Tausche Ehegatten gegen Mann im Kilt. Pia Guttenson

Tausche Ehegatten gegen Mann im Kilt - Pia Guttenson


Скачать книгу
entließ sie ihn in die Freiheit. Nach einem weiteren viertelstündlichen Kampf mit der Fahrradpumpe hatte sie einen passablen Untersatz. Vor allem fahrbar. Ob das Herrenrad wohl ihrem Vermieter Alasdair Munro gehörte? Der Größe nach könnte es hinkommen.

      Gut für sie. Munro war so ziemlich der erste Mann, der sie deutlich überragte. Alex war gerade so groß wie sie selbst. Dafür hasste er es immer, wenn sie ihre High Heels trug. Die Einkaufstasche hängte sie an den Lenker. Für den Gepäckträger hatte Lou ebenfalls im Schuppen einen alten Weidenkorb gefunden, welchen sie dort festklemmte. Ungelenk schwang sie sich über die Stange auf den Sattel. Doc sprang in freudiger Erwartung auf einen Spaziergang voraus. Sie folgte ihm zuerst recht wackelig, fast als würde sie über unebene Steine fahren. Doch mit jedem zurückgelegten Meter wurde sie sicherer, wenngleich ihr Knie immer wieder schmerzte. Zumindest blutete es nicht mehr.

      Dafür bot es allerdings einen wunderbar farbigen Anblick. Der Zauber der Landschaft um sie herum nahm ihren Blick jedoch so gefangen, dass sie an nichts mehr dachte, außer an perfekte Stellen zum Malen oder an Jamie und Claire, die sich liebkosend in der Wiese herumrollten. Ihre Wut auf Alasdair Munro war zumindest für den Moment verraucht. Vielleicht würde es im Ort ja einen Pub geben, in dem sie ein warmes Mittagessen einnehmen konnte. Wer wusste schon, ob sie dort nicht auch auf einen netten gut aussehenden Schotten im Kilt traf? Hieß es nicht, dass jedes noch so kleine Dorf in Schottland einen eigenen Pub hatte? Oder nicht?

      Das verbrannte Frühstück lag ihr wie Blei im Magen. Außerdem würde sie so auch sofort feststellen können, ob es nicht doch einen Friseur gab. Keine fünfzehn Minuten später kamen bereits die ersten Häuser des Dorfes in Sicht. Auf ihr Kommando wurde Doc langsamer, blieb dicht an ihrer Seite.

       Gut erzogener Kerl!

      Scheinbar hatte sie wenigstens, was die Erziehung ihres Vierbeiners anging, nichts falsch gemacht! Genau genommen war er auch das einzige männliche Wesen, das sie nicht bevormundete oder ihr ständig widersprach.

      Am Vortag hatte sie beileibe kein Auge für irgendetwas gehabt. Sie war viel zu aufgeregt und ängstlich gewesen. Ganz zu schweigen, dass sie mit ihrem Monster von Jeep zu kämpfen gehabt hatte. Umso neugieriger sah sie sich jetzt um. Ein Pub, mehrere Häuser, ein schäbiges Café mit Bäckerei sowie ein ziemlich kleiner Einkaufsmarkt, das war also Kildermorie.

      »Himmelherrgottsackzement, kein Friseur. In diesem verflixten Kaff gibt es keinen Friseur«, schimpfte Lou verzweifelt vor sich hin. Ihre Finger fuhren durch ihre Haarpracht, die sich völlig fremd anfühlte. Unstet schweiften ihre Augen immer noch auf der Suche umher. Die entgegenkommende Gestalt übersah sie dabei vollkommen. Lou prallte gegen den Passanten. Sie kam ins Wanken, fiel lediglich deshalb nicht vom Rad, weil eine Hand sie fest am Oberarm hielt, bis sie beide Beine auf dem Boden hatte. Erschrocken starrte sie in die ozeanblauen Augen von Alasdair Munro.

       O nein. Nicht schon wieder der!

      Lou konnte sehen, wie der Schotte sie unverhohlen von Kopf bis Fuß musterte. Um seine vollen Lippen lag erneut ein ärgerlicher Zug. Konnte der überhaupt freundlich aussehen? Beim Anblick ihrer Haare schoben sich seine Augenbrauen fragend in die Höhe, doch er blieb stumm.

      »Entschuldigen Sie bitte äh, Mr. Munro. Ich war mit den Gedanken wo anders«, hörte sie sich sagen. Der Schotte wich ihrem Blick aus, kraulte stattdessen Doc die Ohren, der sich schwanzwedelnd an die Beine des großen Mannes drückte. »Wenn Sie sich schon mein Fahrrad ausleihen, Mistress Scherzinger …«

      »Schulzinger. Mr. Munro, ich heiße Schulzinger. Und was Ihr Fahrrad anbelangt, ich war so frei, es wieder in einen fahrtüchtigen Zustand zu versetzen. Selbstverständlich werde ich pfleglich mit dem guten Stück umgehen«, schnitt sie ihm den Satz ab. Ärgerlich spürte sie, wie ihre Wangen heiß und somit sicherlich rot wurden. Alasdair Munro streckte sich zur vollen Größe. Er erwiderte ihren Blick, wobei er wiederholt auf ihr verletztes Knie starrte.

      »Aye, Lass. Sie sind selbst in einem Dorf wie diesem eine Gefahr für den Straßenverkehr. Schon mal etwas von Linksverkehr gehört? In Schottland fahren wir Links, nicht etwa mitten auf der Straße oder wie Sie auf dem Bordstein«, warf er ihr vor. Unfähig irgendetwas zu kontern, schnappte Lou nach Luft. Mit zitternden Knien stieg sie komplett vom Fahrrad, warf dieses gegen die Beine des Schotten.

      »Und Sie … Sie haben offensichtlich nicht nur ein Freundlichkeitsproblem, sondern auch ein verfluchtes Treppenproblem«, zischte Lou zornig. Auf dem Absatz drehte sie sich um, den Kopf stolz erhoben.

      »Die siebte Stufe von oben?«, hörte sie ihn fragen, antwortete jedoch nicht, sondern lief stur geradeaus zu dem kleinen Café auf der anderen Straßenseite.

      Sich Alasdair Munros Blicken auf ihrem Rücken bewusst, trat Lou, ohne zu zögern durch die Tür des heruntergekommen wirkenden Gebäudes, das sie sonst mit Sicherheit weder betreten, noch wahrgenommen hätte. Überraschenderweise fand sie sich im Verkaufsraum einer kleinen Bäckerei wieder, in der es herrlich duftete. Verschiedenstes Gebäck lag liebevoll arrangiert hinter einem alten Glastresen in der Auslage. Alleine der Anblick genügte, um Lou das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen. Donuts, Apfeltaschen und herzhaft gefüllte Teigtaschen – Bridies genannt – sah sie ebenso wie Bannockbrot. Neugierig spähte sie um die Ecke ins angrenzende Café.

      Es war zwar klein, doch obwohl es wie die Bäckerei hoffnungslos veraltet wirkte, versprühte es einen gewissen Charme. Einem Charme, dem sie jetzt, wo sie ihm ausgesetzt war, hoffnungslos erlag. Zwei runde und drei eckige Tische mit hübschen Tartantischdecken warteten auf Gäste. Alles wirkte gepflegt, aufs Peinlichste sauber. An einer Wand stand ein Regal, in dem sich bereits die Böden von der Last der vielen Bücher bogen. Gleich daneben stand eine alte Jukebox. Außer ihr selbst konnte sie lediglich einen einzigen Gast sehen. Ein Mädchen von vielleicht acht Jahren saß am Tisch in der hintersten Ecke. Es beachtete sie nicht.

      Malte oder schrieb sehr konzentriert. Lou verharrte kurz, den Blick auf den braunen Lockenkopf des Mädchens gerichtet. Eine freundliche Stimme riss sie aus ihrer Betrachtung.

      »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

      Lou drehte sich nach der Stimme um. Sie sah sich einer rundlichen Frau gegenüber, die ihre Hände an einer großen Schürze abrieb. Die Frau war ein mütterlicher Typ, mit kreisrunden Backen, zwei Köpfe kleiner als sie selbst.

      »Ja, äh danke. Ich würde gerne etwas kaufen und dann hier im Café zu mir nehmen«, antwortete sie. Freundlich erwiderte Lou dabei das einnehmende Lächeln der Frau.

      »Sehr gerne. Kommen Sie mit und suchen Sie sich etwas aus«, sagte die Frau. Lou folgte ihr zurück in die Bäckerei.

      »Ist das Ihrer?«, fragte die Frau, während sie ohne Angst über Docs riesigen Kopf strich, der schwanzwedelnd, ohne sich zu regen, neben ihr saß.

      »Ja. Ähm … ich hoffe, es ist in Ordnung, dass er mit hier drin ist?«

      »Keine Sorge, solange er keine Kunden anfällt, ist das kein Problem. Wir sind hier auf dem Land«, erklärte die Frau mit einem verschwörerischen Zwinkern. »Sie müssen die Deutsche sein, die Al‘s Cottage gemietet hat. Es ist nicht gerade das Modernste aber ich finde, es hat eine unbezahlbare Lage«, plauderte die Frau fröhlich, griff nach einem Porzellanteller und sah Lou abwartend an.

      Eigentlich hatte sie nicht vor, mit einer Fremden sowie Ortsansässigen über die Vor- oder Nachteile, sowie dem fehlenden modernen Komfort des Cottages zu diskutieren. Lediglich ein Unverfängliches »Äh, ja« kam über ihre Lippen. Es war ziemlich schwer, zwischen all den leckeren Dingen zu wählen, zumal ihr Bauch bereits peinlich zu knurren begann. Schließlich entschied sich Lou für ein Bridie gefühlt mit Haggis, außerdem eine Apfeltasche als Nachtisch und natürlich eine Kanne schwarzen Kaffee.

      »Danke. Es ja … äh, es ist sehr nett das Cottage«, murmelte sie erneut, eingeschüchtert vom fragenden Blick der Dame.

      »Mein Name ist im übrigen Marge Munro. Ich bin die Mutter Ihres Vermieters«, erklärte die Frau und schickte sie hinüber ins Café. »Ich bringe Ihnen gleich alles zu ihrem Tisch, Lass«, flötete Marge.Ausgerechnet seine Mutter! Wieso passiert immer mir so etwas?, schoss es


Скачать книгу