Rette uns, Elaine!. Inga Kozuruba

Rette uns, Elaine! - Inga Kozuruba


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um ihre plötzlich kalt gewordenen Hände zu wärmen. Aber sie musste feststellen, dass der noch verbliebene Tee inzwischen ebenfalls kalt geworden war.

      „Warte, hier, es ist noch etwas da“, lächelte Boo ihr zu und goss die Tasse randvoll auf. Sie lächelte ihm dankbar zu und nahm einen großen Schluck. „Ein Sauwetter, was? Ich an deiner Stelle würde das Treffen mit Leo auf morgen verschieben. Im Nassen herumzulaufen ist nicht schön, und in der kalten Dunkelheit erst recht nicht. Selbst ohne Kreaturen, die nach einem schnappen könnten.“

      Elaine sah ihn fragend an. Er seufzte: „Na ja, wir haben den Krieg sicherlich gewonnen – aber bis die Grenze wieder stand hat es gedauert. Und es hat auch gedauert, bis hier oben auch die letzten Viecher ausradiert wurden, die sich hier eingenistet hatten. Die ersten Jahre wärest du dir hier wie in einem Alien-Film vorgekommen, nur dass man sich nie sicher sein konnte, wie das Alien hinter der nächsten Ecke oder dem nächsten Schuttberg aussieht.“

      Daran hatte Elaine gar nicht gedacht. Die Stadt war vollkommen zerstört und mit Kreaturen überlaufen gewesen. Zum Glück kannte sie beides nur aus Geschichten – sei es reale Geschichte oder Fiktion. Boo und die anderen hatten es jedoch am eigenen Leib mitgemacht. Sie fragte sich, wie viele Narben er inzwischen hatte. Oder hatten sie noch einen so fähigen Arzt gefunden wie Dr. Stern?

      „Hey, bitte schau nicht so. Es muss dir nicht leid tun. Wir haben alle getan, was getan werden musste. Aber jetzt ist alles im Lot. Ehrlich. Dass du dir wegen irgend welcher Alpträume Sorgen machst ist das einzige, das mich davon abhält, Freudensprünge zu veranstalten. Ich hab’ dich echt vermisst!“

      Elaine lächelte. Wenn sie ihm irgendetwas glaubte, dann das. Ihr ging es da schließlich nicht anders. Am liebsten würde sie ihm auch glauben, dass wirklich alles in bester Ordnung war – nur konnte sie es nicht. Manchmal konnte sie gerade noch so, zwischen zwei Lidschlägen, den süßen, ekelhaften Duft der Mutter in der Nase spüren. Oder den Zug der Spinnenfäden. Oder den warmen Hauch des Atems in der Tiefe. Am liebsten wäre sie sofort aufgesprungen und losgerannt, nach unten, immer weiter nach unten, egal was kam. Am liebsten hätte sie eigenhändig die Netze zerfetzt, die ihre Freunde seit einer halben Ewigkeit gefangen hielten. Wer weiß, was sie ihnen in dieser Zeit alles angetan hatte?

      Aber gleichzeitig sagte ein Teil von ihr, dass Boo recht hatte. Zumindest damit, dass es besser war, auf den neuen Morgen zu warten. Sie fühlte sich so müde und schläfrig. Konnte das die Wirkung der Tabletten sein, die sie genommen hatte? Oder war es einfach nur der Tee? Kryss hatte mal einen Tee gemacht, der hätte jeden ins Land der Träume geschickt. Elaine gähnte.

      Boo lächelte: „Kein Wunder, dass du müde bist. Ich hab’ mal gehört, dass es praktisch unmöglich ist ohne jegliche Hilfsmittel zu wechseln.“

      Elaine wollte ihm sagen, dass sie Hilfe hatte, dass sie etwas genommen hatte, aber sie ließ es bleiben. Vielleicht hatte er doch nicht Unrecht.

      „Komm, ich bringe dich ins Bett. Oder willst du erst mal ’ne heiße Dusche zum Aufwärmen? Deine Lippen sind irgendwie blau.“

      Elaine merkte nur, dass ihre Hände eiskalt waren, und sie nickte. Boo half ihr auf, aber sie bestand darauf, selbst zu gehen. Mit einem Teelicht in der Hand führte er sie zum kleinen Bad, das wiederum über elektrische Beleuchtung verfügte. Alle Zimmer bis auf zwei waren zu, bei einem von ihnen war die Tür angelehnt, dahinter war gerade noch ein unglaubliches Chaos aus Dingen und Kleidungsstücken zu sehen. Sie lächelte schwach: Endlich bekam sie Boos Zimmer zu Gesicht, wenn auch nur einen kleinen Ausschnitt davon. Das andere offene Zimmer wartete auf sie, das war ihr klar. Das tat es schon, seit sie die eine Nacht, ihre erste Nacht in der Hauptstadt, darin verbracht hatte.

      Boo ließ sie einen Augenblick warten, dann überreichte er ihr einen flauschigen Bademantel im schönsten Smaragdgrün, das Elaine je gesehen hatte.

      Sie zog die Augenbraue hoch: „Wo hast du das denn her?“

      Boo grinste: „Ein Geschenk des Hotels in dem du die Comtessa gegeben hast. Es kam leider ein paar Tage zu spät, da warst du wieder weg. Und als du wieder da warst, da hatten wir ganz andere Dinge im Kopf als das. Siehst du, sie haben sogar deinen Namen einsticken lassen: Comtessa Ellie.“

      Elaine hatte ihren Decknamen zwar etwas anders im Kopf, aber diese Interpretation war nicht schlechter. Wer weiß, vielleicht hätte sie sich hier ganz legitim Comtessa nennen können, hätte sie sich nicht vom Grafen fortschicken lassen. Sie war erneut den Tränen nahe, also schnappte sie sich den Mantel, und verschwand mit einem hastigen Dankeschön im Bad.

      Als das heiße Wasser über ihre Haut perlte, hatten ihre heißen Tränen die beste Tarnung der Welt. Sie schluchzte lautlos. Irgend etwas war in der Zeit, in der sie fort war, furchtbar schief gelaufen. Das war kein Happy End. Es war nicht einmal ein richtiges Ende. So konnte diese Geschichte nicht enden. So durfte sie nicht enden. Elaine bemerkte erst daran, dass sie wie verrückt über ihre Haut schrubbte, dass erneut ein Anflug ihres Alptraums über sie gekommen war. Ein Anflug von genüsslichem Ekel. Wenn es irgendwo so etwas gab, dann in der Tiefe, in der Gegenwart der Mutter. Elaine war kurz davor, sich zu übergeben. Sie stellte das Wasser ab, stieg beinahe panisch aus der Wanne, trocknete sich hastig ab und hüllte sich in den Mantel ein. Beinahe war ihr, als ob jederzeit etwas anderes als Wasser aus dem Duschkopf kommen würde. Und egal was es gewesen wäre, sie wollte es nicht herausfinden.

      Sie verließ in einem Dampfschwall das Bad, Boo wartete draußen immer noch auf sie. Er zog eine Augenbraue hoch: „Was ist los? Du... ich weiß nicht, du wirkst komisch.“

      Elaine lächelte. Sie gab zwar ihr bestes, um ihm vorzugaukeln, dass alles in Ordnung war, hatte aber dennoch das Gefühl, dass ihr Gesicht irgendwie schief war. „Ich glaube, ich musste einfach raus, sonst wäre ich bei dem warmen Wasser eingeschlafen und du hättest eine Überschwemmung hier.“

      Boo grinste und nickte, aber irgend etwas hartes blieb in seinem Blick. Doch Elaine fühlte sich in der Tat plötzlich wieder so müde, dass sie erleichtert war, von ihm gestützt und in ihr Zimmer geführt zu werden.

      Das Zimmer war noch genau so, wie sie es am strahlenden Morgen des Sommertages verlassen hatte, als sie nichts böses ahnend mit ihren neuen Bekannten, die auf dem ihnen bevorstehenden Weg ihre besten Freunde werden sollten, ins Ungewisse aufgebrochen war. Auf der Suche nach Malvina, auf der Suche nach dem Nachhauseweg. Allerdings hatte sich kein einziges Staubkorn darin niedergelassen, und das war schon etwas besonderes. Staub gehörte hier noch mehr zum Leben als da wo Elaine herkam.

      Sie versuchte zu sprechen, musste aber immer wieder gähnen: „Sag mal... Boo... wer hat hier... so gut... geputzt? Du... etwa?“

      Er grinse: „Ich doch nicht. Es war Leo. Unglaublich, nicht?“

      Sie nickte und ließ sich aufs Bett fallen.

      Er zog die Decke über sie: „Es ist darunter warm genug, dass du den Mantel ausziehen könntest. Aber ich werde dich natürlich nicht dazu zwingen“, zwinkerte er ihr zu.

      Sie war nicht mehr dazu imstande, die Augen zu rollen, weil sie ihr zufielen, und zwar endgültig.

      „Wenn du nichts dagegen hast, bleibe ich noch etwas hier“, hörte sie ihn in ihrem Halbschlaf reden. Dann spürte sie noch, wie er sich an den Rand des Bettes setzte, und fiel in einen tiefen Schlaf.

      Der letzte Gedanke, der ihr durch den Kopf schwirrte war: „Werde ich etwas träumen?“

      Salziges Teegebäck

      Gerade als Elaine glaubte, eingeschlafen zu sein, wachte sie auf. Die ersten Augenblicke wusste sie allerdings nicht, wo sie war – bis sie merkte, dass sie wieder in ihrem eigenen Schlafzimmer war. Neben dem Bett lag ihre Tasche und eine angebrochene Packung Schlaftabletten. Elaine fasste sich an den Kopf. War das alles nur ein Traum? Nein, das war es nicht gewesen. Sie trug immer noch den smaragdgrünen Bademantel mit ihrer persönlichen Stickerei. Und sie fühlte sich so ausgeschlafen, wie schon lange nicht mehr. Allerdings – richtig wach war sie auch nicht. Vermutlich eine Nachwirkung der Medikamente. Elaine seufzte. So viel zu dieser Methode. Aber zumindest hatte es geklappt.

      Der


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