Höllentrip. Manuela Martini

Höllentrip - Manuela Martini


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wir reinkommen?“, fragte nun Tamara.

      „Wenn ich nein sage, holt ihr die Handschellen raus, was?“ Resigniert trat er zur Seite und sie gingen an ihm vorbei. Im Wohnzimmer lief der Fernseher.

      „Na, dann legt mal los.“, sagte er mit provozierendem Unterton.

      „Sind Sie der Cousin von Romaine Stavarakis?“

      „Yeah!“ Er nahm einen Schluck Bier aus der Flasche.

      „Wann haben Sie Ihre Cousine zuletzt gesehen?“, fragte Shane, sich umsehend.

      Ed hatte sich auf die Couch gelümmelt, Bierflaschen, mehrere leere oder halbleere Chipstüten, Reste eines Hamburgers, Zigarettenschachteln und ein Aschenbecher, in dem sich Asche und Kippen häuften, lagen auf dem Sisalteppich. Gelüftet hatte er wohl seit Tagen nicht. Die weißen Rattanmöbel, die bunten, zueinander passenden Kissen schienen mit weiblichem Geschmack und Sorgfalt ausgewählt worden zu sein. Im Moment machte die Wohnung allerdings den Eindruck, dass seit Tagen nicht mehr aufgeräumt oder sauber gemacht worden war.

      „Romaine? Weiß nicht. Vielleicht letzte Woche.“ Ed pulte an seinem Daumennagel. Shane zog das Foto hervor, das die Tote mit abgedecktem Gesicht zeigte.

      „Könnte das Ihre Cousine sein?“

      „Ach du Scheiße!“, rief Ed aus. „Sie hatte so ´nen Rock ...!“

      „Hatte sie eine Zahnprothese der vier oberen Schneidezähne?“, fragte Shane weiter.

      Als Shane und Tamara ihn fragend ansahen, holte er geräuschvoll Luft.

      „Sie hatte so einen Typen kennen gelernt, George, mit ihm wollte sie wegfahren.“ Er zuckte die knochigen Schultern, „sie hat mir `en Zettel hingelegt, dann hab’ ich nichts mehr von ihr gehört.“

      „Wo ist der Zettel?“

      Ed blickte Shane an. Die Schatten in seinen hohlen Wangen wurden noch dunkler.

      „Den hab’ ich weggeworfen. Mann, es war `ne Nachricht, dass sie mit ihm `ne Weile wegfährt, da hab’ ich mir doch nichts dabei gedacht! Bin doch nicht ihr Kindermädchen!“

      „Und Sie haben sich natürlich keine Gedanken gemacht, als sie sich nicht meldete?“, fragte Tamara.

      „Wieso denn?“, blaffte er, „Wieso sollte sie sich überhaupt ... “

      „Wie heißt der Mann genau?“ fiel ihm Tamara scharf ins Wort. „Name, Adresse?“

      „Keine Ahnung! Hab’ ihn ja noch nicht mal gesehen!“

      „Wann hat sie Ihnen den Zettel hingelegt?“

      „Am Samstag – also gestern vor `ner Woche!“

      „Und seitdem haben Sie nichts mehr von ihr gehört?“

      „Nein, Scheiße, Scheiße, Scheiße!“

      „Und was haben Sie am Samstag und am Sonntag vergangener Woche gemacht, Mister Fraser?“, fragte nun Shane.

      Ed trank die Flasche aus und kratzte sich am Kopf.

      „War ja klar - die Scheißfrage nach dem Alibi!“ Er ließ einen anzüglichen Blick über Tamara wandern, zog die Nase hoch und sagte dann lässig: „War in Brissi, bin am Samstag los, war erst am Montag frühmorgens wieder hier.“

      „Wann genau? Mit wem? Mit ihrem Wagen?“, fragte Tamara ungerührt.

      „Scheiße! Irgendwann am Nachmittag. Sicher mit meinem Wagen! Verdammt, das ist `en echtes Verhör, was?“

      „Zeugen in Brisbane?“

      Ed wischte sich mit dem Handrücken über seinen zotteligen Schnauzer. „Sicher, Sweetheart, ich fahr doch nicht nach Brissi um allein vor mich hinzudämmern, was?“

      „Noch einmal Sweetheart und wir werden andere Methoden anwenden, Mister Fraser.“

      „Wie soll ich das denn verstehen?“

      „Indem Sie darüber nachdenken“, sagte Tamara kühl.

      „He, he schon gut!“ Er hob die Hände, „he, wie wär’s mit `nem Eis? Vanille? Schoko? Ist im Kühlschrank...“

      „Also,“ ging Shane dazwischen, bevor das hier aus dem Ruder lief, „Namen?“

      „He, ich hab’ das ernst gemeint mit dem Eis!“, krampfhaft hielt Ed die Bierflasche fest. „Also gut: Sidney Emmerson. Wir waren in Harry Newmans Kneipe. Zufrieden?“

      Shane steckte seinen Notizblock weg. „Wem gehört dieses Haus?“

      Ed nahm eine der Tüten und begann sich Chips in den Mund zu stopfen.

      „Gemietet.“ Plötzlich schien er sich wieder sicherer zu fühlen.

      „Von Romaine?“

      „Yeah.“ Die Chips in seinem Mund krachten.

      „Und Sie wohnen einfach so dabei?“

      „He, Mann, nein! Ich zahl Miete. Hab ja auch `nen Job, bin Schlosser. Sie hat mir angeboten, hier zu wohnen.“

      „Hatte Romaine Feinde?“, fragte Shane.

      „Feinde? Was ist das für `ne Frage! Wer hat keine Feinde? Sicher wird es Leute gegeben haben, die sie nicht mochten ...“

      „Wo hat sie gearbeitet?“

      „War Bedienung im Earl’s.“

      „Wo ist Romaines Zimmer?“

      Er zeigte zu einer der vom Wohnzimmer abgehenden Türen.

      Geblümte Gardinen, geblümte Tagesdecke; neben dem Bett ein Nachttisch, darauf ein Wecker und abgelegte Ringe; an der Wand ein Spiegelschrank und ein wackliges Regal mit ein paar zerlesenen Liebesromanen und einer Menge Krimskrams wie kleinen Figürchen, bunten Armreifen, Muscheln und Steinen.

      „Also, wenn ich nicht wüsste, dass Romaine achtundzwanzig war...“, bemerkte Shane.

      Tamara deutete auf zwei eingerahmte Fotos, die zwischen bizarr geformten Schneckenhäusern im mittleren Regalfach standen. Das musste sie sein: Schulterlanges, gekräuseltes, blondes Haar, etwas engstehende Augen und eine große Nase. Sie sah durchschnittlich, etwas gewöhnlich aus, ihr Lachen war nett und nichtssagend. Shane nahm nicht das mit dem Badeanzug sondern das, auf dem sie Jeansrock und Pulli trug. In den Schubladen des unter dem Fenster stehenden Sekretärs aus Rattan lagen Rechnungen und Briefe. Beim Durchblättern fiel ihm die Adresse eines Zahnarztes in die Hände.

      „Wahrscheinlich hatte sie Terminkalender und Adressbuch in ihrer Handtasche“, stellte Tamara fest.

      „Sieht so aus“, stimmt Shane zu und sah im selben Moment einen Koffer auf dem Schrank.

      Tamara folgte seinem Blick und sagte:

      „Vielleicht hatte sie zwei Koffer, oder auch nur eine Reisetasche genommen.“

      Als die Spurensicherung eintraf, verließen sie das Haus.

      „Bist du sicher, dass Ed uns alles gesagt hat?“ Nachdenklich drehte Tamara den Zündschlüssel.

      Er sagte ihr nicht, dass er schon lange niemandem mehr traute, weil jeder doch nur versuchte, sein wahres Gesicht zu verbergen, Vorteile herauszuholen, sich zu schützen. Es gab Tage an denen ihm nichts mehr daran lag, die Wahrheit aus den Menschen herauszuholen. Durch die Gläser seiner Sonnenbrille blickte er zum Seitenfenster hinaus, hinter dem immer gleiche Häuser und Vorgärten vorbeizogen. Verlorenes Glück, hatte er auf einem Buchrücken in Romaines Regal gelesen. Romaine Stavarakis, eine romantische junge Frau, die sich in ihrem Jungmädchenzimmer einen Traum bewahrt. Wurde sie von ihrem Liebhaber George auf ihrer gemeinsamen Reise ermordet und verscharrt? War es so? Verlorenes Glück?

      „Shane?“

      „Ja?“

      „Alles okay?“

      „Ist


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