Mozart. Karl Storck

Mozart - Karl Storck


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Er allein hat mir 80 Louisdor bezahlt, also 320 Billetts abgesetzt, und noch die Beleuchtung mit Wachs bestritten; es brannten über 60 Tafelkerzen. Nun, dieser Mann hat die Erlaubnis zu dem Konzert ausgewirkt und wird nun auch das zweite besorgen, wozu schon 100 Billetts ausgeteilt sind. Sehen Sie, was ein Mensch kann, der Vernunft und ein gutes Herz hat!« Bald konnte Mozart auch bei Hofe spielen, und wenn die altgewordene Pompadour jetzt sogar vor den Küssen des Knaben zurückschreckte, so waren die legitimen Mitglieder der königlichen Familie um so freundlicher zu ihm. Mit dem Königshause wetteiferten die vornehmen Familien, und schließlich gewann man auch die schwer zu erlangende Erlaubnis, zwei große öffentliche Konzerte zu veranstalten. Der Erfolg überstieg auch die kühnsten Erwartungen.

      Am lebendigsten wirkt der Brief, den Grimm selber am 1. Dezember 1763 in seiner »Correspondance literaire« veröffentlichte. »Die wahren Wunder sind selten genug, daß man davon reden mag, wenn man Gelegenheit hat, eines zu sehen. Ein Salzburger Kapellmeister namens Mozart ist soeben angekommen mit zwei Kindern von der hübschesten Erscheinung der Welt. Seine Tochter, elf Jahre alt [Sie war im Juli 12 gewesen], spielt in der brillantesten Weise Klavier, sie führt die größten und schwersten Stücke mit einer staunenswerten Präzision aus. Ihr Bruder, der nächsten Februar sieben Jahre alt wird [in Wirklichkeit wurde er im Januar 1764 acht Jahre alt], ist eine so außerordentliche Erscheinung, daß man das, was man mit eigenen Augen sieht und mit eigenen Ohren hört, kaum glauben kann. Es ist dem Kinde nicht nur ein leichtes, mit der größten Genauigkeit die allerschwersten Stücke auszuführen, und zwar mit Händchen, die kaum die Sexte greifen können; nein, es ist unglaublich, wenn man sieht, wie es eine ganze Stunde hindurch phantasiert und so sich der Begeisterung seines Genies und einer Fülle entzückender Ideen hingibt, welche es mit Geschmack und ohne Wirrwarr aufeinander folgen läßt. Der geübteste Kapellmeister kann unmöglich eine so tiefe Kenntnis der Harmonie und der Modulationen haben, welche es auf dem wenigst bekannten, aber immer richtigen Wege durchzuführen weiß. Es hat eine solche Fertigkeit in der Klaviatur, daß wenn man sie ihm durch eine darüber gelegte Serviette entzieht, es nun auf der Serviette mit derselben Schnelligkeit und Präzision fortspielt. Es ist ihm eine Kleinigkeit, alles, was man ihm vorlegt, zu entziffern; es schreibt und komponiert mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit, ohne sich dem Klavier zu nähern und seine Akkorde darauf zu suchen [also schon damals die völlige Unabhängigkeit von der sinnlichen Unterstützung]. Ich habe ihm ein Menuett aufgesetzt und ihn ersucht, den Baß darunterzusetzen; das Kind hat die Feder ergriffen, und ohne sich dem Klavier zu nahen, hat es den Baß daruntergesetzt. Sie können wohl denken, daß es ihm nicht die geringste Mühe kostet, jede Arie, die man ihm vorlegt, zu transponieren und zu spielen, aus welchem Ton man es verlangt. Allein folgendes, was ich gesehen habe, ist nicht weniger unbegreiflich. Eine Frau fragte ihn letzthin: ob er wohl nach dem Gehör und ohne sie anzusehen eine italienische Kavatine, die sie auswendig wußte, begleiten würde? Sie fing an zu singen. Das Kind versuchte einen Baß, der nicht nach aller Strenge richtig war, weil es unmöglich ist, die Begleitung eines Gesangs, den man nicht kennt, genau im voraus anzugeben! Allein sobald der Gesang zu Ende war, bat er die Dame, von vorn wieder anzufangen, und nun spielte er nicht allein mit der rechten Hand das Ganze, sondern fügte zugleich mit der linken den Baß ohne die geringste Verlegenheit hinzu; worauf er zehnmal hintereinander sie ersuchte, von neuem anzufangen, und bei jeder Wiederholung veränderte er den Charakter seiner Begleitung. Er hätte noch zwanzigmal wiederholen lassen, hätte man ihn nicht gebeten, aufzuhören. Ich sehe es wirklich noch kommen, daß dieses Kind mir den Kopf verdreht, höre ich es noch ein einziges Mal; und es macht mir begreiflich, wie schwer es sein muß, sich vor Wahnsinn zu bewahren, wenn man Wunder erlebt. Herrn Mozarts Kinder haben die Bewunderung aller derer erregt, die sie gesehen haben, der Kaiser und die Kaiserin haben sie mit Güte überhäuft. Dieselbe Aufnahme haben sie in München und Mannheim erfahren. Schade, daß man sich hierzulande so wenig auf Musik versteht! –«

      Es war das Paris vor Gluck. Und wenn durch dessen Wirksamkeit der Geschmack und das Verständnis des Volkes natürlich nicht im innersten verändert worden sind, so hätte man sich doch später nicht mehr über die geringe Teilnahme an musikalischen Dingen zu beklagen brauchen, denn durch den Streit der Gluckisten und Piccinisten wurden musikalische Fragen in den Vordergrund alles Interesses geschoben. Jetzt aber teilte auch Leopold Mozart diese geringe Einschätzung der Pariser Musikverhältnisse seines Freundes. Von allem, was er an eigentlicher Musik hörte, ließ er nur die Chöre gelten. Stets bemüht, seinem Sohn jede nur mögliche Anregung zu verschaffen, versäumte er mit ihm keine Gelegenheit, diese Chöre zu hören, die ja in der Tat gegenüber der kärglichen Verwendung des Chores in der italienischen Oper bedeutsam hervorstachen. Übrigens hat der kleine Mozart in gewisser Hinsicht Gluck den Weg in Paris bereitet. Er hat den Franzosen gezeigt, daß auch Deutschland musikalische Genies hervorzubringen imstande sei. In Paris erschienen zuerst Kompositionen Mozarts im Druck. Es waren vier Sonaten für Klavier und Violine, deren zwei erste der königlichen Prinzessin Victoire, die andern der Gräfin de Tessé, einer Ehrendame der Dauphine gewidmet waren. Im übrigen fühlte sich der alte Mozart, trotz der Ehrenbezeugungen und der Geschenke, mit denen sie überhäuft wurden, in Paris nicht wohl. Seinem scharfen Blick entging weder die sittliche Verderbtheit des ganzen Lebens noch die Unterwühlung aller sozialen Verhältnisse, wie er sich auch durch den glänzenden äußeren Prunk nicht darüber täuschen ließ, daß in Wirklichkeit eigentlicher Wohlstand nicht vorhanden war.

      Am 10. April 1764 reisten sie von Paris ab nach London, wo sie nach zwölftägiger Reise anlangten. Hier waren die Verhältnisse für sie besonders günstig, denn sowohl der König Georg III., der ein leidenschaftlicher Verehrer Händels war, wie auch die Königin Sophie Charlotte waren im besten Sinne musikalisch und fühlten sich in ihrer deutschen Gesinnung zu deutschen Musikern besonders hingezogen. Das hat später ja auch Haydn erfahren. So gelang es den Mozarts schon am 27. April, sich bei Hofe hören zu lassen, und der Vater berichtet frohlockend: »Die uns von beiden hohen Personen bezeugte Gnade ist unbeschreiblich, ihr freundschaftliches Wesen ließ uns gar nicht denken, daß es der König und die Königin von England wären. Man hat uns an allen Höfen noch außerordentlich höflich begegnet, allein was wir hier erfahren haben, übertrifft alles andere.« Die musikalischen Veranstaltungen bei Hofe wiederholten sich bald, und vor allem der junge Wolfgang versetzte alle Welt in Erstaunen, so daß man ihn bald als »das größte Wunder, dessen sich Europa und die Welt überhaupt rühmen kann«, pries. In der Tat verursachte das Reisen und das vielfache öffentliche Auftreten keinerlei Hemmnis in des Knaben musikalischer Entwicklung. Der Vater selber sagt davon: »Es übersteigt alle Einbildungskraft. Das, was er gewußt hat, als wir Salzburg verließen, ist ein purer Schatten gegen das, was er jetzt weiß.« Bald darauf schreibt er in vollberechtigtem Stolze: »Genug ist es, daß mein Mädel eine der geschicktesten Spielerinnen in Europa ist, wenn sie gleich nur 12 Jahre hat; und daß der großmächtige Wolfgang kurz zu sagen alles in diesem seinem achtjährigen Alter weiß, was man von einem Manne von 40 Jahren fordern kann. Mit kurzem, wer es nicht sieht und hört, kann es nicht glauben. Sie selbst, alle in Salzburg wissen nichts davon, denn die Sache ist nun etwas ganz anderes.«

      Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Ursache, daß die Kinder – auch für Marianne gilt es – unter dem Reisen und durch den Aufenthalt in der Fremde nicht litten, vor allem darin sieht, daß die Eltern stets bei ihnen waren und ihnen überall eine Heimat zu bereiten wußten. Freilich werden wir ja bald und später immer wieder von nicht unbedenklichen Erkrankungen der Kinder, zumal Wolfgangs, zu sprechen haben, die doch wohl zumeist auf diese große und rasche Entfaltung der geistigen Kräfte zurückzuführen sind. Aber das wirkt als unabänderliches Schicksal. Denn bei Mozart vollzieht sich das alles so selbstverständlich und natürlich, daß man nicht das Recht hat, die geistige Entwicklung als willkürlich beschleunigt hinzustellen. Der Genius waltet und schaltet eben nach seinem Belieben mit dem Körper, dem er verbunden ist. Man denke doch, daß Franz Schubert, der niemals auf solche Reisen geführt worden ist, der obendrein von der Natur mit einem gewissen körperlichen Phlegma begnadet worden war – denn es war eine Gnade gegenüber seiner unendlich regen Phantasietätigkeit –, ebenso rasch von dem Feuer verzehrt wurde, das in ihm lohte. Wolfgang war schon als Kind nachts nur mit Gewalt vom Klavier zu entfernen, und wenn man den Kranken auch vom körperlichen Musizieren fernhalten konnte, so ließ sich doch sein Geist nicht zwingen.

      Unter den Freunden, die die Künstler in London gewannen. war auch Joh.


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