Höllentrip. Manuela Martini

Höllentrip - Manuela Martini


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      „Bin wie üblich aufgestanden, hab’ nach den Pferden gesehen, um zehn oder elf bin ich zum Einkaufen...“

      „Wohin?“

      „Das wollen Sie auch wissen?“ Er holte Luft. „In diesen Laden in Chinchilla, an der Ecke auf der Hauptstraße. Hab im Pub nebenan ´en Sandwich gegessen, so um drei bin ich wieder heim. Um sieben oder so bin ich wieder in den Pub. Sie können den Wirt fragen.“

      „Danke, Mister Denham. Wir würden gern noch ihr Reifenprofil abgleichen.“

      „Abgleichen? Worauf wollen Sie hinaus?“

      „Routine, reine Routine. Guten Tag, Mister Denham.“

      „Romaine scheint ja ziemlich berechnend gewesen zu sein“, bemerkte Tamara als sie auf die Piste einbog. In den Scheiben sah Shane, dass Barry ihnen nachblickte, dann verschluckte ihn eine gelbe Staubwolke.

      „Inzwischen gibt es schon einige, die ein Motiv hatten, Romaine zu töten“, redete Tamara weiter, „Jane wollte sich vielleicht rächen und ihr altes Leben zurück, Barry hat sich von Romaine gedemütigt gefühlt, weil sie ihn verlassen hat.“

      „Vergiss Alan Hall nicht“, warf er ein. „Immerhin hat ihn Romaine um zwanzigtausend Dollar betrogen.

      Tamara wirkte nachdenklich und bis zur Polizeistation redeten sie nichts mehr miteinander.

      Im Büro holte er sich eine kalte Cola aus dem Automaten im Vorzimmer. Tamara vertiefte sich in die Protokolle und Berichte. Man hatte keine Blutspuren im Büro und in der Umgebung des Safes im Earl’s gefunden. Die Theorie, dass Romaine beim Ausräumen des Safes von jemandem überrascht und dort umgebracht worden war, hatte sich so gut wie erledigt. Romaine musste also woanders getötet worden sein. Vielleicht in ihrem Auto. Doch ihr weißer Toyota Kombi war wie vom Erdboden verschluckt. Mike Paradabar, der Schriftenexperte im Brisbane-Headquarters, war noch nicht dazu gekommen, den Zettel Sorry. Romaine mit den Schriftproben zu vergleichen, die sie aus Romaines Zimmer mitgenommen hatte. Er vertröstete Shane auf den nächsten Tag.

      Herb kam in ihr enges Büro und ließ sich mit seinem schweren Körper auf einen Stuhl fallen.

      „Ich überlege schon die ganze Zeit, ob dieser Fall nicht doch mit dem vor einem Jahr zusammenhängt. Ich habe Ihnen doch am ersten Abend von dieser verschwundenen Frau erzählt. Erinnern Sie sich?“

      „Sie wollte zu ihren Eltern, oder?“

      „Ja.“

      Shane dachte darüber nach. Wollte Herb sich wichtig machen?

      „Wieso kommen Sie darauf, Herb?“

      Herb faltete die Hände ineinander, drehte sie nach außen und ließ die Gelenke knacken.

      „Der Fall ist mir nur sofort eingefallen.“

      „Okay, Herb“, entschied Shane, „dann möchte ich einen kompletten Bericht über diesen Fall.“

      Herb sprang auf.

      „Kein Problem, kriegen Sie!“

      Shane lehnte sich in seinem wackligen Bürostuhl zurück und dachte über die nächsten Ermittlungsschritte nach. Hatte Eliza nicht Romaines Zahnprothese erwähnt? Er nahm ihren Bericht zur Hand. Richtig. Die oberen vier Schneidezähne fehlten und wurden durch eine an die Eckzähne angehängte Prothese mit Gaumenstück ersetzt. Jeder Zahnarzt wird sich an eine solche Arbeit erinnern, hatte Eliza geschrieben.

      „Tamara, was hältst du davon, wenn du dich mal um Romaines Zahnarzt kümmerst. Ich möchte gern wissen, ob Romaine vielleicht von jemandem die Zähne ausgeschlagen bekommen hat.“

      Es war kurz nach drei Uhr. Noch immer Montag. Er fühlte sich erschöpft, hungrig und durstig. Seit zwei Stunden hatte er Kopfschmerzen. Ich sollte etwas essen, dachte er, doch das Telefon klingelte und eine Frauenstimme behauptete, sie habe eine wichtige Aussage zu machen.

      Kapitel 17

      Brisbane. Montagnachmittag, drei Uhr, siebenundzwanzig Grad im Schatten. Sophie Grangé ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, warf die Reisetasche auf den Rücksitz und schüttelte ihre Mähne. „Gold-Girl“, hatte sie der Visagist während der Dreharbeiten genannt und das hatte ihr natürlich gefallen.

      Das australische Austauschjahr im Rahmen ihres Betriebswirtschaftsstudiums in Lyon war schon fast zur Hälfte vorbei, dachte sie wie inzwischen schon fast jeden Tag. Bisher hatten sie allerdings viel mehr Zeit am Strand der Goldcoast und in Byron Bay verbracht als in den Unterrichtsräumen. Und wenn schon - manchmal erinnerte sie ihr Leben an eine Schale Wasser, die sie auf einem langen, steinigen Weg tragen musste. Mit jedem Schritt aber verschüttete sie etwas, bis die Schale am Ende leer war. Das machte sie traurig und dann fühlte sie sich plötzlich uralt. Aber noch war der Aufenthalt noch nicht zu Ende. Ihr gefiel dieses Land. Sie liebte den Pazifik, die Strände – obwohl sie sonnenempfindliche Haut hatte – sie liebte die Offenheit und Entspanntheit der Menschen und vor allem die der Männer - und ihr gefiel die Tatsache, dass sich im Rücken der großen Städte ein Land öffnete, das voller Geheimnisse und Unbekanntheiten war. Kleine Abenteurerin, hatte ihre Mutter sie genannt, als sie sich, noch ein Kind, bis in die späten Abendstunden draußen herumtrieb.

      „Catherine, wo bleibst du denn?“, rief sie und trommelte auf den Türgriff.

      Was brauchte Catherine nur so lange? Immer sah sie zehnmal nach, damit sie nur nichts vergaßen. Sophie klappte die Sonnenblende herunter und überprüfte ihren Lippenstift. In der Hitze war Lipgloss das einzige, was sie ertragen konnte. Keine Wimperntusche, keinen Lidschatten und ganz gewiss keinen Lidstrich. Auf ihrer Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet und ein paar rötliche Hitzeflecken.

      Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu und klappte dann die Sonnenblende wieder hoch, zupfte die Spaghettiträger ihres hellblauen Sommerkleides zurecht und warf einen ungeduldigen Blick aus dem Seitenfenster.

      Catherine, ihre Kommilitonin aus Lyon, hatte sich auch für das Jahr in Australien entschieden, und gemeinsam bewohnten sie das Apartment.

      Hinter Catherine fiel die Haustür ins Schloss. Sie schleppte ihre Reisetasche – die wegen der Bücher wieder viel zu schwer geworden war - zum Kofferraum und warf ihn mit einem lauten Knall zu. Anders blieb er nicht geschlossen, hatte Toby gesagt, Sophies Freund. Er hatte ihn Sophie von irgendwoher besorgt – als sie die Gage für den Werbespot bekommen hatte. Catherine hatte von dem Casting gelesen und Sophie darauf aufmerksam gemacht. Ohne Catherine hätte Sophie gar nicht oder viel zu spät davon gehört. Und es war sie, Catherine, die fuhr, weil Sophie darauf keinen Wert legte – und weil sie es auch nicht besonders gut beherrschte, das Linksfahren. Doch Catherine hütete sich davor, dies Auszusprechen. Sophie würde sonst darauf bestehen, das Steuer zu übernehmen und das wollte sie sich ersparen. Sie öffnete die Fahrertür, ließ sich auf den Sitz fallen und putzte ihre runde Brille mit dem unteren Zipfel ihres mit großen türkis- und rosafarbenen Blüten bedruckten, engen Shirts, das leider etwas unter den Achseln zwickte aber ihren Busen hervorhob. Dem einzigen Körperteil, mit dem sie sich Sophie überlegen fühlte.

      Sie war klein, etwas gedrungen, kurzsichtig und ihre schulterlangen glatten Haare wurden auch mit blonder Tönung nie so schön wie Sophies. Nur eben ihr Busen war einen Blick wert – mehr Blicke als der von Sophie. Die Bemerkung, dass schließlich doch nur die inneren Werte zählten, war eine schlechte Lüge, wahrscheinlich von einer wunderschönen Frau in die Welt gesetzt, die es nie erleben musste, was es bedeutete, nicht beachtet zu werden.

      Für einen Moment befielen sie Zweifel, ob sie für die nächsten zwei Wochen, die sie bei Toby auf der Farm seiner Eltern verbringen würden, Sophies egozentrisches und kokettes Wesen ertragen könnte. In den letzten Wochen hatten sie immer wieder Streit gehabt.

      „Hunger?“ Sophie hielt ihr ein Sandwich unter die Nase.

      Catherine dachte an ihre beiden Speckröllchen, die sich über den Bund ihrer Jeans wölbten, griff dann aber doch zu. Gegen Essen fehlte


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