Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung. Malte Wietfeld
Täters bei der Tatausführung ergeben. Mittäterschaft sei Tatbestandsverwirklichung durch anteilige beziehungsweise arbeitsteilige Ausführung der Tat. Tatherrschaft werde hierbei dadurch vermittelt, dass der Ausführende eine Aufgabe übernehme, die für die Realisierung des gemeinsamen Tatplans wesentlich sei. Korrektiv sei hierbei, ob dem Ausführenden durch diesen Tatbeitrag die Beherrschung des Gesamtgeschehens ermöglicht werde, auch wenn er nicht sämtliche wesentlichen Tatbeiträge eigenhändig vorgenommen habe.[2] Eine solche Beherrschung sei dann denkbar, wenn der Beteiligte durch die Verweigerung seines Tatbeitrages dazu in der Lage sei, den gesamten Deliktsplan scheitern zu lassen. Eine derartige Hinderungsmacht verleihe Tatherrschaft über die gesamte Tat.[3] Mittäterschaft sei dementsprechend von zwei Voraussetzungen abhängig: dem Vorliegen eines gemeinsamen Tatplans und der gemeinsamen Tatausführung. Die gemeinsame Tatausführung setze wiederum voraus, dass ein wesentlicher Tatbeitrag im Ausführungsstadium der Tat erbracht werde.[4]
Anmerkungen
Siehe dazu Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 188 ff.; ders. Täterschaft und Tatherrschaft, S. 275 ff.; LK-Roxin (2003), § 25 Rn. 154.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 188; LK-Roxin (2003), § 25 Rn. 154; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 278 f.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 188.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 189; LK-Roxin (2003), § 25 Rn. 173 ff.
C. Von der Tatherrschaftslehre nicht erfasste Deliktsgruppen
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Roxin wendet die Tatherrschaftslehre nur auf die von ihm sogenannten Herrschaftsdelikte an. Daneben gebe es jedoch mit den Pflichtdelikten und den eigenhändigen Delikten zwei Deliktsgruppen, für die das Tatherrschaftskriterium keine taugliche Grundlage zur Bestimmung von Täterschaft biete.[1] Die Unanwendbarkeit des Tatherrschaftsgedankens folge sowohl bei den Pflichtdelikten als auch bei den eigenhändigen Delikten aus ihrer Tatbestandsstruktur und sei keine Eigenart des Tatherrschaftsgedankens.[2] Der Gesetzgeber habe zwei Möglichkeiten, ein deliktstypisches Verhalten in einer dem nullum-crimen-Grundsatz entsprechenden Weise tatbestandlich erfassen zu können.[3] Die eine Möglichkeit bestehe darin, das sozial unerträgliche Verhalten im Tatbestand der Strafvorschrift möglichst genau zu definieren. Für diese „Handlungsdelikte“ sei das Kriterium der Tatherrschaft das geeignete Abgrenzungsmerkmal zur Ermittlung von Täterschaft.[4] Die zweite Möglichkeit bestehe demgegenüber darin, im Tatbestand an eine – diesen erst konstituierende – Pflicht anzuknüpfen, deren Verletzung das strafwürdige Verhalten ausmache. Eine so geprägte Tatbestandsstruktur bringe zwangsläufig auch eine Eingrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs dieser Strafvorschriften mit sich. Zentralgestalt dieser Pflichtdelikte könne nur der Adressat der entsprechenden Verpflichtung sein. Bei der Tatbestandsverwirklichung komme es danach nicht auf die Tatherrschaft, sondern nur darauf an, ob die vom Tatbestand konstituierte Pflicht durch ihren Träger verletzt worden sei.[5]
Entsprechend verhalte es sich bei eigenhändigen Delikten. Eigenhändige Delikte seien Delikte, die weder vom Tatherrschaftsgedanken noch vom Pflichtdeliktsgedanken zu erfassen seien und daher eine eigenständige Deliktsgruppe bildeten.[6] Diese Delikte könnten nur in unmittelbarer Täterschaft begangen werden. Mittelbare- und Mittäterschaft seien insoweit nicht denkbar.[7] Welche Delikte im Einzelnen als eigenhändige Delikte eingestuft werden können, ist umstritten.[8] Klar sei jedoch, dass die Tatherrschaftslehre im Rahmen der eigenhändigen Delikte keine Anwendung finden könne, weil diese eben allein durch den unmittelbar Ausführenden und gerade nicht durch einen Hintermann oder mit Hilfe eines Komplizen kraft Willens- oder funktioneller Tatherrschaft begangen werden könnten.[9]
Anmerkungen
Siehe dazu ausdrücklich Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 27 (Fn. 23).
Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 353; in diesem Sinne auch ders. Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 267 f.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 267.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 267.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 268.
Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 399.
Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 288.
Siehe zum Streitstand Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 288 ff.
Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 399 f.
D. Fazit zu den Kernthesen der Tatherrschaftslehre im Sinne Roxins
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Zusammengefasst lauten die Kernthesen der Tatherrschaftslehre von Roxin damit:
Die zentrale Gestalt der Tatbestandsverwirklichung und damit Täter ist derjenige, der das tatbestandsmäßige Geschehen bis zum Erfolg beherrscht. Teilnehmer dagegen nehmen zwar auch Einfluss auf das Geschehen, haben aber keine beherrschende oder mitgestaltende Stellung. Unmittelbaren-, mittelbaren- und Mittätern kommt dabei jeweils eine spezifische Art der Tatherrschaft zu. Anhand eines beschreibenden Verfahrens ist zu ermitteln, ob der unmittelbare Täter Handlungsherrschaft, der mittelbare Täter Willensherrschaft und der Mittäter funktionelle Tatherrschaft im Rahmen der Deliktsverwirklichung gehabt hat. Dabei muss aber beachtet werden, dass der Tatherrschaftsgedanke nur im Bereich von Herrschaftsdelikten nicht dagegen im Bereich von Pflichtdelikten und eigenhändigen Delikten anwendbar ist.
Teil 3 Neueste Kritik an der Tatherrschaftslehre
Inhaltsverzeichnis
A. Kritik an dem Kriterium der Handlungsherrschaft als Tatherrschaftsmerkmal des unmittelbaren Täters
B. Willensherrschaft als Tatherrschaftsmerkmal des mittelbaren Täters