Tausche Ehegatten gegen Mann im Kilt. Pia Guttenson

Tausche Ehegatten gegen Mann im Kilt - Pia Guttenson


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dazu, dieses vermaledeite Haus zu betreten, nach all den Jahren, grollte er im Stillen.

      Aus den Augenwinkeln heraus warf er einen verstohlenen Blick auf die Frau. Sie war nur etwas kleiner als er mit seinen 1,85 Meter, was für eine Frau, wie er fand, recht groß war. Dafür war sie dünn. Für seinen Geschmack viel zu dünn. Das wiederum gab ihr das Aussehen eines verunsicherten Rehkitzes. Schwarze Schlieren ihrer Schminke verunzierten das sympathische Gesicht. Er musste sich schwer zusammenreißen, um seinen Blick von diesen waidwunden karamellbraunen Augen zu nehmen, die ihn bis tief ins Mark berührten. Rehaugen. Ein Seufzen entfuhr ihm. O ja.

      Er würde nicht drum herum kommen, das Feuer im Kamin zu schüren, da das Haus traditionell nicht über eine Zentralheizung verfügte. Mit einer Mischung aus Angst und Argwohn, so schien es ihm, sah ihm die Frau zu, wie er aus seinen schlammverschmierten Arbeitsstiefeln stieg. In Gedanken fluchte er über das Loch in seiner linken Socke. Entschlossener als ihm zumute war, trat er schließlich ins Halbdunkel des Flurs. Die Frau schien die Nase zu rümpfen. Beklommen fragte er sich, ob seine Arbeitshose nach Schaf- oder Rinderdung roch.

      Als ob es mich interessiert, was eine aufgetakelte Blondine aus Deutschland von mir denkt, schoss es ihm durch den Kopf. Er war ein Bauer. Nicht mehr und nicht weniger. Seit über acht Jahren hatte er diese Räume nicht mehr betreten. Genau zwei Tage nach der Geburt seiner Tochter Grace, hatte Felicitas ihn verlassen. In ihrem Leben sei kein Platz für das Kind eines Schaf- und Rinderbauern, der in seiner wenigen Freizeit ein Café betrieb, das sich nicht im Geringsten lohnte. Felicitas Leben waren die großen Bühnen der weiten Welt. Nicht ein mickriges Kaff in den endlosen Weiten des schottischen Hochlands an der Seite eines hässlichen Kerls.

      Selbst als sich nach drei Monaten herausgestellt hatte, dass Grace gehörlos war, kam sie nicht zu ihm und ihrer gemeinsamen Tochter zurück. Er hatte lediglich noch zweimal von ihr gehört. Bei der Zustellung der Scheidungspapiere, sowie am Tag ihrer Scheidung, an welchem sie höchstpersönlich, mit einem Lackaffen in Anzug und Schlips an ihrer Seite, erschienen war. Nicht ein einziges Mal hatte sie nach Grace gefragt. An keinem ihrer Geburtstage kam Post. In seinem ganzen Leben hätte er nicht gedacht, dass eine Mutter so herzlos sein konnte.

      Von diesem Tag an war Grace zum Mittelpunkt seines Lebens geworden. Was hätte er auch sonst tun sollen? Grace war sein Fleisch, sein Blut. Den Frauen hatte er, außer zu gelegentlichen Bettgeschichten, abgeschworen. Das würde auch eine deutsche Blondine nicht ändern!

      Louise pfffft … Ein fehlendes E brachte ihm jetzt jede Menge Unannehmlichkeiten ein. Auf löchrigen Strümpfen schob er sich an der Frau vorbei, in sein ehemaliges Wohnzimmer, wo er geübt den Ofen anfeuerte. Den Lichtschalter rührte er nicht an. Er brauchte kein Licht.

      Alasdair wollte nicht sehen, wo er einst mit Felicitas eng umschlungen vor dem Kamin gesessen hatte. Keine Gefühle – keine Verpflichtungen und somit kein Herzschmerz! Bemüht versuchte er, jede knarzende Bodendiele sowie die damit verbundenen Erinnerungen zu ignorieren. Er nahm zwei Stufen auf einmal auf dem Weg ins Bad, um ja nicht die Quietschende zu erwischen, an der sich Felicitas einst das Knie blutig geschlagen hatte. Mit sicherer Hand tastete er nach dem kleinen Schrank, zog ein Handtuch heraus. Zähneknirschend ignorierte er den zarten vertrauten Geruch, der aus dem Frottee aufstieg. Eilig begab er sich wieder zurück nach unten. Wortlos drückte er das Handtuch der Frau in die Hände. Kurz bevor er die Haustür erreichte, besann er sich eines Besseren, drehte sich nochmals zu der Fremden um, die jetzt immerhin im Esszimmer stand, wenngleich sie noch immer völlig verunsichert wirkte. Aber das war ja nicht sein Problem.

      »Klappe immer öffnen, bevor Sie anfeuern. Holz ist hinter dem Haus, Miss …«

      »Schulzinger. Louise Schulzinger«, erwachte die Deutsche aus ihrer Starre. »Was ist denn mit der Heizung, Mister … äh Munro?«, fragte sie.

      »Es gibt keine«, antwortete er knapp. Peinlich berührt riss er sich von den großen in Tränen schwimmenden Rehaugen los. Noch bevor Mistress Schulzinger neue Forderungen stellen konnte, warf Alasdair die Tür bereits hinter sich ins Schloss und stürzte davon. Keine Kompromisse. Keine Gespenster der Vergangenheit und somit keine neuen Verletzungen! Ärgerlich fluchte er vor sich hin, die Hände aufgewühlt in den nassen Haaren. Hatte er keinen Verstand mehr? Eine Touristin. Ein aufgetakeltes Model.

       Herr im Himmel, eine Frau!

      Er hatte ihr sein Hab und Gut vermietet? Sicher, ihm stand das Wasser bis zum Halse. Zum Teufel. Ja. Er hatte keine Ahnung, wie er die nächste Tierarztrechnung – und die würde kommen, das war so sicher, wie das Amen in der Kirche – zahlen sollte. Aber einer A' ghearmailteach sein Hab und Gut vermieten? Verfluchtes fehlendes E!

      A Dhia. Hoffentlich fackelt das Weib nicht das ganze Haus ab, betete er lautlos. Schließlich war er nicht gerade das, was man ausreichend versichert nannte!

      Der ungehobelte Klotz von einem Mann ließ sie einfach stehen. Ohne mit der Wimper zu zucken, war er gegangen. Keine Heizung? Was sollte das den bedeuten? Scheinbar bedeutete warm in Schottland etwas anderes als in Deutschland.

      Der Knall der Haustür hatte sie aus ihrer Lethargie gerissen. Wacklig taumelte sie weiter. Sank auf einen Ohrensessel. Minutenlang starrte Lou dem Rinnsal Wasser hinterher, das von ihren Haaren über ihren Rücken und die langen Beine perlte, um sich dann in einer Pfütze auf dem Boden vor ihr zu sammeln.

      Herrje, sie würde noch das Holzparkett ruinieren.

      Doc setzte sich vor sie, musterte sie mit seinen Teddybär-Knopfaugen. Ein Ohr erhoben, eines eingeklappt, winselte er eindringlich. Seufzend schlang sie sich das kratzige Handtuch um den Kopf, während sie liebevoll durch sein nasses, drahtiges Fell strich.

      »Schon gut, mein Großer. Frauchen hat sich schon wieder im Griff«, raunte sie ihm zu. Vor Kälte waren ihre Glieder seltsam steif. Ungelenk erhob sie sich, um noch mehr Handtücher zu organisieren.

      Schließlich war sie ebenso wie Doc wieder trocken und alle Wasserspuren beseitigt. In einer winzigen Küche hatte sie es, dem Gasherd sowie verbrannten Fingern zum Trotz, geschafft, Wasser für einen Tee in einem altertümlichen Teekessel abzukochen. Lou setzte in Gedanken Streichhölzer ganz oben auf ihre Einkaufsliste. Mit Feuerzeugen konnte sie einfach nicht umgehen, ohne sich zu verbrennen.

      Dass ihre Nägel außerdem viel zu kurz waren, weil sie sich die künstlichen Nägel hatte abnehmen lassen, machte es auch nicht einfacher. In der Hektik und im Halbdunkel hatte sie keinen Wasserkocher gefunden.

      Jetzt saß sie mit einer alten Patchworkdecke, die sie eng um sich geschlungen hatte, in dem abgewetzten Ohrensessel direkt vor dem offenen Kamin. Müde starrte sie in die knisternden Flammen. Sie fühlte sich völlig ausgebrannt. Innerlich leer. Hatte noch nicht einmal die Muse gefunden, sich in dem kleinen Cottage umzusehen. Eigentlich war sie eher der ängstliche Typ Frau, der alles verriegelte.

      Sie vergewisserte sich immer gründlich, ob sie allein war.

      Dabei warf sie stets einen Blick unter das Bett oder in die großen Schränke. Als ob ein Einbrecher sie bei diesem Tun nicht auch umbringen könnte. Seltsamerweise verspürte sie in diesem kleinen Cottage jedoch keinerlei Angst oder Panik. Dem mürrischen Schotten zum Trotz fühlte sie sich heimisch. Fast schon willkommen. Außerdem war da ja auch noch Doc, der hoffentlich nicht in jedem Schotten einen Freund sah.

      Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr Dunkelheit sowie die Umrisse von großen Bäumen, deren Wipfel sich im peitschenden Wind und Regen bogen. Doch auch dieser Anblick ließ sie kalt. Das Smartphone in der Jackentasche ihres Blazers kam ihr in den Sinn. Mit spitzen Fingern zerrte sie es hervor, um nach der Uhrzeit zu sehen.

      Es zeigte kurz nach 21 Uhr an. War das jetzt deutsche oder britische Zeit? Außerdem hatte sie 32 Anrufe in Abwesenheit sowie 12 Nachrichten. Lou schluckte ungläubig. Entschlossen drückte sie, ohne auch nur eine Einzige zu lesen oder irgendeine Nachricht abzuhören, auf Löschen. Dann ließ sie das Smartphone entkräftet auf den Couchtisch gleiten. Aus ihrem Handgepäck förderte sie ein Karton Trockenfutter sowie eine Flasche Whisky zutage, die sie bereits am Flughafen erstanden hatte. Sie kannte sich ein wenig mit schottischem Single Malt aus und hatte einen 15-jährigen Cardhu eingekauft.

      Nachdem


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