Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung. Malte Wietfeld
den folgenden methodischen Grundlagen aus: Der Täter wird als Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens beschrieben. Zentralgestalt soll dabei in der Regel[1] derjenige sein, der Tatherrschaft hat. Der Täterbegriff ist dabei weder ein unbestimmter noch ein fixierter, sondern vielmehr ein „offener“ Begriff, der es ermöglicht, Tatherrschaft und damit letztlich Täterschaft anhand eines beschreibenden Verfahrens ebenso flexibel wie generalisierend zu bestimmen. Die Offenheit des Täterbegriffes soll dabei dazu dienen, einen Ausgleich zwischen der Erfassung verschiedenster Lebenssachverhalte einer- und dem Bedürfnis nach vorgefassten Kriterien anderseits, zu schaffen.[2]
Anmerkungen
Das gelte nicht für Pflichtdelikte und eigenhändige Delikte.
Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 123.
B. Beschreibung der Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens bei Herrschaftsdelikten
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Auf diesen methodischen Grundlagen entfaltet Roxin sein beschreibendes Verfahren zur Ermittlung von Täterschaft bei Herrschaftsdelikten. Entsprechend der heute in § 25 StGB normierten Dreiteilung unterscheidet er dabei drei verschiedene Täterschaftsformen: den unmittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB), den mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) und den Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB). Allen drei Täterschaftsformen komme dabei eine spezifische Art der Tatherrschaft zu: der unmittelbare Täter zeichne sich durch Handlungsherrschaft, der mittelbare Täter durch Willensherrschaft und der Mittäter durch funktionelle Tatherrschaft aus.[1]
Anmerkungen
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 28.
Teil 2 Grundzüge der Tatherrschaftslehre nach Roxin › B. Beschreibung der Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens bei Herrschaftsdelikten › I. Handlungsherrschaft bei unmittelbarer Täterschaft
I. Handlungsherrschaft bei unmittelbarer Täterschaft
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Die Handlungsherrschaft ist nach Roxin das Tatherrschaftsmerkmal des unmittelbaren Täters (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB). Als unmittelbaren Täter kraft Handlungsherrschaft bezeichnet Roxin denjenigen, „der – sei es allein, sei es unter Beteiligung mehrerer – den gesamten Tatbestand durch eigenkörperliche Aktivität (also i.d.R. mit eigener Hand) verwirklicht.“[1] Die eigenhändige Tatausführungsei die stärkste denkbare Form der Tatbeherrschung. Handlungsherrschaft werde hier durch die eigenhändige Vornahme der tatbestandsentsprechenden Handlung vermittelt.[2] In Abkehr vom „Badewannen“-[3] und vom „Stachynskijfall“[4] sei es deshalb ausgeschlossen, Täterschaft allein aus subjektiven Momenten herzuleiten und daher eine Person, die das tatbestandsmäßige Geschehen zwar selbst vorgenommen, aber kein eigenes Tatinteresse gehabt habe, nicht als Täterin einzustufen.[5] Diese Ausprägung der Zentralgestalt finde sich heute auch im Wortlaut des § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB wieder, der denjenigen als Täter ansehe, der die Tat „selbst…begeht“.[6]
Anmerkungen
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 38.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 38.
RGH v. 19.2.1940, 3 D 69/40, RGHSt 74, 84 ff.
BGH v. 19.10.1962, 9 StE 4/62, BGHSt 18, 87 ff.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 39 f.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 38.
Teil 2 Grundzüge der Tatherrschaftslehre nach Roxin › B. Beschreibung der Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens bei Herrschaftsdelikten › II. Willensherrschaft bei mittelbarer Täterschaft
II. Willensherrschaft bei mittelbarer Täterschaft
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In § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB stellt der Gesetzgeber klar, dass Täter auch eine Person sein kann, die den Taterfolg nicht eigenhändig, sondern durch einen anderen verursacht hat. Diese Form der Täterschaft wird bekanntlich als mittelbare Täterschaft bezeichnet. Spezifische Ausprägung von Tatherrschaft bei der mittelbaren Täterschaft ist nach Ansicht von Roxin die sogenannte Willensherrschaft.[1] Dem Hintermann soll dabei eine willensbeherrschende Machtposition über den unmittelbar Ausführenden zukommen. Der Wille des unmittelbar Ausführenden könne in diesem Zusammenhang auf drei unterschiedliche Arten beherrscht werden. Demgemäß unterteile sich die Willensherrschaft in Willensherrschaft kraft Nötigung (Nötigungsherrschaft), Willensherrschaft kraft Irrtums (Irrtumsherrschaft) und Willensherrschaft kraft der Beherrschung eines organisatorischen Machtapparates (Organisationsherrschaft).[2]
1. Nötigungsherrschaft
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Grundlage der Nötigungsherrschaft sei das sogenannte Verantwortungsprinzip. In Fällen der Willensherrschaft kraft Nötigung übe der Hintermann auf den unmittelbar Tatausführenden einen derartigen Druck aus, dass dieser von seiner strafrechtlichen Verantwortung gemäß § 35 StGB befreit werde. Die Befreiung des unmittelbar Tatausführenden von strafrechtlicher Verantwortung habe dabei automatisch die Belastung des druckausübenden Hintermannes mit täterschaftlicher Verantwortung zur Folge – dies sei Ausfluss des „Verantwortungsprinzips“ und vermittele dem Hintermann Tatherrschaft.[3]
2. Irrtumsherrschaft
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Strukturell von der Nötigungsherrschaft zu unterscheiden sei die sogenannte Willensherrschaft kraft Irrtums. Während bei der Nötigungsherrschaft die Verhaltenszurechnung über eine Entbindung von strafrechtlicher Verantwortung aufgrund ausgeübten Drucks geschehe, soll im Bereich der Willensherrschaft kraft Irrtums nicht Zwang sondern ein Mehr an Wissen der entscheidende Faktor für Verhaltenszurechnung und damit die Tatherrschaft sein.[4] Der Tatherr habe hier aufgrund seines Wissensvorsprungs die Möglichkeit einer „gestaltenden Überdetermination“, weil er durch sein Mehr an Wissen die Möglichkeit habe, den Tatverlauf nach seinem Willen zu gestalten.[5] Irrtumsherrschaft sei dabei in vier verschiedenen Varianten denkbar. Erstens könne Irrtumsherrschaft vorliegen, wenn der Hintermann den Tatausführenden in einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum