst ziemlich erstaunt, als sie einen fremden Mann in dem zweiten Bett vorfanden. Max erklärte, dass sein Bruder aus familiären Gründen mit den Eltern zu Hause bleiben musste und dass er sich deshalb um seine Schwägerin gekümmert habe. Während Leni frisch gemacht wurde, ging er in die Cafeteria, um zu frühstücken. Als er zurückkam, war gerade die Physiotherapeutin mit ihr beschäftigt und er bewunderte ihre Fortschritte und den Eifer, mit dem sie bei der Sache war. Wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft war es nicht so einfach, sie auf die Füße zu stellen, um ein paar Schritte mit ihr zu laufen, aber als Max dann mithalf, ging es schon ganz gut. Als er ihren zarten Körper so nah spürte, wurde ihm wieder bewusst, wie sehr er diese Frau liebte und er fragte sich, wie schon so oft, warum er sie seinem Bruder überlassen hatte.
Nach der Therapie war Leni ziemlich erschöpft und machte für einen Moment die Augen zu. Max konnte nicht anders, er streichelte zärtlich ihre