Frau Kaiser und der Dämon. Ulla Garden
dieser Wandel?“, versuchte Susanne, ihren Sohn zum Sprechen zu animieren.
„Ja Mutti, Lene ist genau die Frau, die ich gesucht habe“, bestätigte er und ein kleines Lächeln huschte über sein ernstes Gesicht. „Sie macht mich unendlich glücklich und ich hatte gehofft, dass alle meine Probleme damit gelöst wären.“
„Was denn für Probleme, Joe?“, fragte Paul jetzt vorsichtig nach.
Johannes seufzte und hatte sichtlich Mühe, sich zu überwinden, mit seinen Eltern über das, was ihn schon seit seiner Jugend belastete, zu reden. Die Eltern sahen ihn auffordernd an und nach einigem Zögern begann er zu erzählen: „Na ja, ihr wisst doch selber, dass Max schon als kleiner Junge festgestellt hat, dass meiner“, er deutete auf seinen Schritt, „um einiges größer ist als seiner“. Die Eltern nickten. „Ihr habt ihm damals noch erzählt, dass ich ja älter und größer sei und seiner sicher noch wachsen würde, aber mit dieser Erklärung gab er sich natürlich nicht lange zufrieden. Als wir dann älter wurden, hat er immer so getan, als wäre ich abnormal, bis ich es wirklich geglaubt habe.“ Die Eltern schauten sich betreten an und nickten wiederum.
„Als uns dann später die ganzen Mädchen nachliefen, hat er eine nach der andern flachgelegt, das wisst ihr ja auch. Mir hat er dauernd erzählt, dass ich mit meinem Riesending die Mädchen kaputt machen würde und deshalb habe ich mich lange gar nicht getraut, es mit einer zu versuchen“.
Er sah jetzt seinen Vater vorwurfsvoll an: „Und du warst mir ja auch keine große Hilfe. Hättest du mir mal gesagt, dass ich ganz normal bin, dann hätte ich vielleicht keine so mächtigen Komplexe aufgebaut.“
Susanne sah ihren Mann vorwurfsvoll an: „Der Junge wollte mit dir reden?“, fragte sie ihn dann.
Paul wand sich: „Na ja, ich bin in solchen Sachen wohl auch nicht der große Ratgeber“, meinte er leicht verlegen.
Susanne schüttelte leicht den Kopf: „Wenn ich gewusst hätte, mit was für Problemen du dich rumplagst, mein Junge. Warum hast du denn nichts gesagt?“, wandte sie sich an ihren Sohn und fuhr fort: „Ich hätte eher gedacht, dass Max Minderwertigkeitsprobleme bekommt, weil er nicht so gut ausgestattet ist wie du.“ Nach kurzem Überlegen meinte sie nachdenklich: „Die hatte er vielleicht auch und hat das kompensiert, indem er dich als abnormal bezeichnet und die Mädchen der Reihe nach vernascht hat.“
„Aber das kann doch nicht die ganze Erklärung für deine jetzigen Aussetzer sein“, forschte Paul weiter.
Johannes schwieg eine Weile betreten und fuhr dann fort: „Diese Aussetzer waren fast immer da, außer während der Zeit, als ich die Tabletten genommen habe. Ich hab euch nur nichts gesagt. Aber die dämlichen Mädchen haben einfach nicht lockergelassen und haben mich ständig bedrängt. Vielleicht waren sie auch neugierig, ob das stimmt, was Max rumerzählt hat.“ Er atmete kurz durch, bevor er weitersprach. „Obwohl ich vielleicht nach außen so nüchtern wirke, bin ich doch sehr romantisch veranlagt und habe auf die große Liebe warten wollen. Jedenfalls, die ein oder andere hat sich mir angeboten wie eine Nutte und das hat mich dann doch so wütend gemacht, dass ich sie mir genommen habe. Hinterher waren sie natürlich schockiert und sauer, aber ich habe ihnen dann gesagt, dass sie es doch so gewollt hätten und dass sie nicht das Gegenteil beweisen könnten, da alle anderen gesehen hatten, wie sie mich angemacht hatten.“ Er schwieg betreten und war trotzdem froh, dass er es seinen Eltern gebeichtet hatte.
„Also wenn ich das recht verstehe, dann hast du diese Aussetzer immer dann, wenn du wütend bist?“, fragte Susanne nach und sah ihren Sohn forschend an.
„Ja genau, wenn ich wirklich so richtig wütend bin. Dann habe ich das Gefühl, jemand legt einen Schalter um und ich kann mich hinterher oft auch nur bruchstückhaft daran erinnern.“
„Und was war mit Melanie?“, wollte Susanne dann wissen. Wenn sie ihren Sohn schon zum Reden gebracht hatten, dann sollte er auch alles erzählen.
„Na ja, also Melanie, die hat das etwas schlauer angestellt als die anderen. Sie hat mich nicht bedrängt, sondern regelrecht umgarnt. Erst nach unserer Hochzeit hab ich erfahren, dass sie mit ihren Freundinnen gewettet hatte, dass sie mich rumkriegt und ich sie heirate. Jedenfalls hat sie dann später meine plumpen Versuche, mit ihr zu schlafen klaglos über sich ergehen lassen und sie hat mir dann auch das ein oder andere beigebracht. Aber als sie dann nach ein paar Monaten von heiraten sprach, war mir das doch zu früh. Ich wollte erst mein Studium beenden, bevor ich mich binde. Ich mochte sie zwar irgendwie, aber die große Liebe, die ich mir gewünscht hatte, war sie nicht. Ich sagte ihr, dass ich gerne eine Familie gründen möchte, aber erst wenn ich in der Lage bin, sie zu ernähren. Aber sie hatte damals schon Pläne gemacht und gemeint, dass sie ja bald mit ihrer Ausbildung fertig sei und wenn wir bei euch auf dem Hof leben könnten, dann würde ihr Verdienst für unseren Lebensunterhalt ausreichen. Da hab ich dann die Reißleine gezogen und bin nach Freiburg gezogen, um meinen Fachanwalt zu machen. Ich dachte, da wäre ich weit genug weg.“ Er zuckte die Schultern und fuhr fort mit seinem Monolog: „Aber sie hat mich ständig angerufen und mir erzählt, wie sehr sie mich liebt und vermisst und dann ist sie mir, nachdem sie ihren Abschluss in der Tasche hatte, tatsächlich gefolgt und da hab ich dann eben nachgegeben und sie geheiratet.“ Er hielt inne.
„Ja gut, das wissen wir ja, aber was ist dann passiert?“, wollte Susanne wissen. „Dass ihr nicht wirklich glücklich wart, war nicht zu übersehen und sie hat sich mehrmals bei mir beklagt, aber ich habe ihr nicht geglaubt.“
„Kaum hatte sie den Ring am Finger und meinen Namen im Pass, da war von Liebe keine Rede mehr. Als ich ihr sagte, dass ich Kinder möchte, hat sie mich ausgelacht. Sie hat mich nicht mehr rangelassen. Und manchmal war ich halt so wütend, dass ich sie mir mit Gewalt genommen habe. Wäre der Kleine nicht gewesen, dann hätte ich mich längst scheiden lassen. Aber ihr wisst, wie sehr ich meinen Sohn geliebt habe. Und nachdem er zur Welt gekommen war, hab ich Melli auch nicht mehr angerührt.“ Alle drei schwiegen und hingen einen Moment ihren eigenen Gedanken nach.
„Aber sag mal“, führte Susanne das Gespräch weiter, „wie war das mit Leni? Du hast sie doch kennengelernt bevor du das mit Jessica angefangen hast und nach Hamburg gezogen bist?“
„Ja natürlich, ich habe sie ja in Freiburg auf der Baustelle kennengelernt, als sie mir trotzig ins Gesicht geschaut und mir erklärt hat, dass ich als Kunde zwar der König, sie aber die Kaiserin sei“, er lächelte, als er an ihre erste Begegnung dachte. „Sie war so süß. Und als sie mir dann ihre Pläne erklärte, wie wir meine Wünsche und ihre Vorstellungen einigermaßen unter einen Hut bringen könnten, da hat sie mir echt imponiert und ich habe zu allem ja und amen gesagt.“ Er grinste verlegen. „Dann hab ich sie aber aus den Augen verloren und ich hatte auch keinen Kopf dafür, denn das war ja kurze Zeit nach dem Unfall und außerdem hatte ich angefangen, meine Doktorarbeit zu schreiben“.
„Aber ich dachte, ich hättet dann im selben Haus gewohnt?“, warf Susanne ein.
Johannes erzählte seinen Eltern von dem Schlabberlook, den sie in ihrer Freizeit trug und von der Party, auf der Leni sich zu erkennen gab. „Das war echt peinlich“, endete er.
Die Eltern grinsten sich an, denn sie konnten sich gut vorstellen, wie unbehaglich ihr so korrekter Sohn sich gefühlt haben musste. Außerdem hatte Max natürlich gleich nach seiner Rückkehr aus Freiburg die Geschichte im Familienkreis zum Besten gegeben. Sie sahen ihn erwartungsvoll an.
„Ja, also, ich hatte mich fast den ganzen Abend mit Tobias, also dem Bruder von Lene, unterhalten und zugeschaut, wie Max sie angebaggert hat. Ich wollte sie vor ihm warnen und habe sie deshalb zum Tanzen aufgefordert, was sie mir ziemlich frostig gestattete. Sie war wohl immer noch sauer wegen des Ärgers, den ich ihr und dem Bauleiter gemacht habe.“ Sein Blick wurde weicher, als er leise fortfuhr: „Kaum hatte ich sie im Arm, da hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich diese Frau ewig im Arm halten und streicheln und liebkosen möchte. Ich hatte so ein Verlangen nach Zärtlichkeit, das hat mich fast umgehauen. Und als ich in ihre schönen, grünen Augen sah, merkte ich, dass sich auch bei ihr etwas getan hatte. Sie war plötzlich nicht mehr abweisend, sondern sah mich verwirrt an. Meine Gefühle haben mich so überwältigt, dass ich damit nicht umgehen