Rufe aus Morgania. Brigitte H. Becker
einkehrte.
Gebieterisch hob sie eine Hand zum Himmel. Fast alle folgten ihrer Geste.
Die Mondmutter strahlte im Schleierkleid im Kreise ihrer Sternkinder feierlich vom Himmel, während die Venus immer verführerischer funkelte.
Meridor winkte den Gestirnen zu. Nachdem sie segnend ihre Arme weit ausbreitet hatte, sprach sie mit glasklarer Stimme zur Versammlung:
„Hiermit eröffne ich das Fest der Sommer-Sonnenwende. Wenn es soweit ist, gilt es Abschied zu nehmen vom Frühling und seinen Zwillings Sternkindern, deren Platz die Krebs Sternkinder unter dem Zepter der Mondmutter einnehmen werden, um den Sommer einzuläuten. Lasst uns sie begrüßen“, forderte Meridor mit erhobenen Armen auf.
Damenhafte Elfen ahmten ihre Geste nach, andere winkten begeistert hinauf, wieder andere spendeten lautstarken Beifall während die quirligen Freudentänze aufführen
Die Kinder der Mondmutter blitzten beifällig auf während die anderen betrübt aufzuckten.
Vor ihrer Ansprache musste sich Meridor mit ihrem Glöckchen erst Gehör verschaffen.
„Hiermit möchte ich den Frühlingsgestirnen meinen Dank aussprechen, die uns mit ihren Formungskräften die Gestaltung und Farbgebung von Blättern und Blüten erst ermöglichten,
was auch für das Einhauchen von Düften bei ausgesuchten gilt. Die Aufbauphase ist nun vollendet; und ich möchte euch, meinen lieben Elfen, noch einmal recht herzlich danken, denn ihr habt den größten Anteil am Gelingen. Mit Fleiß und Sorgfalt, Liebe und Freude wart ihr bei der Arbeit im Dienste des Schöpfers und der Erdmutter, so dass nichts anderes zu erwarten war. Es brauchte nicht viel Anleitung, und die Pflanzen gediehen wie von selbst unter euren Händen. Es war mir eine Freude, es mitanzusehen. Alles Weitere können wir getrost den Bienen und ihren Helfen überlassen. Auf uns kommt die Aufgabe zu, Pflanzen zu beseelen und zu pflegen, unter der Schirmherrschaft der Mondmutter und ihrer Sternkinder.“ Sie hob die Arme himmelwärts. „Planeten und Sterne freut euch mit uns über die gelungene Pionierarbeit!“
Die Gestirne schienen sich im Funkeln zu verausgaben, während unten Beifallsstürme tobten.
Mit ihrem Glöckchen bat Meridor zum Festmahl. „Lasst es euch schmecken.“
Ein Klatschen, ein Pfeifen, ein Zwitschern, ein Trällern, ein Zischeln schwoll von unten an, während es am nachtklaren Himmel, leicht bewölkten Himmel blitzte und blinkte
Es dauerte, bis sich alle Elfen auf die Tischreihen verteilt hatten, die Waldzwerge zwischen Erdhügeln und Farnen aufgestellt hatten, nicht ohne eine große Tanzfläche freizulassen.
Überall herrschte Geschubste und Gedränge, um einen Platz unter Freunden zu erwischen. Ohne Rücksicht auf die Schimpftiraden teils selbst ernannter Ordnungshüter hüpften oder flatterten kleinere über größere Nachzügler, um sich in noch so kleine Banklücken zu quetschen, während nicht wenige Elfenmänner sich zu Ihresgleichen durchschlugen oder –boxten, was in beiden Fällen lautstarke Proteste auslöste.
Nur die Zwerge nahmen relativ gesittet etwas außerhalb an einem runden Tischchen Platz.
Große mit Körben geschäftig zum Elfenhügel fliegende Elfen stülpten ein Spitzendeckchen aus feinstem Silbergewebe über einen zierlichen Tisch, der mit Stühlen aus Silberfiligran für Meridor und ihr Gefolge bereit stand, das die Lotusfüße durchschimmern ließ.
Unten wurden von Blumenelfchen die langen Tische, teils im Flug, im Handumdrehen mit Blattplatzdeckchen, Blättertellern, Blütenkelchen und Silberbesteck gedeckt.
Als sie Blütennektar und Brombeerwein aus Glaskrügen ausschenkten ernteten die kleinen Kellnerinnen Applaus und Hochrufe, die beim Auftragen köstlich duftender Speisen wie Waldpilzsuppe mit Glückskleeeinlage und Waldbeersouffle in tosendem Beifall übergingen, während sich die großen auf dem Elfenhügel mit zustimmenden Nicken begnügen mussten.
Kelche klirrten lautstark zum Wohle, als das fröhliche Mahl von der Elfenkönigin eingeläutet wurde. Alsbald war genussvolles, wohliges Grunzen und Schmatzen von Elfenmännern und Zwergen zu hören, vermischt mit glockenhellem bis schrillem Gezwitscher, Geplapper und Gelächter aus den Frauenkreisen.
Meridor ließ den Blick prüfend nach unten in die Runden schweifen.
So aufgekratzt hatte sie ihre Elfen noch nie erlebt, wie aufgeputscht durch den Druck, den die Gestirne kurz vor der Sonnenwende ausübten.
Das rücksichtlose Verhalten einiger weniger an den Tischen stellte die Aufsichtsführenden auf eine harte Probe, um den Frieden zu bewahren.
Und das an einem Feiertag! Hoffentlich schauten sie nicht zu tief ins Glas, um den Verlust an Freude auszugleichen, der in letzter Zeit schleichend um sich griff.
Wo sollte das hinführen? Es waren die Fundamente des Elfenreichs.
Woran konnte das nur liegen? Aber die Kristallkugel war ja vorerst außer Gefecht gesetzt.
Nahezu vorbildlich ging es an der Tafelrunde der Wald Elfen zu.
Am Kopfende sorgte die Waldfee mit Unterstützung von Lyraya allein durch Gesten und Blicke für mehr Disziplin als es sich andere Tischvorsitzende je erträumen ließen.
Gut, dass sie ihr verziehen hatte! Wer weiß, wie sich Eliodor sonst aufgeführt hätte.
Es kostete Meridor drei Anläufe, verbunden mit überschwänglichen Dankbezeugungen für die prompte Hilfe, bis sie eingesehen hatte, dass sie mit ihren Fragen an die Kristallkugel übers Ziel hinausgeschossen war, weil ihr so vieles auf der Seele lag.
„Der Tochter und Nachfolgerin meiner alten Freundin helfe ich doch immer gerne“, hatte sie gesäuselt, nicht ohne spitz hinzuzufügen, „auch wenn ihr Benehmen ungebührlich ist.“
Wenn es mehr nicht war. So war die Gute halt.
Meridor schaute verwundert von ihrem Platz am Tisch Ende auf, als die Elfenkellnerinnen unter Beifall und Hochrufen den Nachtisch unter einer Blattkugel herbeiflogen.
Sie war ehrlich überrascht, ein wahres Kuchenkunstwerk aufzudecken, eine rosa Etagentorte in Blütenform mit zierlichem Blätter- und Sternendekor.
Spontan segnete sie die Torte vor dem Anschneiden.
Nachdem die Serviererinnen die Stücke aufgetragen hatten, herrschte andächtiges Schweigen beim Verzehr, und das ganz ohne Maßregelungen, wenn sie es richtig sah, während bei den anderen Gängen das Geschnatter und Gelächter trotzdem nicht abreißen wollte.
Was ein Segen ausmachte. Dass ihr das noch nicht eingefallen war!
Beim nächsten Mal wusste sie Bescheid.
Ihre Hofdamen stimmten mit ihr darin überein, dass die himmlische Torte der krönende Abschluss eines gelungenen, wenngleich allzu lauten Festmahls war.
Dabei konnte man das Essen erst richtig genießen, wenn man sich darauf konzentrierte.
Vielleicht lernten manche durch Erfahrung.
Es sah ganz danach aus, als würde sich die Atmosphäre an den Tischen entspannen. Fast überall herrschte heitere Geselligkeit, und das Gelächter klang nicht mehr so übertrieben.
Kein Wunder, dass den Diensthabenden ihr Unwille beim Abschied von den Tischnachbarn ins Gesicht geschrieben stand, wozu auch das Geschwisterpaar Walfred und Walfriede zählte.
Sie konnte den Blick nicht vom jüngsten Wachtmann wenden, der noch immer reichlich blass um die Nase war.
Während alle anderen sich den Kollegen anschlossen ging Walfred mit seiner Schwester mit.
Kopfschüttelnd verabschiedete er sich nach einem kurzen Austausch von den ihren, um herumzuirren und sich die Augen auszuschauen. Dass ihn zwei Mitstreiter heranwinkten, nahm er gar nicht wahr und reagierte erst auf ihre Rufe. Nach einem kurzen Wortwechsel schwangen sich beide in die Lüfte während er blieb, um sich an den Tischen umzuhören.
Wen