Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
dürfen sie nur vom Rechnungsaussteller, nicht aber vom Rechnungsempfänger im Wege der Rechnungsberichtigung nach § 17 UStG ergänzt werden[233] (Voraussetzung der Unversehrtheit der Rechnung gem. § 14 Abs. 1 S. 2, 4 UStG).
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Wer Umsatzsteuer als Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuerrechts zu hoch (also unrichtig i.S.d. § 14c Abs. 1 S. 1 UStG) oder dem Grunde nach unberechtigt (§ 14c Abs. 2) ausweist, schuldet den zu Unrecht ausgewiesenen Betrag und hat ihn entspr. zu erklären und abzuführen. Jedenfalls der nur der Höhe nach unrichtige Ausweis kann durch eine Rechnungsberichtigung gegenüber dem Empfänger nach § 17 UStG mit der Wirkung korrigiert werden, dass nur die USt aus der berichtigten Rechnung abzuführen ist. Nach Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Senatex ist die Rechnungsberichtigung rückwirkend möglich, so dass es im Falle der Berichtigung insoweit von Anfang an zu keiner Steuerverkürzung kommt.[234] Da die Rechnung nach der Rspr. des EuGH nicht materiell-rechtliche Voraussetzung die Entstehung der Steuer ist (s. dazu Rn. 55),[235] dürfte es für die Strafbarkeit auch keine Rolle spielen, zu welchem Zeitpunkt dem Angeklagten die Rechnung ausgehändigt worden ist.[236] Bei Entstehung der Steuer nach § 14c UStG kann im Rahmen der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt der kriminellen Energie berücksichtigt werden, dass der Staat aus Sicht des Täters im Ergebnis höhere Steuern erzielte, als ihm bei korrekter Fakturierung zugestanden hätte.[237]
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Tatbestandlich sind auch falsche oder pflichtwidrig unterlassene Angaben im Rechtsbehelfsverfahren. Der Versuch der Steuerhinterziehung ist nicht mit dem Erlass eines dem Täter ungünstigen Steuerbescheides durch das Finanzamt gescheitert, sondern erst mit Bestandskraft des ablehnenden Steuerbescheides. Hat das Finanzamt bei der Steuerfestsetzung falsche Angaben des Täters nicht berücksichtigt und macht dieser deshalb im Rechtsbehelfsverfahren weiterhin falsche Angaben, um sein Ziel, die Steuer zu verkürzen, noch zu erreichen, begeht er daher keine weitere Steuerhinterziehung.[238] Das gilt selbst dann, wenn die späteren Täuschungshandlungen auf einem neuen Entschluss beruhen.
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(e) Fehlende Empfängerbenennung, § 160: Nach § 160 Abs. 1 S. 1 sind Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben regelmäßig nicht steuermindernd zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder Empfänger genau zu benennen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, mögliche Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch eintreten können, dass der Empfänger steuermindernd geltend gemachter (Betriebs-)Ausgaben die dem gegenüberstehenden Einnahmen bei sich nicht steuererhöhend erfasst.[239] Demgegenüber spielt der in älterer Rspr. angenommene Nebenzweck, mit dem Benennungsverlangen unlauterem Geschäftsgebaren vorzubeugen, nur eine untergeordnete Rolle und ist allenfalls erschwerend im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen.[240] Ein Benennungsverlangen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn aufgrund der Lebenserfahrung die Vermutung nahe liegt, dass der Empfänger einer Zahlung den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat.[241] Das soll regelmäßig der Fall sein, wenn anzunehmen ist, dass die Angaben über den Empfänger einer Zahlung (Name und Anschrift) in der Buchführung unzutreffend oder nicht vollständig sind.[242] Steht fest, dass der Empfänger die vom Steuerpflichtigen verausgabten Beträge – ganz oder teilweise – versteuert hat, so hat die Ausgabenkürzung insoweit zu unterbleiben.[243]
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Die Erfüllung des Benennungsverlangens muss dem Betroffenen zumutbar sein. Das bedeutet insbesondere, dass das Verlangen nicht unverhältnismäßig sein darf und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden Nachteile (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Aufklärungserfolg (z.B. geringfügige Steuernachforderung bei den Empfängern) stehen dürfen.[244]
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Empfänger i.S.d. § 160 ist derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert tatsächlich zukommt.[245] Werden natürliche oder juristische Personen (z.B. Domizilgesellschaften) zwischengeschaltet, die den Wert lediglich weiterleiten, sind als Empfänger die dahinter stehenden Personen, an die die Gelder tatsächlich gelangt sind, zu benennen.[246] Es genügt insoweit nach der Rspr. des BFH nicht, die Anteilseigner einer Domizilgesellschaft oder die in deren Namen auftretenden Personen zu benennen; zu benennen sind die Auftragnehmer der Domizilgesellschaft, die die vertraglich ausbedungenen Leistungen ausführen und deshalb die hierfür geschuldete Gegenleistung beanspruchen können.[247]
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Bei § 160 Abs. 1 S. 1 handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Kommt der Steuerpflichtige einem (rechtmäßigen) Benennungsverlangen nicht nach, ist der Abzug der Ausgaben nach dem Wortlaut des § 160 Abs. 1 S. 1 jedoch „regelmäßig“ zu versagen. Die Versagung des Abzugs kann daher nur in Ausnahmefällen ermessensfehlerhaft sein.[248] § 160 gestattet es dem Finanzamt auch, einen Teil der betroffenen Ausgaben steuerlich nicht zu berücksichtigen.[249] Das Benennungsverlangen ist kein Verwaltungsakt[250] und daher nicht selbstständig angreifbar. Es kann unzumutbar sein, z.B. wenn der Steuerpflichtige selbst von dem Empfänger getäuscht wurde und sich ihm keine Zweifel aufdrängen mussten.[251]
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Abgesehen von den Folgen des § 160 ist umsatzsteuerlich zu beachten, dass die tatsächlich erfolgte Lieferung von Gegenständen durch einen inländischen Unternehmer an einen Abnehmer im Übrigen Gemeinschaftsgebiet dann (trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der Vorschrift) nicht als nach § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu behandeln ist, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um dem Abnehmer die Hinterziehung von Umsatzsteuern zu ermöglichen (s. dazu ausführlich Rn. 179, 387 ff.).[252]
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Kommt der Steuerpflichtige dem Verlangen zur Empfängerbenennung nicht nach und werden deshalb Ausgaben steuerlich nicht anerkannt, so begründet das den Vorwurf der Steuerhinterziehung nur, wenn überdies nachgewiesen wird, dass die Ausgaben tatsächlich nicht geleistet worden sind oder dass es sich um nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (wie etwa verschleierte Korruptionszahlungen i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG) handelt.[253] Legt der Steuerpflichtige Scheinrechnungen vor, um das Zwischenverfahren nach § 160 zu vermeiden, begründet das allein noch nicht den Vorwurf der Steuerhinterziehung, da auch ohne Vorlegung der Scheinrechnungen die Aberkennung der Ausgaben nur erfolgt, sofern das Finanzamt erstens die Ermessensentscheidung trifft, ein Benennungsverlangen zu stellen und zweitens nach unterbleibender Beantwortung die weitere Ermessensentscheidung, Betriebsausgaben abzuerkennen.[254] In Betracht kommt allerdings eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Empfängers.
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(f) Transfer- und Verrechnungspreise: Unrichtige Angaben im Zusammenhang mit Gewinnverlagerungen ins Ausland können tatbestandlich i.S.d. § 370 sein.[255] Auslöser solcher Gewinnverlagerungen ist häufig die Verlagerung bestimmter Aufgaben innerhalb eines Konzerns auf konzernangehörige oder anderweitig verbundene Unternehmen in anderen Ländern (sog. Funktionsverlagerung[256]). Bei den sich daraus ergebenden grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen zwischen den sich nahe stehenden Gesellschaften stellt sich insb. die Problematik der Transfer- oder Verrechnungspreise,[257] da innerhalb solcher Näheverhältnisse der Preis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger regelmäßig nicht wie zwischen fremden Dritten durch gegensätzliche Interessen beeinflusst wird, die dazu führen