Höllentrip. Manuela Martini

Höllentrip - Manuela Martini


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Männer antworteten nicht. Nur die Lichter der Spielautomaten zuckten und hinter der Küchentür zischte Fett.

      „Er ist ein verdammt guter Polocrosse-Spieler.“ Der Wirt sah Shane provozierend direkt in die Augen.

      „Das hab’ ich schon gehört. Und was kann er sonst noch alles?“

      Der Wirt stellte das Bier auf die Theke.

      „Was hat Denham damit zu tun? Sie wissen doch noch nicht mal, wer die Tote überhaupt ist, hab’ ich Recht?“ Seine kleinen Augen funkelten.

      „Genau!“, fuhr Tamara auf, „und deshalb fragen wir euch! Das klingt verständlich, oder?“

      „Wir kommen wieder“, sagte Shane rasch und warf Tamara einen Blick zu, den sie zum Glück verstand und ihm daraufhin wortlos folgte.

      „Es ist jedes Mal dasselbe in solchen Kneipen“, sagte Tamara wütend und ließ den Motor aufheulen. „Diese Typen sind einfach widerlich! Wir sollten sie mal stundenlang verhören, da möchte ich mal sehen, wie....“, sie brach ab und sah ihn an, „warum sagst du nichts?“

      Er winkte müde ab.

      „Wenn die Typen mauern, wird alles noch schwieriger.“

      Eine Fliege brummte an der Scheibe. Ein Lieferwagen fuhr vorbei. Ein Hund überquerte die Straße. Shane hatte das Gefühl, festzustecken. In der Zeit. In seinem Leben. Und jetzt auch noch hier im Busch.

      „Und jetzt?“, hörte er Tamara fragen.

      Er deutete nach hinten, zum Kofferraum, in dem Computer, Fax, Scanner und Telefone verstaut waren. Das hieß: auf zum Revier und sich häuslich einrichten, Berichte schreiben – und einen wahrscheinlich schlechten Kaffee trinken.

      „Ich könnte jetzt einen Kuchen vertragen. Einen gigantischen Schokoladenkuchen mit einem Sahneberg!“, sagte Tamara.

      Er lachte auf. Meistens zählte sie pedantisch ihre Kalorien, ernährte sich vegetarisch, predigte die Wichtigkeit von gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung. Tamara stieß einen Seufzer aus und fuhr los.

      Detective Herb Kennedy half ihnen, das Equipment hineinzutragen und es in einem engen, muffigen Raum am Ende des langen Korridors der Polizeistation zu installieren. Als wären die Geräte nicht schwerer als leere Kartons trug er sie aus dem Wagen und stellte sie bedächtig ab.

      Die Schreibtische in ihrem Büro waren abgeschrammt und die Sessel klapprig. Immerhin aber gab es zwei Fenster und eine Kaffeemaschine. Shane erinnerte sich an schäbigere Büros. Herb hatte ihnen in einem einfachen Motel Zimmer zum Übernachten reserviert. Als alles seinen Platz hatte und auch funktionierte, war es fast halb neun. Die Anfrage an das Missing Persons Bureau lief, und die Beschreibung der Toten hatten sie an die Medien gegeben.

      „Wollen Sie und Tamara nicht noch auf ein Barbecue zu mir und meiner Frau rüberkommen?“ fragte Herb Kennedy fast schüchtern.

      „Sorry, Herb“, sagte Tamara und blickte von ihrer Schreibarbeit auf, „aber ich muss noch diesen SITREP hier schreiben.“

      Shane sagte zu. Er hatte keine Lust, jetzt in ein fremdes Motelzimmer zu gehen. Herb lächelte erfreut und Shane wusste, im Busch war jede Abwechslung willkommen.

      Kapitel 5

      Um kurz vor neun stieg Shane in Herbs hellblauen Commodore, in dem es nach Schuhcreme roch. Herb tätschelte das Armaturenbrett, „Ich hab was übrig für alte Autos. Weiß nicht mehr, wie viele Stunden ich schon drunter gelegen hab’. Wie gefällt Ihnen die Lackierung?“

      „Gut“, antwortete Shane und erinnerte sich an das Hellblau.

      „Ich finde, man braucht ein Hobby. Haben Sie auch ein Hobby, Shane?“

      Shane überlegte. Nein, beim besten Willen fiel ihm nichts ein. Vielleicht Musik hören, aber das kein Hobby. Er schüttelte den Kopf.

      „Hab irgendwie nie Zeit dazu.“

      Herb lachte. In einer Seitenstraße, in der sich einfache Häuser dicht aneinander reihten, bog Herb auf den Rasen eines Flachbaus und rollte mit abgestelltem Motor bis vor einen dürren Busch. Dort zog er die Handbremse.

      Kaum waren sie ausgestiegen wurde die Haustür aufgerissen und eine Gestalt hob sich vor dem erleuchteten Flur ab.

      „Becky“, rief Herb, „ich hab jemanden mitgebracht.“ Er nahm mit einem Schritt die drei Stufen zur Tür und gab Becky einen Kuss.

      „Kommen Sie herein“, sagte sie und sah ihn aus fröhlichen Augen an, „ich freue mich, wenn wir Gäste haben!“

      Becky war eine attraktive Frau, wenn man sich die Mühe machte, genau hinzusehen. Sie hatte eine sportliche Figur, eine freundliches, offenes Lachen und ein gleichmäßiges Gesicht. Nichts war da, was einen verstörte, keine zu große oder zu kleine Nase, keine auffälligen Augen, nein, in Beckys Gesicht passte alles – inklusive der unkomplizierten Fransenfrisur und dem Karohemd über der verwaschenen Jeans. Als sie sich zum Licht drehte, fielen Shane ihre Lachfalten auf. Ein glückliches Paar, ging es ihm durch den Kopf – und für einen kurzen Moment dachte er an seine Ehe mit Kim. Wie es am Anfang gewesen war als sie sich noch nicht dauernd stritten.

      „Fühlen Sie sich wie zu Hause, Shane“, sagte Becky und ging mit raschen Schritten voraus, „schlimm genug, dass Sie da draußen in diesen Motels übernachten müssen, noch dazu am Wochenende.“

      „Man gewöhnt sich dran“, erwiderte Shane ohne hinzuzufügen, dass er sogar manchmal ganz froh darum war, nicht nach Hause zu müssen. Ein angenehmer Essensgeruch lag in der Luft. Im Wohnzimmer, das nur durch eine Theke von der Küche abgetrennt war, lagen abgetretene Teppiche und über der Couch hingen Badetücher. Um die abgewetzten Stellen zu verstecken, schätzte Shane. Aber sie schienen glücklich zu sein.

      „Holt Euch einen Drink“, rief Becky aus der Küche, sich die Hände an ihren Jeans abwischend, „die Kartoffeln brauchen noch ein bisschen.“

      Shane setzte sich auf die Couch. In der Ecke bemerkte er den Kasten der Klimaanlage, die trotz der stickigen Hitze nicht eingeschaltet war. Herb kam mit einem Sixpack FourX-Bier aus der Küche, gab Shane eines davon, nahm sich selbst eines und stellte den Rest der Packung auf den Teppich neben der Couch.

      „Ich sag’ Ihnen, einen schlechteren Termin hätte es gar nicht geben können! Chinchilla und Polocrosse, das gehört einfach zusammen. Und jetzt diese Tote.“ Herb ließ sich breitbeinig in einen zerschlissenen Fernsehsessel aus hässlich braunem Kunstleder fallen. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß.

      „Kennen Sie Jane Denham und ihren Exmann näher?“

      „Naja, ich war manchmal mit Barry was trinken. Sie haben sich nur getrennt. Verheiratet sind sie noch.“ Herb trank aus der Flasche. „Irgendwann hatte Jane Barrys Affären satt. Sie sind übrigens beide exzellente Polocrosse-Spieler. Barry hatte ein wunderbares Pferd aus der Doc’s Freckles Oak-Linie, schon mal was gehört davon?“

      Shane schüttelte den Kopf. Mein Gott, wie heiß es hier war. Sein Hemd klebte unangenehm auf der Haut.

      „Nein“, antwortete er, „ich hab’ mich auch noch nie für Pferde interessiert.“

      Herb nahm sich ein neues Bier.

      „Ich mich schon. Aber ich konnte es mir nie leisten. Als Kind bin ich in der Stadt aufgewachsen. Da gibt’s keine Pferde.“ Herb schien für einen Moment Erinnerungen nachzuhängen und leerte die zweite Flasche. „Ich war vorher in Townsville. Dann hab’ ich einen Fehler gemacht ... und ... “

      Herb ließ seinen Blick durch die Wohnung gleiten. Mit einer Hand strich er die aufgerissene Stelle in der Armlehne glatt um dann aber schnell weiter zu sprechen. „Becky ist großartig.“ Er öffnete die dritte Flasche. „Sie hätte was Besseres verdient.“ Er verstummte, lächelte bitter.

      „Herb, das Fleisch!“, rief Becky und schob eine Plastikschüssel auf die Küchentheke.


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