Mozart. Karl Storck

Mozart - Karl Storck


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hatte, und bat Herrn Papa um seine Erinnerung hierüber. Wir spielten diese Trio, und Papa spielte mit der Viola den Baß, der Wenzl das erste Violin, und ich sollte das zweite spielen. Wolfgangerl bat, daß er das zweite Violin spielen dürfte, der Papa aber verwies ihm seine närrische Bitte, weil er noch nicht die geringste Anweisung in der Violin hatte, und Papa glaubte, daß er nicht im mindesten zu leisten imstande wäre. Wolfgang sagte: ›Um ein zweites Violin zu spielen, braucht man es wohl nicht erst gelernt zu haben‹; und als Papa darauf bestand, daß er gleich fortgehen und uns nicht weiter beunruhigen sollte, fing Wolfgang an bitterlich zu weinen und trollte sich mit seinem Geigerl weg. Ich bat, daß man ihn mit mir möchte spielen lassen; endlich sagte Papa: ›Geig mit Herrn Schachtner, aber so stille, daß man dich nicht hört, sonst mußt du fort.‹ Das geschah, Wolfgang geigte mit mir. Bald bemerkte ich mit Erstaunen, daß ich da ganz überflüssig sei; ich legte still meine Geige weg und sah Ihren Herrn Papa an, dem bei dieser Szene die Tränen der Bewunderung und des Trostes über die Wangen rollten; und so spielte er alle sechs Trio. Als wir fertig waren, wurde Wolfgang durch unsern Beifall so kühn, daß er behauptete, auch die erste Violin spielen zu können. Wir machten zum Spaß einen Versuch und wir mußten uns fast zutode lachen, als er auch dies, wiewohl mit lauter unrechten und unregelmäßigen Applikaturen doch so spielte, daß er doch nie ganz stecken blieb.

      Zum Beschluß. Von Zärtlichkeit und Feinheit seines Gehörs!

      Fast bis in sein zehntes Jahr hatte er eine unbezwingliche Furcht vor der Trompete, wenn sie allein, ohne andere Musik, geblasen wurde; wenn man ihm eine Trompete nur vorhielt, war es ebensoviel, als wenn man ihm eine geladene Pistole aufs Herz setzte. Papa wollte ihm diese kindische Furcht benehmen und befahl mir einmal, trotz seines Weigerns, ihm entgegen zu blasen; aber mein Gott! hätte ich mich nicht dazu verleiten lassen. Wolfgangerl hörte kaum den schmetternden Ton, ward er bleich und begann zur Erde zu sinken, und hätte ich länger angehalten, er hätte sicher das Fraise (Krämpfe) bekommen.

      Dieses ist beiläufig, womit ich auf die gestellten Fragen dienen kann, verzeihen Sie mir mein schlechtes Geschmier, ich bin geschlagen genug, daß ich's nicht besser kann. Ich bin mit geziemend schuldigster Hochschätzung und Ehrfurcht

      Salzburg, den 24. April 1792.

      Euer Gnaden

       ergebenster Diener

       Andreas Schachtner,

       Hochfürstl. Hoftrompeter.«

      Daß ein so hervorragender Musiker wie Leopold Mozart diese wunderbaren Anlagen des Kindes hätte übersehen können, ist natürlich ausgeschlossen. Aber es fehlt das zweite Beispiel für den geradezu heiligen Ernst, mit dem der Vater nun die Ausbildung dieser Gaben in die Hand nahm. Daß die Erziehung dieses Kindes sein wahrer Beruf sei, erfaßte er in einer tiefen Religiosität, in der sich das freudigstolze Dankempfinden des Erzeugers dieses »Wunders Gottes« mit einem schweren, Entsagung und Opfer heischenden Verantwortungsgefühl verband. Nur dem glücklichen Umstand, daß ein so seltenes Gut in eine ebenso seltene treue Hut gegeben war, danken wir die wunderbare Entfaltung Wolfgang Mozarts.

      2. Die Weltreise des Wunderkindes

      »Das größte Naturwunder des Jahrhunderts darf nicht unbeachtet im Salzburger Winkel bleiben; meine Pflicht ist es, der Welt das Wunder Gottes zu zeigen.« In dieser Gesinnung entschloß sich der Vater, als Wolfgang sechs, die Schwester elf Jahre alt war, sein ruhiges Salzburger Leben aufzugeben und in die Welt hinauszuziehen, die ihm bis dahin auch unbekannt geblieben war. Wir sind auch über diese Kunstfahrten, trotzdem die ganze Familie Mozart daran teilnahm, gut unterrichtet durch die Berichte des Vaters an den Kaufmann Lorenz Hagenauer, in dessen Hause er damals wohnte. Hagenauer war mit seiner ganzen Familie den Mozarts in echter Freundschaft zugetan und unterstützte den Vater vor allem in Geldangelegenheiten. Daraus erklärt es sich, daß der äußere Erfolg in diesen Briefen mehr Erwähnung findet, als es sonst wohl in des alten Mozart Art gelegen hätte. Im übrigen hat auch hier die Schwester sorgsam eine Fülle von Erinnerungen aufbewahrt, die sie in ihrem bereits erwähnten Bericht an Schlichtegroll gegeben hat. (Gedruckt in Nottebohms »Mozartiana« 1880.)

      Die erste, im Januar 1762 unternommene Reise führte nach München, wo sie drei Wochen blieben und erreichten, daß die Kinder vor dem Kurfürsten spielen konnten. Der große Erfolg ermutigte den Vater zur Reise nach Wien, die am 18. September desselben Jahres angetreten wurde.

      Schon unterwegs brachten die Aufenthalte allerlei Erfolge. In Passau, wo sie auf Veranlassung des Bischofs fünf Tage blieben, bekamen sie auch bereits einen Vorgeschmack von der Noblesse deutscher Edler in pekuniären Dingen, denn das Honorar betrug einen ganzen Dukaten. Im Kloster Ips spielte der Knabe auf der Orgel zum Erstaunen der Mönche; in Wien bezauberte der kleine Orpheus mit seinem Geigerl die Zollbeamten derart, daß sie der ganzen Familie keinerlei Schwierigkeiten machten. Von Wien aus konnte der Vater bald rasche Erfolge melden; auch seinen Hauptzweck, an den kaiserlichen Hof zu gelangen, erreichte er überraschend schnell, denn fast alle Mitglieder der kaiserlichen Familie waren sehr musikalisch. Bereits am 13. September konnte der Vater seine Kinder in Schönbrunn vorstellen, und zwar im engen Familienkreise. »Hauptsächlich erstaunt alles ob dem Buben, und ich habe noch niemand gehört, der nicht sagte, daß es unbegreiflich sei.« Das kaiserliche Paar und die Prinzessinnen behandelten die Familie geradezu freundschaftlich, und der Wolferl fühlte sich in ihrem Kreise wie zu Hause. Er hat von dieser Zeit an in seinem liebevollen und dankbaren Herzen dem Kaiserhause eine geradezu persönliche Treue bewahrt, die auch dann nicht vermindert wurde, als er vielfache Zurücksetzungen erfahren hatte. Doch das widerfuhr erst dem Meister. Das Kind fand eitel Liebe. In einzelnen Kunststücken, wie zum Spielen mit einem Finger oder bei verdeckter Klaviatur reizte der Kaiser den kleinen Hexenmeister selber an. So gern dieser aber auch auf alle Scherze einging, so ernsthaft blieb er, sobald es darauf ankam, ernst zu musizieren. Er wollte nur vor Kennern oder wahrhaften Liebhabern spielen, ein Charakterzug, den er zeitlebens behalten hat, wie ihm ja auch niemals ein Lob deshalb Eindruck gemacht hat, weil der Spender desselben eine hohe Stellung in der Welt einnahm, wogegen er sich auch als vollkommener Meister noch herzlich freute über jede Anerkennung, die ihm von Menschen zuteil wurde, bei denen er echtes musikalisches Empfinden gefunden hatte. So beharrte er auch einmal darauf, als er beim Kaiser Franz spielte, daß der treffliche Klavierspieler und Komponist Georg Christ. Wagenseil (1715–1777) an seine Seite treten mußte. Im übrigen war er ein echtes Kind, das sich unbefangen benahm und durch seine Kindereien natürlich erst recht die vornehme Gesellschaft bezauberte. »Alle Damen waren in den Buben verliebt«, und man riß sich in der vornehmen Welt um die Mitwirkung der kleinen Künstler bei gesellschaftlichen Veranstaltungen. Auch die pekuniären Erfolge stellten sich bald ein. Die glückliche Zeit erfuhr erst eine unliebsame Unterbrechung dadurch, daß Wolfgang Ende Oktober vom Scharlachfieber befallen wurde; doch erholte sich der Knabe bald wieder, und sie kehrten erst in den ersten Tagen des Jahres 1763 wieder nach Salzburg zurück.

      Der große Erfolg in Wien hatte Mozarts Mut gemacht. Nach kurzem Aufenthalt in Salzburg entschlossen sie sich zu einer großen Konzertreise nach Paris. Noch galt dieses ja als Mittelpunkt der gebildeten und künstlerischen Welt, und man konnte annehmen, daß ein Erfolg in der französischen Hauptstadt überall anerkannt werden würde, vielleicht am allermeisten in der deutschen Heimat. Allerdings gerade auf musikalischem Gebiete war die Stellung von Paris nicht unangefochten. Die Musikgeschichte, die der Oper zumal, beurteilt sie leicht zu günstig, weil in Paris der Kampf wider die Alleinherrschaft der italienischen Opernmusik am entschiedensten ausgefochten wurde. Hier hat ja auch Gluck seinen endgültigen Sieg errungen. Aber man darf nicht verkennen, daß die Gegnerschaft Frankreichs gegen die italienische Oper doch letzterdings auf einem Mangel an musikalischer Veranlagung beruhte, und es ist bezeichnend, daß die französische Oper gegenüber der italienischen stets die Rechte der Dichtung oder, da dieses Wort meistens zu hoch gegriffen ist, wollen wir lieber sagen des Textes wahrgenommen hat. Deshalb haben auch gerade die Mozarts, Vater und Sohn, über die französische Musik recht gering gedacht, weil sie wohl spürten, daß die wirklich musikalische Kraft fehlte.

      Auf dem Wege nach Paris gab man Konzerte, wo sich die Gelegenheit dazu bot. Das öffentliche Konzertleben Deutschlands war damals noch sehr wenig entwickelt. Eigentliche Konzerte in unserem Sinne hat es damals fast


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