Höllentrip. Manuela Martini

Höllentrip - Manuela Martini


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schon groß sein, wenn man das Geld so schnell abschreibt.“

      „Was meinen Sie, könnte er’s getan haben?“ Shane nahm sich nun doch auch eine Pastete aus der Tüte, obwohl er eigentlich keine Meatpies mochte. Herb schluckte den Bissen hinunter und ließ die Schultern kreisen, die das Kurzärmelhemd jeden Moment zu sprengen drohten.

      „Keine Ahnung.“

      „Sie sind mir `ne schöne Hilfe, Herb!“ Shane schob sich den Rest der Pastete in den Mund. Ausgerechnet in dem Moment läutete das Telefon, und er gab Herb ein Zeichen abzunehmen.

      „Die Spurensicherung“, sagte Herb und reichte Shane den Hörer. Man hatte an Haut, Haaren und Kleidung der Leiche Schafhaare, Reste von Öl und Styropor nachgewiesen. Hundertzwanzig Meter vom Ablageplatz der Leiche entfernt, auf einer Lichtung, die über einen schmalen Weg von der Straße aus erreichbar war, hatte man folgende Dinge gefunden: eine leere Filmdose, Reifenabdrücke und einen Nylonstrumpf mit Lippenstiftspuren.

      „Und dann“, ergänzte der Mitarbeiter, „haben wir noch etwas anderes Interessantes entdeckt. Ein paar Haare am Strumpf. Eins steht fest: es sind nicht die der Leiche, aber die DNA-Analyse dauert noch.“

      „Die reinste Fundgrube - dieses Chinchilla“, murmelte Shane als er auflegte. „Filmdose? Hat Jane Denham dort fotografiert?“

      „Das werden wir gleich in Erfahrung bringen“, sagte Tamara und stand auf.

      Kapitel 14

      Schon längst säße Joanna im Auto und wäre auf dem Weg nach Hause. Aber es zog sie nicht nach Hause – und die Ahnung von einem Geheimnis, das der Junge in seinem Innern einschloss, ließ sie nicht los. Sie stand vor der weißen Tür seines Zimmers und zögerte, hineinzugehen. Schließlich klopfte sie doch und trat ein. Er wendete sich zu ihr, zeigte aber keine Anzeichen von Begrüßung oder Freude.

      Zu ihrer Überraschung saß er nicht im Bett sondern am Tisch. Heute trug er statt des blauen Jogging-Anzugs khakifarbene Shorts und darüber ein weißes T-Shirt mit einer Superman-Figur darauf. Sein braunes Haar sah zwar gebürstet aus, stand aber in alle Richtungen ab. Sie glaubte ein wenig mehr Zutrauen in seinen braunen Augen mit den langen Wimpern zu erkennen.

      „Hallo, darf ich mich zu dir setzen?“, fragte sie.

      Er erwiderte nichts, schüttelte auch nicht den Kopf und so nahm sie an der kurzen Seite des Tischs platz. Jetzt bemerkte sie, dass er einen Stift in der Hand hielt und vor ihm eine Serviette lag, auf die er drei Buchstaben gezeichnet hatte. ASH.

      „Ist das ein Name?“, fragte Joanna, „dein Name?“

      Seine dunklen Augen sahen in ihre. Langsam schüttelte er den Kopf. Und nach ewigen Minuten, so kam es ihr vor, sagte er:

      „Max.“

      Hatte er sich eben an seinen Namen erinnert?

      „Max? Heißt du Max?“

      Vorsichtig nickte er, als begriffe er erst jetzt, was er gesagt hatte.

      „Max – und weiter?“

      „Ash“, flüsterte er, doch sein Gesicht verschloss sich wieder.

      „Max... Ash?“ Sie ließ ihn nicht aus den Augen.

      Einen Moment überlegte er, wiederholte murmelnd, „Max Ash“. Doch dann schüttelte er den Kopf und sagte mit bestimmter Stimme: „Max.“

      Er hieß also Max, aber ASH gehörte offenbar nicht zu seinem Namen.

      „Ash...“ wiederholte er.

      Sein Blick kehrte sich nach innen. Langsam stand er auf, legte sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Sie spürte ein Unbehagen in sich aufsteigen.

      Kapitel 15

      Jane Denham wohnte in einem nüchternen, irgendwie einsam wirkenden Holzhaus. Als Shane und Tamara klingelten, erschien sie mit einem Turban aus einem schwarzen Handtuch hinter der Fliegentür.

      „Wir haben noch ein paar Fragen, Mrs. Denham“, begann Shane woraufhin Jane grußlos die Fliegentür aufdrückte. Ihre silbergrauen Augen wirkten heute weniger leuchtend, ein wenig müde. Harvey kam aus dem Garten angerannt, bellte und wedelte freudig mit dem Schwanz.

      „Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen noch helfen könnte“, sagte Jane, „ich war gerade im Bad ...“

      „Wir halten Sie bestimmt nicht lange auf.“ Tamara lächelte höflich und ging ins Haus. Shane folgte ihr. Harvey nutzte die Gelegenheit aus und schlüpfte schnell zwischen ihren Beinen hindurch.

      „Das Haus ist nicht gerade mein Stil“, erklärte Jane, als müsse sie sich entschuldigen, „aber wenn man so schnell was zum Wohnen braucht... Wollen Sie was trinken?“

      Der Teppichboden war abgetreten und an den fleckigen Wänden hingen gerahmte Landschaftsfotos. Rote Ebenen im Sonnenuntergang, tiefgrüne sanfte Hügel, über die der Wind strich, Pferde, Pferde und nochmals Pferde.

      „Die Fotos sind von mir“, bemerkte sie.

      Ein paar davon gefielen Shane.

      „Sie sind noch nicht von Barry geschieden?“, eröffnete Tamara das Gespräch.

      „Sind Sie gekommen, um mich das zu fragen?“

      „Nein“, antwortete Tamara, worauf Jane fragend die Augenbrauen hochzog.

      „Was wollen Sie dann?“

      Shane fragte sie nach der Filmdose und den weiteren Utensilien, die die Spurensicherung gefunden hatte. Jane konnte sich nicht daran erinnern, an der beschriebenen Stelle der Lichtung gewesen zu sein und dort eine Filmdose verloren zu haben.

      „Glauben Sie, ich fotografiere noch mit Film?“, fuhr sie auf und lachte. „Und bei der Hitze trag ich sicher keine Nylonstrümpfe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Was fragen Sie mich für ein Zeug?“

      Shane folgte ihr und Tamara ins Wohnzimmer, dessen altmodisch gestreifte Tapeten Schatten und helle Stellen von abgenommenen Bildern aufwiesen. Eine neu aussehende sandfarbene Couch mit passenden Sesseln gruppierte sich um einen niedrigen massiven Holztisch.

      „Nehmen Sie Platz“, sagte Jane, bemüht, höflich zu klingen. Shane konnte den Alkohol in ihrem Atem riechen.

      „Sind das Ihre Fotos?“, fragte Tamara und deutete auf den Stapel auf dem Tisch.

      „Oh ja“, sagte Jane, „ich war gerade am Sortieren.“ Eilig raffte sie die ausgebreiteten Fotos zusammen. Shane deutete auf eines.

      „Das ist doch Romaine, oder?“ Sie schmiegte sich an ein Pferd und flirtete mit der Kamera. „Und Sie wollen Romaines Leiche nicht erkannt haben?“, fragte Shane ungläubig.

      „Dieser Kadaver hatte keine Augen mehr! In der Stirn war ein schwarzes Loch!“ Jane schüttelte heftig den Kopf, „ich konnte nicht fassen, dass das da Romaine sein sollte!“ Hastig griff sie zu der Schachtel Zigaretten auf dem Tisch. In ihren Augen glitzerten Tränen, ihre Lippen bebten. Sie ließ ein Feuerzeug aufschnappen und sog an der Zigarette.

      Shane räusperte sich.

      „Mrs. Denham?“

      „Jane.“

      „Jane“, begann Shane noch einmal und zeigte auf das Foto mit Romaine, „ist das da eins von Barrys Pferden?“

      Sie nickte, ohne ihn anzusehen.

      „Also kannten Romaine und Barry sich?“

      Sie blies lange den Rauch aus und sagte dann:

      „Er hat sie im Earl’s kennen gelernt. Sie arbeitete dort als Kellnerin. Er hat mit ihr geflirtet, während ich dabei saß! Es war unser Jahrestag. Können Sie sich das vorstellen?“ Sie sprach hitzig und aufgeregt weiter. „Können Sie sich so


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