Das Halbmondamulett.. Jens Petersen

Das Halbmondamulett. - Jens Petersen


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er in wenigen Worten meine Antwort übersetzt hatte.

      „Wisst ihr wirklich, was ihr da wollt?“

      „Absolut!“

      „Ich habe meine Zweifel. Gar zu viele Dinge tut man mechanisch, ohne zu wissen warum. Warum z.B. fahrt ihr in diese Richtung, wo doch euer Ziel in der entgegengesetzten liegt?“

      „Da hast du recht, wir sind da einem plötzlich entstehendem Impuls gefolgt, etwas, was über uns kam. Übrigens“,

      fiel mir rechtzeitig dazu ein,

      „hätten wir das nicht getan, so wären wir euch nicht begegnet.“

      „Da würde ich mir nicht so sicher sein.“

      Schmunzelte er.

      „Bis in den Hadramaut ist der Weg noch weit und mit vielen Hindernissen gepflastert, ganz zu schweigen von "plötzlichen Impulsen." Was wisst ihr z.B. über dieses Land?“

      „Zumindest so ziemlich alles, was bei uns darüber zu erfahren war.“

      „Auch wenn das, wie ich vermute, nichts Wesentliches berührt, so sehe ich doch eine gewisse Entschlossenheit. Trotzdem: Ihr solltet euch das gut überlegen. Nur sehr wenigen ist es bisher gelungen, und warum sollte es euch anders ergehen?“

      „Nun, immerhin haben die Engländer uns schon ihre vorläufige Einwilligung gegeben.“

      „Die Engländer, müsst ihr wissen“,

      erläuterte er geduldig und dehnte dabei die Arme und Schultern zu einer Geste, die wortlos um Entschuldigung bat für die Unzulänglichkeit der Engländer,

      „sie sind dort nur so etwas wie die Wachtposten vor dem Eingang. Selbst wenn es euch gelingen sollte, mit ihrer Zustimmung hereinzukommen, so hilft euch das noch wenig. Drinnen im Lande werdet ihr kaum einen von ihnen mehr antreffen. Ihr werdet ganz auf euch allein gestellt sein, so allein wie ihr mit Sicherheit noch nie in eurem Leben wart. Viele Dinge sind dort völlig anders, anders noch, als ihr euch nur vorstellen könnt. Ihr werdet eure Gewohnheiten, euren Stil zu leben total umstellen müssen. Vor allem aber wird niemand sich um euren Schutz, eure Sicherheit kümmern.“

      „Das klingt alles, als hättet ihr Kontakte dorthin.“

      „Die haben wir“,

      nickte er.

      „Könnt ihr uns einen Rat geben?“

      „Ja, fahrt nicht dorthin!“

      Ich schüttelte den Kopf.

      „Wir sind fest entschlossen.“

      „Dann hütet euch vor so manchen unreinen Geistern, die neuerdings wieder auferstanden sind, und auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Ferner haltet die Augen offen nach den beiden gekrümmten Linien des bewussten Strebens, nach dem Kreis der Vollendung und nach der makellosen Geraden des Ziels.“

      „Könntest du das bitte näher erläutern, so sagt es mit nichts.“

      „Tut mir leid, ich habe eigentlich schon zuviel gesagt. Aber denkt trotzdem an diese Worte, ihr werdet sie verstehen, wenn ihr dem Beschriebenen begegnet. Und hofft, dass dieses geschieht, bevor es zu spät ist.“

      Sein Gesicht drückte unmissverständlich aus, alles weitere Fragen wäre sinnlos.

      „Ihr müsst wissen“,

      fuhr er fort, als wollte er das Thema mit Worten endgültig vom Tisch fegen,

      „wir als Volk der Habascha lebten ursprünglich jenseits des Meeres in der Nähe dieses Landes Hadramaut.“

      „Davon habe ich ebenfalls gelesen“,

      warf ich ein.

      „Aber das war vor gar zu langer Zeit, noch bevor Äthiopien ein christliches Land war, und sogar noch vor dem Axumitischen Reich. Unmöglich,dass...“

      „Du meinst, unsere Erinnerung könnte nicht bis dahin zurückreichen, weil eine so große Spanne von Zeit dazwischen liegt? Es würde zu weit führen, wollte ich euch jetzt auseinandersetzen, als was wir die Zeit betrachten. Nur soviel will ich sagen: Der Mensch ist der Narr der Zeit. Und es ist wichtig, mit der Vergangenheit sich zu befassen, weil wir mit ihr verbunden, ein Resultat von ihr sind und aus dieser Kenntnis großen Nutzen ziehen können. Schon immer war es in unserem Stand notwendig, alles Wissen genauestens weiter zu geben vom Meister auf den Lernenden. Dazu gehörten neben den beruflichen Kenntnissen auch die wichtigsten Geschehnisse von den frühesten Tagen an. Das verhalf uns mit der Zeit zu einem gewissen Durchblick, langfristige Entwicklungen als solche zu begreifen, die für andere Augen, die nicht das Ganze erfassten, nur wie einzelne Zufälle aussahen. Ihr fragtet, warum gerade Hyänen, ein Tier welches zwar gefürchtet, aber nie sonderlich geachtet war? Die Frage ist berechtigter, als ihr annehmen mögt, war doch ursprünglich die Rede von Löwen, und das in ganz anderer Bedeutung. Uns begann man aus einem ganz anderen Grunde, einem sehr ehrenhaften, die Löwen von Habascha zu nennen. Wie es dazu kam, und auch durch welche Verleumdung sich dieses hohe Ansehen umkehrte, das hat mit den Ereignissen bei der Burg der Schande zu tun. Solltet es euch wirklich gelingen, bis dorthin zu kommen, so werdet ihr erkennen, welch ein besonderer Ort das ist. Ich kenne keinen anderen Ort, an dem etwas so wichtiges so deutlich zu erfahren ist, die Quelle aller Dinge, der Schoß der Fülle der Erscheinungen, der Schlüssel zum Verständnis. - Aber es wäre unmöglich, euch dieses hier und jetzt erklären zu wollen. Entweder ihr gelangt dorthin und macht diese Erfahrung, oder nicht. Genaugenommen begann alles mit jenen, von denen es hieß, sie seien aus dem Gluthauch der Wüste erschaffen.“

      Er sah unsere fragenden Gesichter und nickte:

      „Ich hatte mir gedacht, dass ich euch auch dieses erklären müsste. Seht ihr, das ist es, was diese Art von Geschichten so ausschweifig macht. Also, über jene Wesen wäre zu sagen...“

      Was darüber zu sagen wäre, und was weiter geschehen war, wir sollten es nicht erfahren, denn durch die offene Tür klang ungeduldiges Hupen. Hastiges Verabschieden, es widerstrebte uns sehr, aber offensichtlich waren wir noch nicht so weit, ein einmal gefasstes Programm kurzentschlossen fallen zu lassen. Mit ein wenig mehr Praxis, in "nicht das zu tun, was alle taten", hätten wir wahrscheinlich dem Busfahrer leichten Herzens zugewunken, er möge ohne uns weiterfahren. Später erfuhren wir noch so manches, was es uns umso mehr bedauern ließ, die Geschichte nicht zu Ende gehört zu haben. Die Silberschmiede winkten uns zum Ausgang nach mit eigenartigem Blick, so als müssten sie Nachsicht mit uns haben.

      Die Nachmittagssonne hatte sich schon merklich gesenkt und überflutete die Landschaft mit einem weichen, goldenen Licht, als wir in eine ausgedehnte Talmulde fuhren, fast schon eine Ebene. Die Vegetation nahm zu, und wie in einer großen Oase lag die Stadt Gondar.

      Obwohl verhältnismäßig groß, wirkte die Stadt ein wenig verträumt unter ihren vielen Bäumen. Das Zentrum war ein riesiger, verwilderter Park, eigentlich ein Wald mit den Lustschlössern der verschiedenen Kaiser. Welch ein Gegensatz nach stechender Hitze, Staub und Steinen waren laue Luft und von schattigem Grün gefiltertes Sonnenlicht. Tagelang streiften wir umher, kletterten über Baumwurzeln und umgefallene Mauern. Gerade das Halbzerfallene und überwucherte, die unretuschierten Spuren der Zeit machten diese Mischung aus Vegetation und Architektur so reizvoll. Stil und romantisches Flair erinnerten an mitteleuropäische Burgen, und doch war da eine wilde Fremdartigkeit. Exotische Bäume und gewaltige Luftwurzeln über den Mauern wechselten mit Lichtungen. Durch hohe Disteln und blühende Sträucher führten Zinnen gekrönte Bögen von Brücken zum nächsten Schloss. Alles war so belassen, wie es war, nichts geordnet oder geschönt, keine Hinweisschilder, keine Souvenirbuden, keine Straßen. Man ging auf natürlichen Wegen und Pfaden von einer Entdeckung zum nächsten Durchblick, den ein Bogen öffnete zu alleinstehenden Mauerteilen, die aus dem Gras oder zwischen blühenden Büschen herausragten, und endete manchmal abrupt vor einem Turm oder einem noch erhaltenen Stück Umfassungsmauer des weitläufigen Geländes. Treppen führten zu angebauten Terrassen, hinter die Zinnen von Dächern und Türmen oder endeten einfach zwischen den Wipfeln von Palmen und dem Laub mächtiger Bäume. Diese Tage in Gondar waren wohltuend und erholsam. Aber


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