Tausche Ehegatten gegen Mann im Kilt. Pia Guttenson
mit kaltem Wasser sicherlich nicht gut genug abzuspülen war. In ihren Bademantel gehüllt, huschte sie in die Küche, setzte den Wasserkessel auf. Wenigstens verbrannte sie sich dieses Mal beim Anzünden der Herdplatte nicht erneut die Finger. Bis das Wasser kochte, öffnete sie Doc die Tür in den Garten. Nervös betete Lou, dass ihre Haare nach zu langer Einwirkzeit tatsächlich hellbraun waren und nicht etwa pink. Die frische Luft und die erdigen Gerüche, die ihr in die Nase stiegen, ließen die Panik wieder etwas abklingen. Herrlich. Trotz des Wasserfiaskos, das ja eigentlich voraussehbar gewesen war, fühlte sie sich frei.
Ein erneutes Hochgefühl ergriff Besitz von ihr. Das letzte Mal hatte sie sich so gefühlt, als sie Doc aus dem Tierheim geholt hatte. Lou schmunzelte vor sich hin, während sie ihrem Riesenkalb zusah, wie der gemeingefährliche, angebliche Kampfhund versuchte, einen Schmetterling einzufangen. Augenblicklich wurde ihr warm ums Herz. Mit purer Absicht hatte sie sich das allerhässlichste Tier ausgesucht. Damals hatte Doc bereits ein halbes Jahr seines eineinhalbjährigen Hundelebens im Tierheim gefristet. Nicht etwa weil er bösartig oder nicht umgänglich gewesen war. Vielmehr weil er mehr einer gerupften Hyäne ähnelte als einem Hund. Zuerst hatte Lou an ihm vorbei gehen wollen, doch ihre Schnürsenkel hatten sich gelöst. So war sie gezwungen gewesen, direkt vor seinem Gitterkäfig am Boden zu knien, um diese zu binden. Docs feuchte Hundenase hatte sie neugierig angestupst. Ein einziger Blick in seine Augen hatte genügt und es war um sie geschehen. Liebe lag eben doch im Auge des Betrachters! Alexander hatte getobt. Himmel, was hatte er sie angebrüllt. Er hatte ihr unterstellt, sie würde sich und ihre Kinder mit einem scharfen Kampfhund in Gefahr bringen. Ein Grinsen legte sich um ihre Mundwinkel.
Der Kampfhund hatte sich als Kampfschmuser entpuppt. Instinktiv hatte Doc Alexander nie richtig akzeptiert. Heute war sie sich sicher, dass das Schicksal Doc für sie vorbestimmt hatte. Das schrille Pfeifen des Wasserkessels unter-brach sie beim Betrachten ihres glücklichen Hundes. Den Griff des heißen Kessels mit Geschirrhandtüchern umschlungen in der einen, einen leeren Eimer zum Wassermischen in der anderen Hand, eilte sie die Stufen zum Bad empor. Dummerweise blieb sie an einer dieser Stufen hängen, knallte schmerzvoll mit dem Knie gegen die Kante der nächsten. Der Kessel rutschte scheppernd über die Fliesen, während der Eimer in einer anmutigen Kurve durch die Luft flog.
»Himmelherrgottsackzement!«
Vor Schmerz schossen ihr die Tränen in die Augen. Argwöhnisch schielte Doc von unten um die Ecke. Vermutlich um dem schrecklichen Lärm auf den Grund zu gehen. Lou bedeutete ihm per Handzeichen, sich zu trollen. Ihr Knie blutete aus einer Schürfwunde. Ärgerlich klaubte sie den Eimer vor der Tür auf, um sich dann vorsichtig humpelnd ins Bad zu schleppen.
»Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn einmal etwas ohne Komplikationen klappt, Lou. Wenigstens ist der Kessel nur geschlittert«, zischte sie. Nachdem sie einen Holzsplitter aus der Wunde gezogen hatte, presste sie ein Taschentuch fest dagegen. Nach ein paar Minuten hörte es bereits zu bluten auf. Allerdings schwoll das Knie etwas an und wurde bereits blau. Kein Wunder bei ihren grazilen Storchenbeinen.
Tapfer ignorierte sie die unangenehm pochende Wunde. Im Eimer mischte sie das kalte Leitungswasser mit dem heißen Wasser aus dem Kessel. Bewaffnet mit Handschuhen, Shampoo sowie Unmengen an Spülung, widmete sie sich im Anschluss ihren Haaren. Sah zu, wie ein Teil ihres Lebens in pinkfarbenen Schlieren das Waschbecken hinab floss, um gurgelnd im Abfluss zu verschwinden.
»Auf nimmer Wiedersehen, Blondie!«, murmelte sie. An-schließend betrachtete sie das Ergebnis im Spiegel. »Zufriedenstellend sieht anders aus«, raunte sie enttäuscht ihrem Spiegelbild zu. Die Haarfarbe war okay. Der Rest ihrer Frisur ließ allerdings schwer zu wünschen übrig.
Ein bisschen wie ein räudiger Straßenköter! Elender Mist!
Zu allem bereit humpelte sie die Treppe hinab in die Küche. In den Schubladen wühlte sie, bis sie endlich eine Schere fand, mit der sie zurück ins Bad eilte. So schwer konnte das schließlich nicht sein. »Im Film klappt das auch immer«, redete sie sich Mut zu. Konzentriert fasste sie ihre nassen Haare zu einem strengen Zopf zusammen, fixierte diesen mit einem Haargummi. Tief durchatmend setzte sie die Schere an. Leider war das alte Ding mehr als stumpf, sodass Lou immense Kraft aufwenden musste. Sie brauchte mehrere Anläufe mit jeder Menge Ausdauer, bis sie endlich den abgetrennten Zopf in der Hand hielt. Nachdem sie den Haargummi entfernt hatte, sah ihre Frisur leider mitnichten besser aus.
»Ach du … Ach nein!«, entwich es ihr. Tränen des Zorns liefen ihr über die geröteten Wangen. Das durfte doch nicht wahr sein. Jetzt hatte ihre Frisur mehr Ähnlichkeit mit einem gerupften Huhn. Während sie ihre nassen Strähnen trocken föhnte, versuchte sie, sich verzweifelt zu erinnern, ob es in der Straße von Kildermorie einen Friseur gab.
»Gott, ich sehe aus wie eine Vogelscheuche«, stöhnte sie laut auf. Missmutig zog sie sich eine kurze Jeans, Turnschuhe und ein Shirt an. »Kein Grund zur Aufregung, Lou«, redete sie sich selbst ein. »Keine Panik. Du hast einen Laptop und es gibt das Internet. Wäre doch gelacht, wenn du keinen Haarguru in deiner Nähe fändest!«
Ein paar Minuten später saß Lou am Esszimmertisch auf der Suche nach Internetempfang. Es tat sich nichts. Sie hatte weder mit noch ohne Internetstick Empfang. Es war nichts zu machen. »Das kann doch nicht sein! Was um alles in der Welt habe ich für eine Bruchbude gemietet? Wo ist die versprochene Internetverbindung?«, schimpfte Lou ärgerlich, dabei schenkte sie Doc ein entschuldigendes Schulterzucken, da der Hund sie ansah, als wäre sie nun komplett verrückt.
»Jetzt sieh mich nicht so an, Hund. Dieser elende Schotte Munro, hat mir modernen Komfort angepriesen. Dass ich nicht lache!«
Natürlich hatte auch ihr Smartphone keinerlei Empfang, zeigte dafür aber eine neue schwindelig machende Zahl an entgangenen Anrufen und noch mehr Nachrichten an. Aber wenn doch Nachrichten und Anrufe ankamen, musste doch Empfang da sein. Oder nicht? Mit dem Smartphone in der Hand suchte sie jeden Quadratzentimeter des Cottages nach Empfang ab. Sie krabbelte auf dem Boden, hielt das Smartphone an die Decke. Lief damit ums Haus. Selbst zum Dachfenster hielt sie es hinaus. Kein Empfang. Das gab es doch alles nicht! Einmal mehr löschte sie im Anschluss alles, ohne irgendetwas zu lesen oder abzuhören. Inzwischen schlich sie wie auf Glatteis in die Küche, das Knie so wenig wie möglich abwinkelnd. Es pochte und rumorte vor Schmerzen. Himmel tut das weh!
In der Küche fand sie wenigstens auf Anhieb den Erste-Hilfe-Kasten, auf den sie bei der Suche nach der Schere zufällig gestoßen war. Das nicht kleben wollende Pflaster, das sie zutage förderte, war der Tropfen, der das Fass ihres Zorns zum Überlaufen brachte. Laut fluchend, mit dem gesunden Fuß aufstampfend, warf sie den kompletten Erste-Hilfe-Kasten zu Boden. Das poröse Plastik des Kastens sprang sauber in der Mitte auseinander. Eine Flut aus alten Binden, Sicherheitsnadeln und diversen anderen Dingen ergoss sich zu ihren Füßen. Mit energischen Schritten, den Schmerz im Knie ignorierend, schnappte sie sich ihre Einkaufstasche nebst Portemonnaie, zischte Doc ein »Gassi« zu und machte sich auf den Weg. Hinter ihr fiel die Haustür mit einem dumpfen Knall ins Schloss, gefolgt von einem Scheppern.
Warum um alles in der Welt bin ich auf einmal so ein Tollpatsch?
Ihr ironisches Lachen ließ Doc den Schwanz einklemmen. Die Ohren angelegt, trottete er ergeben neben ihr her. Wenn ihr dieser Schotte jetzt in diesem Moment über den Weg lief, dann gnade ihm Gott. Sie hatte nicht übel Lust, ihn mit bloßen Händen zu erwürgen.
»Pah. Moderner Komfort!« Ihre Augen blieben an dem schiefen Tor des Schuppens hängen, der sich an die Wand des Cottages schmiegte. Neugierig trat sie näher, warf einen Blick durch den Spalt der sichtlich verzogenen hölzernen Schuppentür. Im Halbdunkel meinte sie, die Umrisse eines Fahrrads ausmachen zu können. Mühsam zerrte sie die Tür auf, um sich den Haufen Gerümpel näher anzusehen. Es handelte sich tatsächlich um ein Fahrrad, das sie entdeckt hatte. Ohne Staub, Schmutz oder diversen Spinnen Beachtung zu schenken, zog sie besagtes Teil ins Freie. Das Licht im Schuppen ließ nämlich, wie so vieles, ebenfalls zu wünschen übrig. Eine genauere Begutachtung war so nicht möglich. Es war ein in die Jahre gekommenes, etwas rostiges Herrenrad. Die Reifen hatten zu wenig Luft, aber mit der passenden Fahrradpumpe würde sie dieses Problem gleich aus der Welt geschafft haben. Außerdem müssten die porösen Reifen ein Leichtgewicht wie sie noch aushalten können.