Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

Das Halbmondamulett. - Jens Petersen


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noch wissen.

      „Weil es noch lange hin ist bis Sonnenuntergang“,

      setzte 0-Chang drauf. In das allgemeine befreiende Gelächter konnte nun auch Amhar einstimmen.

      „Aber das ist auch schon alles, was wir darüber wissen“,

      mussten wir zugeben, nicht zuletzt in der Erwartung daraufhin mehr zu hören.

      „Dann wisst ihr ebensoviel wie die meisten unserer Landsleute.“

      „Wir würden gern so einiges mehr erfahren, wenn es euch nicht unangenehm ist?“

      Wieder schauten sie uns eine Weile prüfend an.

      „So, das würdet ihr? Das Problem ist nicht, dass es uns unangenehm sein könnte, sondern ob ihr bereit wäret ungewöhnliche Dinge zu hören. Ich meine auch solche, die sich schwer vertragen mit dem, was ihr zu glauben gewohnt seid, die sogar in der Lage sind den friedvollen Schlaf eures Weltbildes zu stören.“

      Nach einer weiteren Musterung und kurzem Blickaustausch schienen sie zu dem Entschluss gekommen, uns solches zumuten zu können.

      „Nun gut, dann fragt!“

      „Wie kommt ihr zu diesem Ruf?“

      Wollten wir als erstes wissen. Das wäre eine lange Geschichte und läge schon sehr weit zurück, aber wenn wir gewillt wären sie anzuhören, stünde dem nichts im Wege. Um diese Dinge Außenstehenden verständlich zu machen, müsste man folgendes vorausschicken:

      „Die wahre Ursache“,

      erklärte er,

      „lag genau genommen darin, dass jeder der sich mit Dingen befasste, die seinen Mitmenschen unerklärlich waren, mit deren Spott, aber schlimmer noch mit deren Angst und Feindseligkeit rechnen musste. Daran hat sich bis auf den heutigen Tag nichts geändert. So wie die Dinge liefen, wurde eines Tages gemunkelt, die Schmiede wären Magier. Boshafte Nachrede allein war es nicht. Tatsächlich hatten einige von uns sich längst mit dem befasst, was man Magie zu nennen beliebt.“

      So also sehen Magier aus, dachte ich, und betrachtete nachdenklich die braunen Gesichter, die mir jetzt auf einmal ganz andere zu sein schienen, als jene beim Eintritt in dieses Haus. Magier - so etwas gibt es doch nur im Märchen. Bislang hatten wir uns ebenso angestrengt wie vergeblich bemüht, Amhar an dieser fortschrittlichen Erkenntnis teilhaben zu lassen. Jetzt saßen wir selber gleich vieren gegenüber, die behaupteten solche zu sein, und waren unserer Sache nicht mehr so sicher. Noch vor kurzem hätte ich sie ohne weiteres für Bauern oder Hirten gehalten. Schlagartig wurde ich aus diesen Gedanken gerissen, überrumpelt von einer dräuenden Stille. Er hatte unvermittelt aufgehört zu erzählen, mitten in seiner Erläuterung. Dafür starrten alle Vier uns unbewegt an. Erst war ich verwundert, wohl auch etwas irritiert, wusste nicht, was das sollte. Meinen Freunden erging es offenbar ebenso. Dann schoss mir der Gedanke ein:

      „Die haben doch nicht etwa vor, uns hier eine Vorstellung in Hypnose zu geben?“

      Alles in mir bäumte sich auf dagegen. Ich wollte etwas sagen, wie:

      „Was soll dieser Unfug?“

      Oder ähnliches in gleicher Tonart. Warum ich es nicht tat, wusste ich selber nicht. Ich fühlte mich befangen. Das ganze war mir peinlich.

      „Warum sagte von den Anderen niemand etwas?“

      Ging es mir durch den Kopf. Immer noch war es totenstill im Raum. Alle Vier starrten uns unvermindert an, als wäre alles versteinert oder die Zeit angehalten. Unbehagen ergriff mich, nur in meinem Kopf rasten die widersprüchlichsten Gedanken hin und her, standen sich gegenseitig im Wege. Schließlich stieg Wut in mir auf, nahm immer mehr die Oberhand und verdrängte andere Gedanken. Was bilden die sich eigentlich ein, mit uns hier machen zu können? Erbost wollte ich gerade damit herausplatzen, als genau in diesem Moment alle arglos lächelten, und der Sprecher mit der ruhigsten Stimme, die man sich vorstellen konnte, fortfuhr, als wäre nie etwas gewesen.

      „Ihr habt hoffentlich nicht erwartet, wir würden euch irgendwelche Tricks vorführen? Das war noch nie unsere Art, uns ging es schon immer um Wichtigeres. Seht ihr, soeben hatten wir uns von euch "entfernt", und ein jeder von euch hat erfahren, was das in ihm bewirkte. Es ist nicht nötig weitere Worte darüber zu verlieren, denn nichts anderes hatte unsere kurze Demonstration zu bedeuten. Denkt daran, niemand entfernt sich auf Dauer ungestraft von der Gemeinschaft seiner Mitmenschen. Was immer ihr unter Magie versteht, meist ist es nicht mehr als die eigene animierte Phantasie den Menschen vorgaukelt, aus Furcht vor ihren geheimsten Wünschen und verborgensten Ängsten. Zugegeben, es gab zu jeder Zeit solche, die sich für derlei Verirrungen hergaben. Das, was wir betrieben, nur soviel sei gesagt, hatte damit nichts gemein.“

      „Und was bitte, habt ihr soeben mit uns gemacht?“

      Wollte 0-Chang wissen.

      „Gar nichts. Genaugenommen noch weniger, als was ihr unter gar nichts versteht. Wir haben die Leere zelebriert, und alles was geschehen sein mag, habt ihr selber getan.“

      „Was ist denn nun Magie wirklich?“

      Drängte Bernd. Unser Gegenüber tat, als müsste er erstaunt sein über diese Frage.

      „Ihr habt doch nicht im Ernst geglaubt, wir würden euch das jetzt mal eben zwischen zwei Gläsern Tedsch erzählen? Einmal davon abgesehen, dass Jahre des intensivsten Lernens unvermeidbar sind. Das hat zum Ergebnis: Im Unterschied zu euch und den meisten Menschen sind wir frei. Das bedeutet weit mehr, als Ihr euch darunter vorstellt. Vielleicht werdet ihr das noch erfahren. Dann werdet ihr auch verstehen, warum wir euch einmal so erscheinen und bald darauf als ganz andere.“

      Die peinliche Betroffenheit in uns registrierte er sofort und verstand es in kürzester Zeit durch seine Worte, aber wohl mehr noch unterschwellig durch Stimmlage und Mimik die anfängliche Atmosphäre der Vertrautheit wieder herzustellen.

      „Aber eine der wichtigsten, unumgänglichen Voraussetzungen kann ich euch gerne verraten, vielleicht übt ihr euch darin. Ich spreche vom Abschütteln eines Zaubers, der alle Menschen zu allen Zeiten gleichermaßen betäubte. Ihr nennt ihn, glaube ich, den Zeitgeist. Lernt ihn zu durchschauen und ihm wenigstens immer einen Schritt voraus zu sein!“

      „Wie gelingt einem das?“

      „Zugegeben, es ist nicht einfach. Aber es gibt da einige Übungen. Fangt am besten damit an, nicht das zu tun, was alle tun. Stellt grundsätzlich alles in Frage. Das, welches ihr meint davon ausnehmen zu müssen, als erstes. Nur seid auf der Hut, mit dem Zeitgeist war noch nie spassen. Er wird nicht müde, sich jedes Mal aufs Neue für die unwiderruflich letzte aller Wahrheiten zu halten. Wer daran zweifelte, und unvorsichtig genug war, sich das anmerken zu lassen, der wurde zu jeder Zeit erbarmungslos als Ketzer verfolgt.“

      „Aber wieso ausgerechnet Hyänen?“

      Wollten wir wissen.

      „Das genau geht zurück auf die Ereignisse bei der „Burg der Schande.“

      „Wo liegt die, ist das hier in der Gegend?“

      „Er übersetzte unsere Frage den drei anderen, deren interessierte Teilnahme bislang nur mit gelegentlich eingeworfenen Stichworten auf Amharisch bedacht wurde. Alle vier schienen sich beträchtlich zu amüsieren. Als das Gelächter wieder abebbte, erklärte uns der Englisch sprechende, diese Burg liege weit entfernt in einem Lande, welches den meisten noch nicht einmal dem Namen nach bekannt sei. Es hieße Hadramaut und läge am östlichen Ende der Weihrauchstraße. Unsere ungläubige Verblüffung war erneuter Anlass zur Freude. Ich erinnerte mich, von einer solchen Burg gelesen zu haben, die einst den Eingang zum Weihrauchland bewachte. Nur soviel war aus Büchern zu erfahren, dass irgendein Forschungsreisender - sein Name war mir entfallen - in der Ruine herumgestöbert hatte, ohne zu spektakulären Erkenntnissen zu gelangen. Was, fragte ich mich, sollten äthiopische Silberschmiede in jener fernen Burg in einem unzugänglichen Land zu tun haben?

      „Kein Grund zum Lachen“,

      protestierte ich.

      „Dieses Land ist uns nicht


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