Kaspar - Die Reise nach Feuerland. Dan Gronie
»Jawohl, Sir«, grinste Lars.
Sebastian stand startklar im Flur. William hatte schon die Tür geöffnet, als er sich Sebastian zuwandte und ihn fragte: »Was ist los, Sohn? Hast du keine Lust mehr zu Großvater zu fahren?«
»Doch natürlich«, antwortete Sebastian verstört darüber, dass sein Vater gute Laune zu haben schien, »aber ich muss mich noch von Mutter verabschieden.«
Rebecca kam die Treppe herunter und blieb vor Sebastian stehen.
»Ich hab dich lieb, Mom«, sagte er.
Rebecca schloss ihn in die Arme und gab ihm einen Kuss.
»Ich dich auch, Sebastian. Ich wünsche dir und deinen Freunden viel Spaß in den Ferien«, sagte sie, »aber denke daran, dein Großvater ist schon zweiundsiebzig Jahre!«, ergänzte sie.
Sebastian nickte. »Wir werden artig sein, Mutter!«
»Die Jungs werden sich schon benehmen, Frau Addams«, kam es von Juana, »dafür werde ich schon sorgen!«
»Gut«, lächelte Rebecca, »dann bis bald, Sebastian.«
Endlich war es soweit. Sebastian und seine Freunde saßen im Van und warteten darauf, dass William endlich den Wagen startete. Als sie losfuhren, fielen die ersten Regentropfen vom Himmel herunter.
Eine Stunde Autofahrt lag vor ihnen.
***
William lenkte den Wagen durch den Stadtverkehr und nahm schließlich die Schnellstraße, die in nördlicher Richtung von London wegführte. In der Ferne blitzte es und Sekunden danach folgte ein gewaltiger Donner. Der Regen nahm zu.
»Falls das Wetter sich nicht bessert, Kinder, dann legen wir bei der nächsten Möglichkeit eine Pause ein«, schlug William vor.
Die Scheibenwischer liefen auf Höchstleistung, um die Wassermassen von der Windschutzscheibe zu beseitigen.
»Hier, Sebastian, nimm das Handy und ruf deine Mutter an! Bei diesem Wetter macht sie sich bestimmt schon sorgen.«
William wandte sich kurz Sebastian zu, der rechts auf dem Rücksitz neben Juana saß, und reichte ihm das Handy.
»Willst du ein Stück Schokolade, Juana?«, fragte Niko, der hinter Juana saß.
»Nein, danke.«
»Toll, so ein Van, man hat sooo vieeel Platz hier drin«, schwärmte Lars, wandte sich nach links Niko zu und nahm ihm das Stück Schokolade aus der Hand. »Danke«, sagte er kurz und stopfte sich die Schokolade schnell in den Mund.
William verließ die Schnellstraße und nahm die Landstraße, lenkte den Wagen durch eine tiefe Talsenke und bog auf der nächsten Höhe rechts ab. Die Baumkronen bewegten sich im heftigen Wind hin und her. Der starke Regen hatte zum Glück etwas nachgelassen.
Sebastian sah sich um, hinter ihnen tauchte ein Kleinbus auf, der Gas gab und bei dem Sauwetter zum Überholen ansetzte. Als der Kleinbus vorbeifuhr, schimpfte William lautstark: »Verdammter Idiot!«, und trat leicht auf die Bremsen. »So ein Bestusster ...« William schwieg.
Niko lachte, und Lars hob wutschnaubend die Hand: »Blöder-überheblicher-schwachsinniger-Sonntagsfahrer!«
»Also, Kinder«, fing William an, »es tut mir leid, das hätte ich eben nicht sagen sollen.«
»Sie hatten doch recht, Herr Addams«, sagte Niko, »bei so einem Wetter überholt man doch nicht.«
»Und das auch noch in einer leichten Kurve«, schimpfte Juana.
William verließ die Landstraße und bog in eine schmale Straße ein. In der Ferne tauchten die ersten Häuser auf. Durch das schlechte Wetter brannte in vielen Häusern Licht.
William lenkte den Wagen am Ortseingangsschild vorbei und schon bald passierten sie die ersten Häuser. Eine ältere Frau trat aus der Haustür heraus, an der Leine führte sie einen kleinen Hund.
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, was du jetzt sagen willst«, kam ihm Niko zuvor.
»Sei lieber still, Niko!«, ermahnte Juana ihn.
Niko zuckte mit den Schultern und brach noch ein Stück Schokolade von der Tafel ab. »Dann eben nicht«, sagte er kauend.
Dann bog William in eine Seitenstraße ein und endlich tauchte das Herrenhaus von Sebastians Großvater auf. Das rostige Gitter der großen Toreinfahrt stand weit offen. William lenkte den Wagen durch die Einfahrt und fuhr im Schritttempo die schmale Schotterstraße entlang, die direkt zum Haus führte. Der Regen hatte fast aufgehört.
»Super cooles Haus«, schwärmte Niko immer wieder, wenn er das alte Herrenhaus sah, das noch aus dem vorigen Jahrhundert stammte.
»Ja, es ist wunderschön«, sagte William, »mein Vater hatte es extra für meine Mutter gekauft.«
»Er muss viel Kohle haben«, stellte Niko fest.
»Ja, das hat er. Ihm gehörte eine Kleiderfabrik«, erklärte William.
»Warum haben sie nicht dort gearbeitet?«, fragte Lars.
»Hey, Lars!«, sagte Juana.
»Ist schon gut, Juana«, kam es von William, »ich habe mich damals nicht sonderlich gut mit meinem Vater verstanden. Außerdem wollte ich studieren und hatte eigene Pläne für meine Zukunft. Na ja, so ist das im Leben. Es läuft nicht immer alles wie man es plant. Mein Vater hatte die Fabrik verkauft, als er in den Ruhestand ging. Damals ging es mir auch sehr gut, als ich noch eine Stelle als Ingenieur hatte.«
Sebastian hatte in diesem Moment Mitleid mit seinem Vater und erinnerte sich, wie sein Vater den Job verloren hatte und danach lange Zeit zu Hause gewesen war, bevor er endlich eine neue Stelle als Vertriebsmitarbeiter ergattern konnte. Die Firma, bei der sein Vater nun angestellt war, produzierte Staubsauger – die besten der Welt, sagte sein Vater immer dann, wenn er oder sein Bruder ihn nach seiner Arbeit fragten.
Sebastian blickte träumerisch aus dem Seitenfenster, auf die zehn mächtigen Buchen, die kreisförmig aus dem Boden wuchsen, und bei diesem Wetter auf ihn wirkten wie Ungetüme aus einer fernen Urzeit.
Es regnete jetzt nicht mehr. Die schweren Wolken lagen noch immer wie eine graue Decke über dem Himmel.
Die fünf kreisrunden, bunten Blumenbeete sahen etwas verwüstet aus. Sie erinnerten Sebastian daran, wie er immer am frühen Morgen aussah – mit unfrisiertem Haar.
Sebastians Blick fiel auf die Holzhütte, in der Großvater Gartengeräte, alte Möbel und sämtliches Zeug, das im Haus nicht mehr gebraucht wurde, verstaut hatte.
»Da ist ja unser Hauptquartier«, klopfte Niko Sebastian auf die Schulter und deutete auf die Holzhütte.
William parkte den Wagen unmittelbar vor dem Haus. Großvater stand mit seiner Pfeife unter dem Vordach vor der Haustür, das rechts und links von zwei runden, weißen Marmorsäulen gestützt wurde, und wartete bereits ungeduldig auf seinen Besuch.
»Hallo, Vater.« William ging auf ihn zu und umarmte ihn kurz.
»Hallo, mein Sohn«, sagte Großvater Joe, und seine Augen hatten etwas kindlich leuchtendes an sich, als er Sebastian und seine Freunde sah.
»Hier, das ist für dich, Joe.« William übergab ihm ein kleines Päckchen.
»Danke, mein Sohn.«
William schüttelte den Kopf. »Das Haus ist viel zu groß für dich, Vater. Warum ziehst du nicht in die Stadt?«, sagte er.
Großvater Joe verzog mürrisch das Gesicht. »Was soll ich in der Stadt? Hier ist mein Zuhause«, winkte er ab, »hier bin ich mit meiner Frau zusammen hingezogen und hier werde ich auch sterben«, brummte er, »wir sollten ins Haus gehen«, schlug Großvater vor, und sein Gesicht hellte sich wieder auf, als er Sebastian ansah.
»Es sind die vielen schönen Erinnerungen,