Kaspar - Die Reise nach Feuerland. Dan Gronie
meinen Lebensabend hier verbringen, William, und nichts auf der Welt kann mich davon umstimmen!«
»Ist schon gut, Vater. Ich will mich nicht mit dir streiten«, gab William nach.
»Das ist gut so, William«, sagte Großvater Joe lächelnd, »du würdest eh den Kürzeren ziehen.« Er zwinkerte Sebastian zu und zog an seiner Pfeife, die einen angenehm süßlichen Geruch im Raum verbreitete.
Großvater deutete auf den schweren Esstisch, der vor dem großen Fenster stand, durch das man einen herrlichen Blick auf die Terrasse und den Garten hatte.
»Ich habe eine Kanne Tee vorbereitet«, sagte Großvater, »und für euch, Kinder, habe ich Limonade gemacht.«
»Prima«, jubelte Niko, »deine Limonade ist nämlich super«, und schon hatte Niko sich auf einen der schweren Holzstühle niedergelassen.
»Niko!«, ermahnte Juana ihn mit einem strengen Blick. »Du hast wirklich kein Benehmen!«
»Setzt euch!«, sagte Großvater und legte die Pfeife beiseite. »Ich gehe und hole den Tee und die Limonade.«
»Warte, Vater, ich helfe dir.«
Großvater Joe und William gingen zusammen in die Küche.
»Geben Sie mir den Krug, Herr Addams«, sagte Juana, als William wieder zurückkam.
Juana schenkte die Limonade der Reihe nach ein, während Großvater die Teetassen auffüllte, bevor er das Päckchen von seinem Sohn öffnete.
»Danke dir, William«, freute sich Großvater Joe über das Geschenk, »das ist mein Lieblingstabak«, sagte er und stellte die Tabakdose auf den Tisch.
Niko griff in die Schüssel, die bis zum Rand mit Süßigkeiten gefüllt war. »Lecker«, schwärmte er, als er in einen Schokoladenriegel biss.
Lars schlürfte Limonade und Juana wollte einen Tee.
Im Nu war eine Stunde verflogen und Großvater Joe fragte: »Ich weiß, es ist schon etwas später geworden, aber möchtest du nicht zum Mittagessen bleiben, William?«
Sebastian fuhr erschrocken zusammen, als er die Frage von Großvater hörte. Doch zu seinem Glück sagte William: »Nein, danke, Joe, aber ich muss noch etwas für den Garten besorgen und will pünktlich zum Tee zu Hause sein.«
Sebastian atmete erleichtert auf.
»Aber, wenn ich Sebastian und seine Freunde wieder abholen komme, bringe ich Rebecca mit und wir können dann ja gemeinsam zu Abend essen«, schlug William vor.
»Das wäre schön«, sagte Großvater Joe und trank einen Schluck Tee. »Manuel kommt doch auch mit?«, fragte Großvater Joe. »Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.«
»Natürlich«, antwortete William und trank die Tasse aus. »So, jetzt muss ich aber fahren. Das Wetter sieht ja wieder besser aus.«
Die Wolkendecke riss an einigen Stellen auf und blauer Himmel kam zum Vorschein. Sonnenstrahlen fielen durch das große Fenster auf den Esstisch und legten einen hellen Lichtschein über den Boden, der aussah wie ein glänzender Teppich.
William schritt über den Lichtschein zur Tür. Großvater und die Kinder folgten ihm, in den breiten Flur, bis zur Haustür.
»Schade, dass du schon gehen musst«, sagte Großvater Joe und umarmte seinen Sohn zum Abschied.
»Bis bald, Vater«, sagte William und ließ ihn los.
Sebastian stand da wie versteinert und blickte zu seinem Vater auf. »Auf wiedersehen, Vater«, sagte er.
»Auf wiedersehen, mein Sohn.« Williams Blick wirkte unbeholfen.
William drehte Sebastian den Rücken zu und ging zum Wagen.
»Grüß Mutter von mir«, rief Sebastian ihm nach.
William wandte sich um.
»Ja, das werde ich tun.« Dann, aus heiterem Himmel, sagte William in einem schroffen Ton: »Und denk dran, Sebastian! Benimm dich bei deinem Großvater, sonst komme ich dich vorzeitig holen und es gibt Stubenarrest, für den Rest der Ferien!« Dann stieg William in den Wagen und fuhr die Schotterstraße zurück zum Tor.
»Hmmm«, kam es von Großvater Joe, der neben Sebastian stand. »Hast du Streit mit deinem Vater?«
»Ach, ja, das ist so eine Sache mit ihm und mir«, stotterte Sebastian. »In letzter Zeit habe ich dauernd Streit mit ihm«, gab Sebastian zu.
»Na, das wird sich bestimmt wieder legen«, wollte Großvater Joe ihn beruhigen und legte ihm dabei die Hand auf die Schulter. »Jetzt hast du erst einmal Ferien«, sagte Großvater freundlich. »Kommt, wir holen uns neue Limonade und Süßigkeiten aus der Küche und setzen uns auf die Terrasse. Was haltet ihr davon?«
»Klasse«, kam es von Niko. »Ich liebe Süßigkeiten vor dem Mittagessen.«
»Das sieht man dir an«, sagte Lars und streckte seinen Bauch heraus.
»Na, wenn schon, Lars. Das ist mir so was von egal!«, schnauzte Niko. »Ehrlich, es ist mir völlig egal, Lars Storchbein.«
***
Am frühen Nachmittag schien die Sonne häufiger und es war bereits angenehm warm geworden. Sebastian saß auf dem dunklen Holzboden der Terrasse und ließ seinen Blick über den Garten schweifen, dann sah er nach links, zu dem turmähnlichen Anbau, wo sich Großvaters Schreibzimmer befand.
Niko griff in die Schüssel Süßigkeiten, die Großvater Joe wieder bis zum Rand aufgefüllt hatte.
»Mensch, Niko, du hast doch heute Mittag schon ein ganzes Rind verdrückt. Lass mir noch etwas von den Süßigkeiten übrig!«, hänselte Lars ihn.
»Für dich ist noch genug da, Storchbein!«, giftete Niko ihn an.
»Ihr wollt euch doch nicht streiten?«, ermahnte Großvater Joe die beiden.
»Ach, ne, ...«, sagte Lars.
»Das ist doch kein Streit«, winkte Niko ab. »Wir sind die besten Freunde.«
Großvater Joe lächelte zufrieden. »Dann ist es ja gut.« Er zündete sich eine Lesepfeife an.
»Das ist ja eine außergewöhnliche Pfeife«, bemerkte Juana.
»Ja, in der Tat, das ist sie wirklich«, sagte Großvater Joe und tat geheimnisvoll, »sie hat einmal meinem Großvater gehört«, betonte er, »und er hat sie wiederum von einem König geschenkt bekommen.«
»Von einem König?«, fragte Lars verblüfft.
»Ja«, sagte Großvater Joe nickend, nahm einen sanften Zug und blies den Qualm langsam aus, »aber das ist eine andere Geschichte, die ich euch später einmal erzählen werde.«
»Bist du sicher, dass die Pfeife von deinem Großvater ist?«, fragte Sebastian.
»Ja«, nickte Großvater. »Warum?«
Sebastian zuckte mit den Schultern.
»Vom wem sollte sie sonst sein, wenn nicht von meinem Großvater?«, überlegte Joe.
Sebastian schwieg.
Großvater griff mit der linken Hand nach dem dicken Buch, das rechts von ihm auf dem Holzboden lag. »Jetzt möchte ich euch eine Geschichte aus diesem geheimen Buch vorlesen«, hauchte er.
Großvater Joe rauchte seine Pfeife und blickte dabei in die Runde. Er betrachtete sich für einen kurzen Moment den langen Stiel der Pfeife und legte sie dann bedächtig beiseite, nahm das Buch in beide Hände und schlug den ledernen Einband auf, auf dessen Mitte eine Sonne und Sterne zu erkennen waren, darüber befand sich eine seltsame goldene Inschrift. Sebastian, der neben seinem Großvater saß, wagte einen Blick auf die handgeschriebenen Seiten.
»Ich möchte euch nun die Geschichte von der goldenen Kugel vorlesen«, sagte er, »die mein Großvater einmal geschrieben hat.«
Sebastian