Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Группа авторов
fasst das Darmstädter Modell wie folgt zusammen:
Ein wesentliches Moment der Didaktik des Faches Deutsch aus dieser Sicht ist die Verknüpfung sprach- und literaturwissenschaftlichen Grundwissens mit Themen, die eine hohe Relevanz für die jungen Berufstätigen haben. Rechtschreibung, Grammatikwissen, Entwicklung von Leseverständnis gegenüber fiktionalen und pragmatischen Texten ist immer eingebunden in den Bedürfniszusammenhang, der sich aus der Berufsausbildung ergibt. […] Leitbild ist der junge Berufstätige, der die Erfordernisse seines Berufes erfüllt und vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ist, der in der Lage ist, im Beruf, in der Öffentlichkeit und im Privatleben an der Kommunikation teilzuhaben, sich Informationen zu verschaffen, sie auszuwerten und inhaltlich zu prüfen. (Jahn 2000:11f.)
Stärker auf berufspädagogische Begründungszusammenhänge beruft sich Hilmar Grundmann in seinem dem „Darmstädter Modell“ didaktisch-methodisch dennoch ähnlichen „Hamburger Modell“ des berufsschulspezifischen Deutschunterrichts, der auf personale Sinnerfahrung und -findung durch berufliche Tätigkeit sowie auf Vermittlung von Orientierungswissen und Förderung von IdentitätsausbildungIdentitätsbildung durch den Deutschunterricht abzielt und sich somit eher als berufliche Erziehung denn als Wissensvermittlung versteht (Grundmann 2001:198–251).
Während die Deutschdidaktik neben diesen Grundsatzdebatten insgesamt ein bevorzugtes Interesse am „‘Berufsschüler als Leser‘“ von literarischen wie Fachtexten (Grundmann 2001:144) hat, vernachlässigt sie mit Blick auf berufsbildende Schulen andere Themen fast gänzlich, wie etwa den Grammatikunterricht (vgl. – mit Verweis auf die wenigen Ausnahmen – Grundmann 2001:142–144). Und erst spät in den Blick geraten im Bereich der sprachlichen Förderung nach einem Fokus auf „ausländische“ (zweitsprachige) Jugendliche auch die Deutsch-Erstsprachler. Karl-Heinz Jahn (1998) zeigt in seiner Untersuchung („Sprachstandsanalyse“) zur Fachtexterschließung, dass jedoch auch Letztere erhebliche Probleme mit der FachspracheFachsprache haben und deswegen Ziel der Förderbemühungen werden müssen. Hierbei diskutiert er den Einsatz von interaktiven multimedialen Lernsystem gegenüber traditionellen Lehr-Lern-Materialien – ein Ansatz (Lernen mit Neuen MedienMedien), der auch in den Folgejahren weiter zentral bleibt.
1.2 Deutschdidaktik und berufliche Bildung nach dem Jahr 2000
Nach dem PISA-Schock rund um das Jahr 2000 dominiert allerdings, neben den medienbezogenen (vgl. etwa die Beiträge in Hebel et al. 2002, Jahn & Wyss 2003) und allgemeineren Themen (vgl. als Überblick Josting & Peyer 2002), das Thema LesekompetenzLesekompetenz schnell auch die berufsschulbezogene Deutschdidaktik – zumal in der empirischen Forschung. In verschiedenen Disziplinen gibt es Projekte und Modellversuche zur Diagnose und Förderung sprachlich-kommunikativer Kompetenzen (etwa LAU, ULME, VERLAS, MDQM), aber die Deutschdidaktik fokussiert in gleich drei größeren Unternehmungen deutlich das Lesen: an der TU Darmstadt wird im Rahmen des Modellversuchs VOLI (2004–2006) die allgemeine wie fachsprachliche LesekompetenzLesekompetenzfachsprachliche von Berufsschülerinnen und Berufsschülern diagnostiziert und (u.a. mit Strategietrainings, Textentlastung/-aufbereitung und Leseportfolio-Arbeit) gefördert (Efing 2006a, 2006b, 2008a); zeitlich wie inhaltlich sehr vergleichbar gehen ein von der Universität zu Köln begleitetes (Becker-Mrotzek et al. 2006, Drommler et al. 2006) sowie ein Schweizer Projekt zur Leseförderung vor (Schiesser & Nodari 2007). Einen Fokus auf FachspracheFachsprache und fremdsprachige Deutsch-Lerner nehmen weiterhin Ohm et al. (2007) ein.
Am Rande nimmt bereits VOLI das SchreibenSchreibkompetenz aus diagnostischer wie Förderperspektive mit in den Blick (Efing 2008b); systematischer erhält das Schreiben aber erst in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit der Deutschdidaktik; hier sind insbesondere Astrid Neumann (etwa Neumann 2006, 2015) sowie das Forscherteam Hoefele/Konstantinidou (u.a. Hoefele/Konstantinidou 2016, Hoefele et al. 2017) aus der Schweiz zu nennen, das Förderprogramme – insbesondere für Zweitsprachler – erstellt und empirisch in ihrer Wirksamkeit evaluiert. Die GesprächskompetenzGesprächskompetenz (Weber 2014) bleibt weiterhin, wie an anderen Schulformen, Stiefkind unter den sprachlichen Teilfertigkeiten, wird aber mittlerweile ebenfalls stärker auf genereller (vgl. Grundmann 2007; sowie Kirndorfer und auch Hoffmann in Terrasi-Haufe & Börsel 2017) wie auf Ebene bestimmter kommunikativer Praktiken – wie z.B. dem Erklären – aus diagnostischer wie Förderperspektive erforscht.
Doch die Deutschdidaktik entdeckt und verfolgt auch quer zu den einzelnen Teilfertigkeiten liegende methodische Forschungs- und Förderansätze: Neben der Diskussion um den Zusammenhang von sprachlichen Kompetenzen und AusbildungsfähigkeitAusbildungsfähigkeit und die Prävention von sprachlich-kommunikativen Defiziten bei den angeblich immer sprachschwächeren Auszubildenden (Grundmann 2007, Efing 2013) sowie der bereits genannten empirischen Wirksamkeitsanalyse zu spezifischen Förderansätzen sind dies etwa die Anforderungs- bzw. BedarfsermittlungSprachbedarfsermittlung (siehe C: Efing/Kiefer, S. 195 in diesem Band, Efing 2014b, Efing 2015) als Grundlage für die Entwicklung von empirisch basierten Curricula, Aufgabenformaten und Förderansätzen; die Perspektive auf sprachliche RegisterRegister als Fördergegenstand jenseits nur der FachspracheFachsprache, die mittlerweile als eine geringere Hürde eingeschätzt wird (Efing 2014a), sowie Ansätze zur Sprachförderung im sprachsensiblen Fachunterrichtsprachsensibler FU bzw. integriertes Fach- und SprachlernenFach- und Sprachlernenintegriertes. Generell werden dabei handlungsorientierteHandlungsorientierung Förderansätze favorisiert (Efing 2017, Roche & Terrasi-Haufe 2017 sowie das Projekt „Bildungssprache Deutsch für berufliche Schulen“ der LMU und TU München, 2014–2017).
Im Rahmen der aktuellen Migrationssituation erlangt zudem jüngst auch die Entwicklung von DaZ-Curricula für Seiteneinsteiger eine hohe Relevanz (vgl. Müller, Weber und Wiażewicz in Efing & Kiefer 2017), wie generell der Bereich der Mehrsprachigkeit und Integration (vgl. Daase et al. 2017, Terrasi-Haufe & Börsel 2017) und der interkulturellen Bildung (vgl. A: Middeke, S. 63 in diesem Band) in der beruflichen Bildung auch durch eine interdisziplinär orientierte Deutschdidaktik entdeckt wird. In diesem Zusammenhang rückt auch die Frage nach dem Verhältnis von Sprache, Beruf und Integration in den deutschdidaktischen wie interdisziplinären Fokus (vgl. IQ konkret 2017).
Noch wenig deutschdidaktisch bzw. stärker von anderen Disziplinen beforscht ist die Frage der Grundbildung/Alphabetisierung (vgl. D: Heisler/Reißland, S. 221 in diesem Band und für die Deutschdidaktik Sturm 2016), der Textoptimierung (vgl. jedoch Schlenker-Schulte & Wagner 2006) und leichten Sprache für spezifische Zielgruppen sowie generell die Perspektive der beruflichen Weiterbildung; gänzlich brach liegt das zentrale Thema der Wortschatzförderung.
Generell lässt sich sagen, dass die Themenbreite in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat (die Themen Rechtschreibung und Grammatik und zunehmend auch Literatur bleiben in der aktuellen Diskussion jedoch zugunsten von kommunikativen Aspekten des Sprachhandelns weitgehend unbeachtet) – und dass es einen deutlichen Umschwung von theoretischen Grundsatzdebatten über Stellenwert und Ziele von Deutschunterricht in der beruflichen Bildung hin zu detaillierten empirischen Untersuchungen zu einzelnen Teilfertigkeiten und konkreten sprachlich-kommunikativen Fragestellungen und Förderansätzen gegeben hat. Dabei zeigen die meisten Untersuchungen, dass der Bedarf der Berufsschülerinnen und Berufsschüler an allgemeinen, d.h. an standard- und bildungssprachlichen Kompetenzen, bereits auf allen sprachlichen Ebenen (Lesen, [Recht-]Schreiben, Wortschatz, Grammatik) hoch ist und Deutschförderung an beruflichen Schulen nicht verengt werden kann und darf auf fach- und berufssprachliche oder berufsspezifische Aspekte, die natürlich dennoch relevant bleiben. Zur Zielgruppe der Förderung gehören dabei neben den Flüchtlingen bzw. Seiteneinsteigern und Zweitsprachlern auch viele Deutsch-Erstsprachler, sodass sich hier Ansätze und Methoden der Didaktik des Deutschen als Erst-, Zweit- und Fremdsprache (vgl. etwa Funk 2010) in der beruflichen Bildung gegenseitig wahrnehmen und befruchten müssen. Gerade auch der Bereich des Deutschen-als-Fremd- und Zweitsprache steht hier angesichts vieler Seiteneinsteiger im berufsfähigen Alter, angesichts prekärer Arbeitsverhältnisse von Zweitsprachlern in Deutschland sowie angesichts der Verlagerung von Arbeitsplätzen von Deutschland ins Ausland vor neuen Herausforderungen eines frühen Fach(fremd)sprachenlernens.
2. Fazit und Ausblick
Es ist fraglich, ob man