Frau Kaiser und der Dämon. Ulla Garden

Frau Kaiser und der Dämon - Ulla Garden


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ein Medikament, machte ihn aber darauf aufmerksam, dass es zunächst zu Potenzstörungen führen könnte. Da seine Frau krank und zudem hochschwanger war, wäre das wohl im Moment das kleinste Problem, meinte Johannes und verabschiedete sich. Er fuhr anschließend zur Uni, um in die Technik des Hörsaals eingewiesen zu werden, da die Vorlesung, die er in der kommenden Woche halten sollte, digital übertragen werden sollte.

      Danach machte er sich sofort auf den Weg zur Klinik und hoffte, dass Sarah nicht mehr dort war. Er öffnete vorsichtig die Zimmertür und sah, dass Leni mit dem Ergotherapeuten beschäftigt war. Erleichtert stellte er fest, dass sonst niemand im Raum war.

      „Ihre Frau hat aber mächtig Fortschritte gemacht“, begrüßte ihn der Therapeut und Leni lächelte ihn stolz an. Bisher hatte sie alle Therapien mehr oder weniger passiv über sich ergehen lassen. Aber jetzt hatte sie der Ehrgeiz gepackt, denn sie wollte so bald wie möglich wieder nach Hause.

      Später fragte Johannes Leni, ob Sarah denn nicht gekommen wäre. Wie er aus ihrem Gestammel entnehmen konnte, war sie nur ganz kurz dagewesen und dann nach Hause abgereist. Leni spürte, dass mit Johannes etwas nicht in Ordnung war, aber er wiegelte ab und murmelte etwas von müde und Kopfschmerzen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er ihr auswich, aber im Moment machte es keinen Sinn, weiter zu bohren, das wusste sie auch.

      Sarah war mächtig sauer auf Johannes und aus Wut und Enttäuschung rief sie bei Max an und berichtete ihm, was vorgefallen war, verschwieg aber wohlweislich, wie sie Johannes angemacht hatte. Daraufhin informierte Max seine Eltern und sie beschlossen, nach Leipzig zu fahren, um mit Johannes zu reden. So konnte es absolut nicht weitergehen. War denn jetzt keine Frau mehr vor ihm sicher, fragten sie sich bang. Sie kamen gegen Abend in Leipzig an und während die Eltern in der Wohnung blieben, fuhr Max zur Klinik.

      Johannes sah erstaunt zur Tür, als Max in das Krankenzimmer kam. „Was machst du denn hier?“, fragte er deshalb auch verwundert.

      „Komm mit auf den Gang“, forderte Max ihn auf. Johannes hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, merkte aber, dass Max ziemlich wütend war und folgte der Aufforderung.

      „Also, was ist los?“, fragte er nochmal.

      „Sarah hat mich angerufen“, zischte Max. „Sie hat mir erzählt, was du dir schon wieder geleistet hast“.

      „Sarah?“ Johannes schaute seinen Bruder erstaunt an.

      „Fuck! Tu doch nicht so unschuldig, Alter!“, Max war kaum noch zu bremsen. „Erst Leni, jetzt Sarah. Sag mal, hast du sie noch alle?“

      Johannes schüttelte verzweifelt den Kopf. „Die wollte das doch, die hat mich die ganze Zeit scharfgemacht“, verteidigte er sich.

      „Ich kann mir gut vorstellen, dass du ziemlich Hochdruck hast, jetzt wo Leni schon so lange außer Gefecht ist, aber kannst du dir nicht selber einen runterholen?“, entgegnete Max seinem Bruder vorwurfsvoll. „Ich hätte nie gedacht, dass du Leni betrügst, was hast du dir nur dabei gedacht, Alter?“

      Johannes seufzte tief und zuckte die Schultern. „Ich weiß doch auch nicht, es war nicht meine Absicht.“ Er sah seinen Bruder hilflos an.

      „Fahr jetzt nach Hause, Mutti und Vati sind da und wollen mit dir reden“. Max gab seinem Bruder die Autoschlüssel. Als Johannes protestieren wollte, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete: „Hau endlich ab, ich bleibe bei Leni.“

      Johannes verabschiedete sich noch von Leni und schlich wie ein geprügelter Hund zum Ausgang. Zum einen hatte er Schmerzen im Genitalbereich und vor allem graute ihm vor dem Gespräch mit den Eltern. Auf dem Parkplatz fand er nach einigem Suchen den Wagen seines Vaters und fuhr langsam nach Hause.

      Leni spürte, dass irgendwas im Gange war, aber keiner wollte ihr sagen, um was es ging. Sie sah Max fragend an, aber der wollte ihr nicht sagen, was Johannes getan hatte, das sollte er ihr schon selber beichten. Er sagte ihr nur, dass die Eltern da seien, um mit Johannes zu reden, man müsse sich ja überlegen, wie es in Zukunft weitergehen solle. Sie nickte, aber diese Information stellte sie keinesfalls zufrieden. Sie spürte, dass es um etwas Ernsteres ging, dachte aber, dass es wohl mit ihr und ihrer Behinderung zusammenhing und dass man ihr nicht die Wahrheit sagen wollte.

      4

      Johannes trat langsam ins Wohnzimmer, wobei er sich verlegen mit einer Hand durch die Haare fuhr und sah seine Eltern, Susanne und Paul von Moeltenhoff, die dort saßen und auf ihn gewartet hatten, kaum an.

      „Guten Abend“, begrüßte er sie leise. Da ihm nichts Besseres einfiel, sagte er: „Max sagte mir, dass ihr da seid. Aber ihr hättet wirklich nicht herkommen müssen.“ Auch die Eltern wussten nicht richtig, wie sie das Gespräch beginnen sollten und sahen ihn vorwurfsvoll an.

      „Was hast du dir nur dabei gedacht, Junge“, fing Susanne dann doch an zu reden. Es half ja alles nichts, sie waren nicht die ganze Strecke gefahren, um sich ihren schweigsamen Sohn anzusehen, dem das schlechte Gewissen förmlich aus dem Gesicht sprang. Und dass er nicht von sich aus reden würde, das war ihnen auch klar. Er war schon immer sehr wortkarg gewesen und hatte ihnen selten seine Probleme anvertraut, obwohl sie ein sehr gutes Verhältnis zueinander hatten.

      „Ja, also, ähm, ich weiß ja nicht, was Sarah Max erzählt hat, aber die Frau hat mich wirklich provoziert“, begann Johannes dann zögernd zu sprechen. „Könnt ihr euch vorstellen, dass die doch tatsächlich in unserem Ehebett lag, um auf mich zu warten?“ Er wurde lauter und betonte jedes Wort: „In dem Bett, in dem ich mit Lene schlafe!“

      „Das gibt es doch nicht!“, regte sich jetzt auch Susanne auf.

      „Doch und das hat mich total wütend gemacht, denn eigentlich hätte sie schon längst bei Lene in der Klinik sein sollen, als ich nach Hause kam“, fuhr er fort. „Als sie hörte, dass ich komme, ist sie schnell nackt ins Bad gehuscht und hat mich auffordernd angesehen.“

      „Hör zu, Joe“, meldete sich jetzt Paul zu Wort: „Das ist zwar nicht akzeptabel, was diese Sarah da gemacht hat, aber das ist doch kein Grund, ihr Gewalt anzutun. Hast du dich tatsächlich so wenig im Griff?“

      „Scheinbar“, antwortete Johannes zerknirscht. „Ich merke ja selber, dass etwas mit mir nicht stimmt, denn es war wirklich nicht meine Absicht, Sarah etwas anzutun.“ Er schwieg einen Moment betreten, bevor er begann, sich seine Probleme von der Seele zu reden. „Damals mit den anderen Kindern, die ich verprügelt habe, war es genauso, aber ihr wolltet mir einfach nicht glauben, dass es nicht meine Absicht war.“ Er versuchte zu erklären, was in solchen Situationen mit ihm passierte: „Das ist, als wenn plötzlich ein Dämon über mich herfällt und mich Dinge tun lässt, die ich normalerweise nie tun würde. Ich kann mich dann einfach nicht mehr beherrschen.“

      Die Eltern waren erschüttert und schwiegen betroffen.

      „Weiß Leni darüber Bescheid, was du mit ihr gemacht hast?“, unterbrach die Mutter leise sprechend die Stille.

      Johannes schüttelte den Kopf: „Nein, sie kann sich an gar nichts erinnern, ich habe noch nicht rausgefunden, wie weit sie sich zurückerinnern kann. Sie scheint offenbar zu wissen, dass ich ihr Mann bin und in dem Video, das Max an ihrem Geburtstag abgespielt hat, konnte sie bis auf Henrik, meinen Hamburger Freund, alle Personen beim Namen nennen.“

      „Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen“, meinte Susanne vorsichtig. „Sonst wird es dich noch mehr belasten.“

      „Ja sicher, aber nicht in dem Zustand, in dem sie jetzt ist. Mein Therapeut meinte, dass sie, sobald sie sich stabilisiert hat, an einer Sitzung teilnehmen sollte, damit er ihr erklären kann, wie es um mich steht.“ Er seufzte tief. „Arme Lene, ich hoffe, sie verkraftet das.“

      „Sie liebt dich abgöttisch, das wird ihr helfen“, sagte Susanne und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Demnach bist du also in Behandlung?“

      „Ja, ich habe mit der Psychologin in der Klinik gesprochen und die hat mich dann an einen Kollegen überwiesen. Der Therapeut hat mir heute ein Medikament verschrieben und ich hoffe, dass mir das helfen wird.“


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