Rufe aus Morgania. Brigitte H. Becker

Rufe aus Morgania - Brigitte H. Becker


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über die Menschen wissen?“, fragte Eliodor mit lauerndem Blick.

      Es sprudelte nur so aus Meridor hervor. „Wieso finden keine Menschen mehr hierher? Außer kleinen Kindern sieht man nur noch Schlafwandler und Fiebernde, und die wenigen Tagträumer, die sich zu uns verirren, sind genauso wenig ansprechbar. Und warum wird die Durchlässigkeit des Netzes zwischen den Welten an unseren Feiertagen nicht mehr ausgenutzt?“

      „Drei Fragen mit vermutlich einer Ursache.“

      Mit erhobener Stimme sprach Eliodor ein zweites Mal die Beschwörungsformel aus.

      „Sicher ist sicher nach der Qualmerei. Da bin ich aber mal gespannt, was die Kugel dazu sagt. Die Oberfläche hat sich geklärt, und sie wird wieder besser zu verstehen sein.“

      Mit geschlossenen Augen wartete sie eine Weile ab, bis sie zur Fragestellung ansetzte.

      Es schien ihr nicht leicht zu fallen, die Botschaft der Kugel zu entschlüsseln.

      Ihre Stimme brach, als sie das Gehörte, sich kurz aufsetzend, schleppend weitergab.

      „Menschen in Zeitnot werden haltlos, sind leicht beeinflussbar und von ihrer Seele zu entfremden.“ Fassungslos wiegte sie den Kopf. „Was ist nur mit ihren Köpfen?“

      Mit fest zusammengekniffen Augen schaute sie genauer hin.

      Sieht mir aus wie ein Gedankenkarussell, das sich da schier unablässig dreht und mit einem Heidenlärm die innere Stimme übertönt. Aber kaum jemand gibt sich die „Sieht mir aus wie ein Mühe, es einmal anzuhalten.“ Sie winkte Meridor heran, um sie mit sich herunterzuziehen.

      „Nun sieh dir das mal an!“

      Als würden sich ihre Augen öffnen, konnte Meridor nun deutlich Wolkenformationen über die Kugel ziehen sehen, die alle Helligkeit gierig zu verschlucken schienen.

      Mit einem wissenden Nicken wurde aus dem Klammergriff entlasen.

      „Nun wundert mich gar nichts mehr bei den vielen Schatten, die in ihrer Welt herumtanzen!“, stöhnte die Waldfee und richtete sich auf.

      Meridor schluckte schwer. „So weit ist es also schon gekommen. Und wofür halten uns die Menschen?“

      Die Antwort kam erstaunlich schnell.

      „Für Phantasie, Hirngespinste, Traumschäume, Märchen- und Sagengestalten.“

      Nebelschwaden stiegen auf, um die Fragestellerin komplett einzuhüllen, bis sie kaum noch auszumachen war, was Meridor in ihrem Schreck, der sie nebulöser werden ließ, kaum noch registrierte. Aufstöhnend ließ sie sich in ihren Stuhl zurücksinken.

      „Und was ist mit den Kindern? Die müssen doch kein Geld verdienen! Finden die auch keine Zeit mehr für Tagträume? Nur noch die Kleinsten kommen, die uns schnell vergessen haben. Es sind doch zu allen Zeiten immer Kinder oft und gern zu uns gekommen.“

      Eliodor tauchte kurz aus den Nebeln auf, die sich allmählich lichteten.

      „Ah, jetzt verstehe ich! Die Eltern wollen ihnen den Glauben an uns so früh wie möglich ausreden, und die Kinder schlucken ihre Argumente.“

      Sie hielt ein Ohr an die Kugel, als könne sie nicht recht verstehen. Dann schien es ihr aufzugehen. Mit gerunzelter Stirn und verfinsterter Miene drängte sie Meridor zu weiteren Fragen. „Die Kugel trübt sich schon. Dann wird es ihr zu viel. Wir dürfen sie nicht überstrapazieren. Sonst kann ich für nichts garantieren“

      Meridor stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. „Wenn mich nicht alles täuscht, soll ich Kontakt zu Kindern aufnehmen und möchte gerne wissen, ob Mutter Erde das .wirklich von mir wünscht.“

      Eliodor nickte verstehend, um sich so schnell vorzubeugen, dass sie sich beinahe die Nase und die großen Spitzohren anstieß, die ruckartig vorschnellten.

      Es dauerte, bis die Kristallkugel sich dazu äußerte, dafür war auch für Meridor ihr „Ja“ vernehmbar. Eliodor würgte ihren Kommentar im Ansatz ab, um gebannt hinein zu starren. Übers ganze Gesicht strahlend legte sie auf einmal einen Arm um Meridor.

      Das hatte sie noch nie getan!

      Sie mit sich herunterziehend zeigte sie mit dem Finger auf einen Fleck inmitten von wandernden Schlieren, der sich wie zerlaufende Tinte ausnahm.

      „Schau dir den Fleck mal genauer an. Konzentriere dich!“

      Es kostete Meridor gewaltige Anstrengung, den wandelbaren Fleck im Auge zu behalten.

      Sie hielt den Atem an. Zeichnete sich eine Silhouette ab? Ihre Stimme überschlug sich.

      „Wer ist das?“

      „Ein Menschenmädchen, das dein Ruf erreichte. Dein Auftrag wäre also fürs erste erfüllt.

      Auf dem Wege der Besserung von einem fieberhaften Infekt hat es sein Herz Lied angestimmt, das den Zugang öffnete. Hoffen wir, dass es nicht verloren geht und ihr in Kontakt kommt.“

      Meridor konnte sich nicht genug über die Waldfee wundern, als sie von sich aus vorschlug, in die Zukunft zu schauen, was sie nicht zu fragen wagte.

      Die innere Anspannung spiegelte sich in ihrem Gesicht, als sie die Kugel darauf ansprach.

      Im wahrsten Sinne des Wortes spitzte Eliodor die Ohren, als sich endlich etwas tat.

      Enttäuscht wiegte sie den Kopf, um beschwichtigend auf ihre Größte und Liebste einzureden, offenbar von Erfolg gekrönt. Sie winkte Meridor heran und wies auf die Schlieren.

      „Kannst du auch etwas erkennen?“

      Tatsächlich, sie wandelten sich zu Bild- und Nebelfetzen. Die Waldfee nickte angetan als sie es weitergab. „Schau einmal genauer hin!“

      Gesagt, getan. „Sieht wie eine belebte Landschaft mit einer roten Sonne aus.“

      „Warum so zögerlich? Damit liegst du gar nicht falsch. Das Bild ist leider unscharf. An einem See geht die Sonne unter. Es könnte unser Weiher sein.“ Eliodor tippte in die Mitte einer Punkteansammlung. „Und die große Elfe hier im Kreise der andern nach dir.“ Auf einen einzelnen Punkt etwas außerhalb deutend sagte sie schmunzelnd: „Und dort sitzt ein Menschenkind, das dich zu sehen scheint.“

      Sie ließ die junge Königin wieder los, die aus dem Staunen kaum herauskam, was Eliodor alles sehen konnte, während sie selbst nur raten konnte.

      „Kunststück bei der Übung.“ Sich aufsetzend schaute Eliodor

      Meridor aufmunternd an.

      „Vielleicht ist es dieses Mädchen. Strecke zur Sommer-Sonnenwende um diese Zeit mal deine Fühler aus!“

      „Aber ja, auf alle Fälle“, beteuerte Meridor hoffnungsfroh, aber dann kamen ihr Zweifel. „Übersinnliche Wahrnehmungen im Fieber verflüchtigen sich genauso schnell wie die in der magischen Atmosphäre der Sonnenwende.“

      „Das Mädchen hatte kaum noch Fieber. Wir müssen abwarten.“

      Alarmiert drängte Eliodor zu weiteren Fragen als sie gewahrte,dass die Kugel ihren Unmut durch Dampfen zu verstehen gab, was an der nachdenklichen Meridor vorbeiging, die mit halb geschlossenen Augen stöhnte, das wäre ihr zu vage. Dann kam ihr die rettende Idee.

      „Könnte mir jemand helfen, Kinder zu erreichen?“

      Eliodor tauchte daraufhin im Quelldampf unter, der zur Decke aufsteigend die Korblampe bis zur Unkenntlichkeit umhüllte, um die Kugel zu befragen.

      Die Antwort ließ unendlich lange auf sich warten, und Meridor verlor schon die Geduld, als ihre Tischnachbarin endlich etwas von sich gab.

      „Bitte die Deinen um Unterstützung“, krächzte die vor lauter Anspannung heiser Gewordene. „Beispielsweise ließen sich die Verführungskünste der Blumenelfen um ein vielfaches steigern, wenn sie sich zusammentun. Dann wird es ein Leichtes sein, ihre Freunde anzulocken und mit ihren Düften


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