Rette uns, Elaine!. Inga Kozuruba
aber es hätte ebenso gut auch Mens sein können. Vielleicht sogar der Graf selbst. Keine Ahnung.“
Elaine glaube aber, dass er es sehr wohl wusste. Der erste Name der gefallen war, musste der Richtige sein – vorausgesetzt, man beachtete, dass Corry zu dem Zeitpunkt nicht mehr Corry, sondern Ivana war. Elaine nickte trotzdem, und nahm einen Schluck Tee. Sie achtete darauf, ob in dieser Tasse irgendetwas drin war. Nein, alles in bester Ordnung. Entweder hatte er nicht genug Zeit gehabt, um eine besondere Überraschung für sie vorzubereiten, oder aber, es gab andere Gründe. Aber vielleicht war es auch einfach nicht seine Art. Vermutlich würde er ihr einfach den Schädel einschlagen wollen.
„Aber sag mal – wenn du dich hier gestärkt hast – treffen wir dann die anderen irgendwo oder wie sieht es aus?“
Elaine nickte: „Ja, so ist es. Wir treffen uns in der Wohnung.“
Er grinste und nickte jetzt auch: „Klar, macht Sinn. Von dort aus sind wir schließlich alle zusammen aufgebrochen.“
Elaine lächelte: „Ja, genau darum. Boo wartet sicherlich schon sehr gespannt.“
Dabei dachte sie sich, dass der Narr tatsächlich gespannt auf sie wartete, um irgendwie wieder loszukommen und sie umzubringen, wie er es angedroht hatte. Sie hoffte, dass Alice in der Lage war, auch mit Bill fertig zu werden. Sonst hatte sie ein Problem.
Sie erinnerte sich nur zu gut an einen Satz von Boo: „Zusammen wären wir dir über, weißt du?“ Für ihre vier Freunde stimmte dieser Ausspruch sicherlich. Für die vier Doppelgänger könnte er jedoch auch wahr sein. Sie wollte es auf jeden Fall nicht herausfinden.
Zumindest war sie froh, in ihrer Zeit als Comtessa am Hofe gelernt zu haben, sinnlosen Smalltalk zu führen. Sie bemerkte schnell, dass Bill ihr nichts wirklich wichtiges erzählen würde, zumal er wie von früher bekannt ohnehin sehr schweigsam war. Auf der anderen Seite hatte sie auch nicht vor, ihm etwas von Bedeutung mitzuteilen. Also blieb es bei Belanglosigkeiten bis Siren wieder zu ihnen zurückkam, mit einem riesigen Teller voller Teegebäck. Sie stellte den Teller in die Mitte des Tisches und setzte sich zu ihnen, zur Linken von Bill, nicht zu nahe, nicht zu weit von ihm weg. Sie versuchte so gut es ging, sich so zu verhalten wie immer. Wie immer bedeutete in diesem Fall, dass sie versuche, möglichst unauffällig zu sein.
Bill bemerkte ihre Anwesenheit kaum: „Ah, das Gebäck ist fertig. Greif ruhig zu, Ellie, wie du siehst, ist genug da.“
Elaine lächelte ihm nichtssagend zu und nahm ein Stück. Der Narr hatte recht, es war köstlich. Wäre nur nicht die salzige Spur darin. Bill griff ebenfalls danach und aß. Er nickte anerkennend, aber mehr war von ihm nicht zu hören. Wiederum hätte Elaine mehr von ihm erwartet, wenn es denn wirklich Leo gewesen wäre. Er sparte nicht an Komplimenten, schon gar nicht, wenn es um seine geliebte Frau ging. Er bemerkte den salzigen Beigeschmack offensichtlich nicht. Siren hatte rote Augen. Hatte sie geweint? Waren es ihre Tränen, die Elaine da rausschmeckte? Der Gedanke wunderte sie nicht. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass dem genauso war.
Sie hoffte, sie würde Rick nicht eher sehen, als bis sie den Gendarm aus dem Verkehr gezogen hatte. Entweder war der Junge völlig am Ende, oder er würde auf Bill losgehen. Beides konnte sie im Moment nicht gebrauchen. Sie wollte lieber noch etwas sitzen bleiben. Stille breitete sich erneut im Raum aus. Bill sagte nichts, solange Elaine ihn nicht fragte. Siren wagte offensichtlich nicht, etwas zu sagen, und Elaine wollte nicht mit vollem Mund sprechen – auf der anderen Seite gab ihr das Essen auch eine wunderbare Möglichkeit zu schweigen. Von Siren hatte sie bereits alles erfahren, was sie wissen wollte. Ihr verändertes Verhalten sprach Bände. Bill hatte sie nichts mehr zu sagen.
Sie aß so viel sie konnte, leerte ihre Tasse und stand auf: „Also, Leo, ich bin soweit, wenn du soweit bist. Danke noch mal für das Gebäck, Siren. Es war wunderbar. Sonst hätte ich sicherlich nicht so viel gegessen“, sie zwinkerte ihr zu.
Siren lächelte schwach zurück: „Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat.“ Ihr Blick flehte sie an, ihr zu helfen.
Elaine nickte: „Ja, das hat es.“
Sie hoffte, dass Siren verstanden hatte, das sie genau das vorhatte.
Bill stand ebenfalls auf: „Von mir aus können wir los. Wir wollen Boo nicht noch länger warten lassen.“
Er warf Siren einen Blick zu, der nur als bedrohlich zu interpretieren war: „Halte hier die Stellung, Süße. Ich bin sicherlich bald wieder da.“
„Und dass mir ja nichts komisches hier läuft!“, ergänzte Elaine in ihren Kopf. Es war schlimmer, als sie erwartet hatte. Sie fragte sich, was Bill mit Siren anstellen würde wenn sie ihn zurückkommen ließ. Sie wollte es niemals erfahren.
Sie standen wieder auf der Straße. Es nieselte weiterhin. Wenigstens war die Luft frisch und kühl. Allein der Gedanke an die Luft in der Tiefe, von der sie womöglich noch ein paar Kostproben bekommen würde, war unerträglich.
„Also gut, auf zum Treffen“, murmelte sie. Er nickte und sie gingen los. Wiederum schwiegen sie sich an. Wäre es Leo gewesen, hätte ihr das Schweigen nichts ausgemacht, auch wenn sie sicherlich genug Themen gefunden hätten, über die sie sich hätten unterhalten können. In diesem Fall war das Schweigen sicherlich eine bessere Alternative als eine einseitige, sinnlose Unterhaltung, aber nur das kleinere der beiden Übel. Elaine befürchtete jedes Mal, wenn sie zu sprechen ansetzte, sich aus Versehen zu verplappern. Sie wollte den Kerl so schnell wie möglich loswerden.
Sie kamen am Haus an, gingen die Treppen rauf und standen vor der Wohnung. Sie ließ sich problemlos aufsperren. Darüber war Elaine sehr erleichtert. Bill zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Sie traten ein.
„Wir wollten uns in Corrys Zimmer setzen. Das hat die dicksten Wände, wenn mich nicht alles täuscht“, Elaine flüsterte beinahe.
Er nickte erneut. Elaine ging zur Tür und klopfte: „Boo? Machst du auf?“ Sie hoffte, dass diese Geräusche das Drehen des Schlüssels im Schloss überdecken würden. Ob Bill nun etwas gehört hatte oder nicht, er ließ sich nichts anmerken. Elaine war mulmig zumute. Die Tür öffnete sich von innen. War es Alice? Oder hatte es einfach nur mit einem Wunsch geklappt?
Elaine trat beiseite und sah zu Bill. Er grinste nur: „Oh nein. Ladies first.“
Elaine lächelte, nickte, und trat ein. Es war so dunkel wie vorher, als sie das Zimmer verlassen hatte. Der Spiegel war leer. Ein kalter Schauer lief über ihren Körper. Dann sah sie Alice, als sie weiter hineinging. Ihr war nichts anzumerken.
„Wo ist er?“, fragte sie ihr Spiegelbild mit ihren Lippen.
Alice sah schuldbewusst aus: „Ich weiß nicht, wie er sich rauswinden konnte... er ist durch die Tür in die Tiefe verschwunden.“
Bill betrat das Zimmer. Selbstverständlich sah er weder Boo, noch den Narren. Er schloss die Tür hinter sich und sein Blick legte sich schwer auf Elaine. Sie erwiderte den Blick mit einem Pokerface.
„Willst du mir sagen, was Sache ist, oder soll ich es aus dir rausprügeln?“
Sie zog eine Augenbraue hoch: „Das ist ein Scherz, oder?“
„Ich sehe hier niemanden außer dir. Also, entweder soll das eine Geburtstagsüberraschung werden – aber ich habe heute nicht meinen Geburtstag – oder du willst mich reinlegen. Das ist deine letzte Chance.“
„Komm näher, dann sage ich es dir. Die Lage ist ernst.“
Er ging langsam auf sie zu: „Das weiß ich selbst. Kein Träumer ist ohne Grund hier. Man hat dich nicht geholt, richtig? Du bist von alleine gekommen. Darum wolltest du was essen. Fein, jetzt sitzt du hier solange fest, bis dich jemand gehen lässt. Ich werde es nicht sein.“ Er wurde auf einmal richtig gesprächig. Elaine wich instinktiv ein paar Schritte zurück.
Er blieb weniger als eine Armlänge vor ihr entfernt stehen, als sie nur noch die Wand in ihrem Rücken hatte. „Wo ist Boo?“
Elaine sah ihn an: „Er ist in der Tiefe. Er sollte wieder hier auftauchen, aber bisher hat er es nicht geschafft.“