Die illegale Pfarrerin. Christina Caprez

Die illegale Pfarrerin - Christina Caprez


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uns zu Bett, ich gegen die Wandseite. Mein Herz war voll gespannter Erwartung und heisser Freude, nun würde all das wieder kommen, was früher gewesen. Da merkte ich, dass Du zögertest, dass Du zwar auch wolltest, Dich aber etwas hinderte, und dass Du mir dies doch zugleich gerne verborgen hättest. Und plötzlich sah ich es: Dein rechtes Bein war verstümmelt, es endete beim Knie in einem schmerzenden, roten Stummel. Eine Welle heisser und echter Liebe durchflutete mich, und ich suchte Dir zu zeigen, dass ich Dich so nicht weniger lieb hätte, beugte mich über Dich und streichelte und tröstete Dich unablässig. Wir ­waren beide traurig, als ich plötzlich eine grosse Freude spürte, Du schautest verwundert in meine freudestrahlenden Augen. Ich sagte fast jubelnd: «Jetzt muss ich nie mehr Angst haben, dass Du …», ich schwieg. Du verstandest sofort: «Dass ich auf einer verwageten Ski- oder Bergtour ums Leben komme und Dir so genommen werde.»

      Ich lag so halb auf Dir, als plötzlich die Türe aufging, das Zimmermädchen hereintrat und schrie, wenn wir so beieinander seien, hätten wir sofort das Zimmer zu räumen. Ich war mit einem Satz zum Bett hin­aus und stand bebend vor Zorn vor ihr, weil sie uns gestört im Heiligsten, da wir uns doch eben erst wieder seelisch einander fürs Leben neu gewonnen und verbunden hatten. So schrie ich sie an, sie hätte hier gar nichts zu suchen, wir wären verheiratet, im Übrigen sei das egal und gehe sie nichts an. Sie öffnete den Kasten, um meinen Pass zu suchen und daraus meinen Civilstand zu ersehen. Ich wurde noch wütender, da sie offenbar so zu Dir stand, dass sie es wagen durfte, Dir über den Kasten zu gehen – Jäh erwachte Greti. Unvermittelt wurde ihr bewusst, wie sehr sie auf Gian angewiesen war. Gerade jetzt, in diesem ­Moment, wo sie sich mit dem Kind so furchtbar allein fühlte, hätte sie ihn nötig gehabt. Das Bild des verkrüppelten Mannes stimmte sie froh, denn es besänftigte ihre Angst: Seit der Geburt spürte sie das Kind wie einen Klotz am Bein, es machte sie unfrei und von Gian abhängig. Mit seinem schmerzenden roten Stummel musste nun auch er bei ihr bleiben.

      Jahrzehnte später wird sich Gretis Traum auf schreckliche Weise bewahrheiten: Nicht ihr Mann, sondern ihr Sohn Gian Andrea, der jetzt an ihrer Brust liegt, wird bei einem Lawinenunglück ums Leben kommen, mit knapp über fünfzig Jahren.

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      São Paulo,

      1930

      Ein ungewöhnliches Bild, inszeniert in den Strassen von São Paulo. Die Szene könnte auch irgendwo in Europa spielen: Die Architektur verrät nichts Ortsspezifisches, und schwarze Brasilianerinnen sucht man auf dem Bild vergeblich. Gretis schickes Beret und das figurbetonte Faltenkleid, Gians dunkler Anzug mit Krawatte und Hut – so elegant sieht man die beiden sonst kaum auf Fotos, nicht einmal sonntags. Vermutlich eine Konzession an die Umgebung. Statt zu flanieren wie die andern, liest Greti im Gehen eine Zeitschrift, den Mantel über die Schulter geworfen. Sie wirkt hoch konzentriert, aber ­skeptisch, Gian schreitet geduldig nebenher. Sie war diejenige, die bestimmte, wo es langgeht, sagen Verwandte und Bekannte bis heute unisono. Und er, gleichmütig und harmoniebedürftig, passte sich an. Im Gleichschritt zwar, aber nicht mit demselben Fuss voran, geht das Paar in der Menge. Ein Sinnbild für diese ersten Monate als frisch getrautes Ehepaar, das sich erst finden muss und immer wieder um das rechte Mass an Intimität und Autonomie ringt. Gekleidet wie die Paulistas, Schweizer Zeitungen lesend: Greti und Gian wollten sich alles offenhalten. Sie lernten die Landessprache fliessend (noch im hohen Alter benutzten sie Portugiesisch als Geheimsprache in einem Liebes­brief), und Greti arbeitete in der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde mit. Ob sie bleiben oder in die Schweiz zurückkehren würden, war noch unklar.

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